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Testbericht

Stefan Grundhoff, 30. März 2020
Alle paar Jahre kommt sie wieder - die Idee vom idealen automobilen Lebenselixier namens Wasserstoff. Außer Kleinserien ist trotz gigantischer Entwicklungsaufwände bisher nichts Zählbares auf der Straße. Während Volkswagen die Brennstoffzelle auf lange Sicht nicht in PKW sieht, bringt BMW in zwei Jahren eine Testflotte an den Start - wieder einmal.

Die Aussagen zum Thema Wasserstoff waren auch im Hause Volkswagen nicht immer eindeutig. Während Konzern-CEO Herbert Diess seine Gefolgsleute mehr denn je darauf einschwört, sich endlich auf den Elektroantrieb zu konzentrieren und Nebenschauplätzen wie Gasantrieben oder der Brennstoffzelle endgültig die kalte Schulter zu zeigen, äußerte sich der scheidende Audi-CEO Bram Schot noch im vergangenen Jahr, dass man wieder in das Thema Brennstoffzelle einsteigen wolle. Abwarten wie das der neue Audi-CEO und ausgemachte Technikexperte Markus Duesmann sieht, der diese Woche in Ingolstadt die Nachfolge von Bram Schot antritt.

Auch Volkswagen-Markenchef Ralf Brandstetter erteilte dem Thema Wasserstoff uuletzt wieder eine deutliche Absage: \"Die Brennstoffzelle ist für uns im Bereich PKW keine Option.\" Bei Volkswagen und den Konzerntöchtern spielte der Wasserstoff bisher noch nie eine nennenswerte Rolle. Immerhin forschte man einige Jahre mit Vorserienmodellen von Audi A7 / VW Passat (US-Version), die man nach eigenen Aussagen innerhalb von rund zwei Jahren auf die Straße hätte bringen können. Doch wie bei vielen anderen Herstellern auch zweifelten insbesondere die Vertriebler an der Zukunft des Wasserstoffantriebs, denn seit vielen Jahren liegen die größten Probleme der Brennstoffzelle nicht bei den Autoherstellern selbst, sondern in der mehr als löcherigen Infrastruktur. Ein Tankstellennetz in einem Land oder gar auf einem Kontinent aufzubauen, erscheint angesichts der großen Kosten, die durch die speziellen Hochdrucktanks und die Füllanlagen entstehen, in den nächsten Jahren abwegig. Insbesondere, weil die Brennstoffzelle mittlerweile nicht nur gegen die übermächtige Ölindustrie ankämpfen muss, sondern einen deutlich gefährlicheren Gegner hat: die Akkutechnik.

In erster Linie wird das Thema Brennstoffzelle von asiatischen Marken und hier speziell von Toyota, Honda und Hyundai, immerhin einigen der größten Autobauern, befeuert. Jetzt scheint BMW wieder etwas intensiver ins Geschäft mit der umstrittenen Brennstoffzelle einzusteigen. Seit 2013 arbeiten die Bayern hier auf kleiner Flamme mit Kooperationspartner Toyota zusammen und haben eine Kleinstflotte von BMW 5er GT mit dem Wasserstoffantrieb des Toyota Mirai aufgebaut, um Erfahrungen zu sammeln. Jetzt kündigen die Bayern an, 2022 eine neue Flotte einzusetzen, die aus umgebauten BMW X5 besteht, die mit einer Brennstoffzelle unterwegs sind. Ein Serienfahrzeug hingegen ist bis Mitte des Jahrzehnts erst einmal nicht angedacht. \"Aus unserer Sicht muss Wasserstoff als Energieträger zunächst in hinreichenden Mengen, mit grünem Strom und zu wettbewerbsfähigen Preisen produziert werden\", so BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich, \"Wasserstoff wird dann vor allem in Anwendungen eingesetzt werden, die nicht direkt elektrifizierbar sind, also etwa im Schwerlastverkehr auf der Langstrecke.\"

\"Beim Antriebsystem des BMW i Hydrogen Next erzeugt das Brennstoffzellensystem bis zu 125 kW / 170 PS elektrische Energie, die aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff aus der Luft gewonnen wird\", so Jürgen Guldner, Leiter BMW Brennstoffzellen-Technologie. Der elektrische Wandler, der sich unterhalb der Brennstoffzelle befindet, passt das Spannungsniveau an die des elektrischen Antriebs sowie der Leistungspuffer-Batterie an. In dem umgebauten BMW X5 befinden sich zwei 700-bar-Tanks, die insgesamt sechs Kilogramm Wasserstoff fassen. Guldner: \"Dies garantiert große Reichweiten bei allen Wetterbedingungen. Der Tankvorgang nimmt nur drei bis vier Minuten in Anspruch\". Die Systemleistung des BMW i Hydrogen Next liegt bei 275 kW / 374 PS.

