BMW X6 Active Hybrid - Der Bulle aus Spartanburg
Testbericht
Bei seinen Erfolgsmodellen X5 / X6 setzt BMW in den USA auf eine
Doppelstrategie. Wer sich trotz erwiesener Qualitäten nicht für den X5
Diesel erwärmen kann, soll zum X6 mit 485 PS starkem Power-Hybrid
greifen. Elektroantrieb – einfach anders.
In einer Region, wo Range Rover, Porsche 911 oder Mercedes S-Klasse
zum Straßenbild gehören wie in unseren Breiten ein dunkler VW Golf,
kann man mit einem Auto von der Stange kaum auffallen. Doch Will,
Doorman am Hotel Palomar am Wilshire Boulevard von Los Angeles,
kann es kaum glauben: „Ist das wirklich ein Hybrid? Endlich einmal
einer, der cool aussieht. Echt sexy.“ Klar, Will, bekleidet mit brauner
Hoteluniform und einem modischen Hut, möchte mit netten Sprüchen
das Trinkgeld in die Hohe drücken. Doch als am nächsten Tag der vierte
Hotelangestellte interessiert nach dem Antrieb des BMW X6 Hybrid
fragt, scheint das ganze Hand und Fuß zu haben. Dieser Wagen kommt
an. Zwei Tage später im Trump Hotel am legendären Strip von Las
Vegas das gleiche Bild. Hotelpagen, die sich darum reißen, den X6
Hybrid in eines der oberen Geschosse zum Valet Parking bringen zu
dürfen sind kein Einzelfall. „Ist wirklich ein Hybrid? Cool.“, klatscht Bob
am Hoteldesk Applaus. Im Gegensatz zum Palomar ist das Valet Parken
im Hotel von Immobilienmogul Donald Trump nicht kostenlos. In Los
Angeles wurde einem die 30-Dollar-Gebühr mit einem Hybridfahrzeug
erlassen. Das ist Kalifornien.
Dabei stand der BMW X6 Hybrid zumindest auf deutschen Straßen lange
auf der Kippe. Aufgrund der hohen Kosten brachte Mercedes seinen ML
Hybrid nur in den USA auf den Markt. Bei Hybrid-Kooperationspartner
BMW gab es ähnliche Überlegungen. Als die deutschen Hersteller
merkten, dass sie den Trend verschlafen hatten und gerade auf dem US-
Markt die Hybrid-Post abging, wurde bei Mercedes und BMW entschieden,
sich in das SUV-Hybridprojekt von Chrysler und General Motors
einzukaufen. Gleichzeitig entwickelten beide zusammen mit Continental
ein Hybridkonzept für die Limousinen S-Klasse / E-Klasse sowie 7er / 5er.
Nach großen Fortschritten am Anfang dauerten die Adaptionen an
Motoren und Getrieben der SUV jedoch so lang, dass die eigenen
Entwicklung nahezu zeitgleich auf den Markt kamen. Im Gegensatz zu
BMW 7er und Mercedes S-Klasse sind X6 Hybrid und ML Hybrid jedoch mit
betagter Hybridtechnik und ebenso schweren wie üppig dimensionierten
Nickel-Metallhybrid-Akkus unterwegs.
Davon spürt der Fahrer des BMW X6 Hybrid nichts – im Gegenteil. Zwar
merkt man dem sportiven Allradler sein mächtiges Eigengewicht von 2,5
Tonnen durchaus an, aber die mächtige Motorleistung überspielt das
Minus mehr als gekonnt. Dabei ist der sonore Klang des doppelt
aufgeladenen Achtzylinders mit dem entsprechend sportlichen Vortrieb
nur eine Seite der Medaille. Noch lässiger wirkt der X6, wenn er wie einst
das Film-U-Boot „Roter Oktober“ in der Besetzung Baldwin / Connery in
geheimer Schleichfahrt unterwegs ist. Denn im Vergleich zu den
Limousinen von Mercedes und BMW mit moderner und vergleichsweise
kompakter Akkutechnik kann der X6 Hybrid ebenso wie die hybride M-
Klasse allein mit elektrischer Energie fahren.
Das gefällt nicht nur den Hotelpagen und dem Parkpersonal von Trump
Tower oder Hotel Palomar, sondern demjenigen, der den X6 im
Alltagsbetrieb bewegen kann. Die Testtour geht von Los Angeles mit viel
Stadtverkehr über die Highways nach Palm Springs. Auf dem Weg über
die kurvigen Bergstraßen hinauf nach Las Vegas kann der X6 Hybrid lässig
cruisen, jedoch genießen die Insassen beim Überholen langer
Lastwagenkolonnen die mächtige Systemleistung von fast 500 PS. In
Vegas ist auf dem überfüllten Strip dagegen bevorzugt lautlosen
Dahingleiten an der Tages- und Nachtordnung.