Technisch betrachtet ist ein Brennstoffzellenauto nichts anderes als ein Elektrofahrzeug, das seine Energie nicht in Lithium-Ionen-Paketen oder Konglomeraten aus Polymerzellen speichert, sondern die Energie befindet sich im Wasserstoff, der aufwendig nachgetankt und erst im Auto in elektrische Energie umgewandelt wird, aus der die Elektromotoren ihre Kraft ziehen. Nachdem sich viele erfolglos an der Brennstoffzelle versuchten, gibt es national wie international keinen nennenswerten Markt. Immerhin werden von Toyota, Hyundai, Mercedes und Honda derzeit in Europa vier Fahrzeuge angeboten, die man jedoch nur mit viel Wohlwollen als Serienmodelle bezeichnen kann. Die Stückzahlen sind homöopathisch, die Nachfrage geringer als gering. Ohnehin gibt es zumeist nur Leasingangebote. Immerhin bieten die Fahrzeuge abgesehen von soliden Fahrleistungen und praktikablen Reichweiten den Vorteil, dass sie sich innerhalb von wenigen Minuten nachtanken lassen und fit für die nächsten 400 bis 500 Kilometer sind.

Weitgehend ausgemerzt sind Probleme beim Packaging, denn die Tanks sind trotz 700 bar Belastbarkeit weithin unsichtbar in den Modellen versteckt. So ganz lässt sich das komplexe Antriebsmodul dann aber doch nicht überdecken, denn die Tanks und das kleine Kraftwerk, das den flüssigen Wasserstoff zu elektrischer Energie umwandelt, schluckt so viel Raum, dass Crossovern wie dem Hyundai Nexo oder dem Mercedes GLC beispielsweise der übliche Allradantrieb verwehrt bleibt. Die Marktnachfrage ist überschaubar, das Interesse der Öffentlichkeit ebenso und in den nächsten Jahren geht es für die meisten potenziellen Kunden eher darum, wie weit das kommende Fahrzeug überhaupt elektrisiert werden muss.

Die Geschichte der Brennstoffstelle ist schon einige Jahrzehnte alt. Autohersteller aus Japan, den USA und Deutschland bastelten immer wieder an der Antriebstechnologie herum. In ein paar Jahren sollte die Technik serienreif sein und dann würde es einen Durchbruch geben - so hörte man es immer wieder. Der kam bisher nie. Während Hersteller wie Toyota, General Motors oder Honda auf technische Lösungen und Kleinserien setzten, ging Daimler mit einer Welttournee einen anderen Weg. Der chinesische Autohersteller Great Wall Motor beabsichtigt ebenfalls, Brennstoffzellenfahrzeuge als Teil seiner alternativen Energie-Roadmap zu entwickeln. Bis zum Jahr 2025 sollen nach Angaben von IHS gerade einmal 150.000 Brennstoffzellenfahrzeuge auf dem Weltmarkt verkauft werden. Toyota will seine Brennstoffzellentechnik zukünftig an die BAIC Group liefern. Foton Motor, die Nutzfahrzeugsparte von BAIC, soll dabei der erste chinesische OEM sein, der von Toyotas FCV-Technologien profitieren wird. Deutlich besser als bei PKW sehen viele gerade nicht nur in den USA ohnehin die Chancen auf einen Wasserstoffantrieb für Lastwagen. Sie würden von kurzen Tankzeiten und großen Reichweiten besonders profitieren und könnten die aufwendige Technik nebst großen 700-bar-Tanks problemlos auf dem Dach oder hinter dem Führerhaus unterbringen.

Quelle: Autoplenum, 2020-03-30

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