Bis knapp 65 km/h ist der hellblaue BMW X6 Hybrid allein elektrisch
unterwegs. Das sorgt nicht nur für ein überaus lässiges Gefühl, wenn
man auf dem Santa Monica Boulevard lässig und ohne Abgase im
Verkehr mitschwimmt, sondern auch wenn sich Passanten auf dem
Parkplatz vor dem Wal-Mart erschrecken, wenn sich der X6 nahezu
geräuschlos von hinten anpirscht. Dabei geschieht der Übergang vom
allein elektrischen Fahrbetrieb auf das Fahren mit dem leistungsstarken
Verbrennungsmotor im Hintergrund; aber durchaus spürbar. Wird der
X6 voll beschleunigt, springen der Achtzylinder und die beiden
Elektrotriebwerke gemeinsam in die Bresche. Während der Achtzylinder
mit 4,4 Litern Hubraum 407 PS leistet, werkeln in der mächtigen Two-
Mode-Getriebeeinheit, die federführend von General Motors entwickelt
wurde, zwei Elektromotoren. Der kleinere mit 86 PS arbeitet beim
Starten und langsamer Fahrt allein und treibt den tonnenschweren
Koloss bis zu einem Tempo von 65 km/h rein elektrisch an. Bei einem
vollen Akkumodul reicht das für eine Strecke von bis zu 2,5 Kilometern.
Bei lockerer Fahrt und beim Bremsen holt sich der X6 elektrische
Energie über Generator und regeneratives Bremssystem wieder zurück.
Fordert der Fahrer mehr Leistung von seinem X6 Active Hybrid ab,
springen dem ersten Elektromotor der Verbrenner und ein zweites E-
Modul mit 91 PS und 260 Nm Drehmoment zur Seite. „Bei vollem
Leistungsabruf verfügt der X6 dann über eine Systemleistung von 357
KW / 485 PS“, erläutert Projektleiter Peter Tünnermann. Unter dem
Ladeboden befindet sich das rund 100 Kilogramm schwere Akkumodul,
das mit einer Leistung von 2,4 kWh das elektrische Dahingleiten
ermöglicht. Die Fahrleistungen sind für ein Fahrzeug dieser Klasse
schlicht grandios. 0 auf 100 km/h in 5,6 Sekunden und eine
Höchstgeschwindigkeit von rund 240 km/h sind in der Liga der Hybrid-
SUV bisher unerreichte Sphären. Kein Wunder, dass die Angestellten
des Valet-Parking in den kalifornischen Metropolen allenthalben feuchte
Hände bekommen. Dabei bleibt ein mächtiger Wermutstropfen. Von
den versprochenen 9,9 Litern Superkraftstoff auf 100 Kilometern war
der X6 Hybrid im Praxistest meilenweit entfernt. Selbst bei
zurückhaltender US-Fahrweise genehmigte sich der sportliche SUV mit
Produktionsstandort im amerikanischen Spartanburg nicht weniger als
12,8 Liter.
Damit sieht er trotz aller Motorleistung gegen die drehmomentstarken
Diesel aus eigener Produktion schlecht aus. Die haben mittlerweile selbst
in den dieselfeindlichen USA einen X5-Anteil von mehr als einem Viertel.
Und wer X5 / X6 mit dem doppelt aufgeladenen 306-PS-Sechszylinder-
Selbstzünder des 40d bewegt, wird außer dem satten V8-Klang des
Hybriden kaum etwas vermissen. Das gilt auch für den Innenraum. Die
bequemen Ledersitze lassen sich präzise auf die persönlichen Vorlieben
der Insassen anpassen. Lenkrad, Bedienelemente und Anzeigen belegen,
dass BMW hier zu alter Stärke zurückgefunden hat. Auf den zwei
bequemen Einzelsitzen im düster anmutenden Fond lässt es sich
vortrefflich reisen, vorausgesetzt man ist nicht größer als 1,80 Meter. Der
Laderaum fast 480 bis 1.570 Liter Stauraum. Über die zu hohe Ladekante
tröstet das bullige Heckdesign und die elektrische Heckklappe hinweg.
Man kann lange über die veraltete Akkutechnik des X6 Hybrid streiten
oder das Für und Wider von rein elektrischem Fahren. Doch die
Fahrleistungen des Active Hybrid X6 sind in Kombination mit dem
grandiosen Fahrwerk mehr als beeindruckend. Das gilt auch für den
Preis. BMW verlangt in Deutschland für den X6 Active Hybrid
unglaubliche 102.900 Euro. Knapp 30.000 Euro mehr als ein BMW X6
5.0i xDrive oder mehr als 45.000 Euro mehr als der beliebte Einsteiger-
Diesel 3.0d im BMW X5. Die umtriebigen Elektro-Bayern lassen sich die
Stromschnellen des X6 unverschämt teuer bezahlen. Sparsamer als ein
X6 Diesel ist der Hybrid trotzdem nicht. Herausfahren kann man den
Preisnachteil in mehreren Autoleben nicht. Doch insbesondere auf dem
US-Markt kann der Diesel trotz zunehmender Akzeptanz nicht alle
Kunden locken. Sie wollen Power satt - und einen Elektroantrieb, der
das Gewissen beruhigt. Beides bietet der BMW X6 Hybrid zwischen Los
Angeles und New York zu einem Preis, der konkurrenzfähig ist. 89.900
Dollar sind trotz des aktuell schwachen Euro umgerechnet gerade
einmal 70.000 Euro. Dafür hätte der BMW X6 Active Hybrid vielleicht
auch in Deutschland eine Chance.






























