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Testbericht

Jürgen Wolff, 17. April 2014
Weiß ist das neue Schwarz. Nach wie vor dominieren schwarze, graue und silberne Autos die Straßen in Deutschland. Doch der Rest der Welt zeigt derweilen schon, wo es farblich lang geht.

Apple ist an allem schuld. Nachdem Weiß als Autolack seit Ende der 1980er Jahre so was von "out" war, holt die eigentliche Nicht-Farbe seit Jahren wieder rasant auf. Weltweit gesehen wurden im vergangenen Jahr laut einer Erhebung des amerikanischen Autolackherstellers Axalta die meisten Autos in Weiß geordert: 22 Prozent in Uniweiß, sieben Prozent in Perlweiß. Axalta erfasst seit 1953 jedes Jahr die populärsten Autofarben weltweit. Deutschland leuchtet noch nicht ganz so hervor - hier lieben es die meisten nach wie vor dunkel und grau. Nach den Zahlen des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) stand 2013 wieder Schwarz ganz vorne bei den Neuzulassungen in Deutschland, mit 28,4 Prozent. Dicht dahinter folgen Silber und Grau mit zusammen 27,9 Prozent. Der Rückzug der Grauen ist dabei rasant: Vor zehn Jahren wurde noch beinahe jedes zweite Auto in Silber/grau ausgeliefert.

Noch rapider drängt Weiß nach vorne: 2006 standen nicht einmal zwei Prozent der neu zugelassenen Autos in weißem Lack - mittlerweile sind es wieder fast 18 Prozent. Zuerst entdeckten die Autokäufer in Nordamerika das neutrale Weiß wieder, dann sprang der Trend nach Asien über. Und nun ist er auch in Europa angekommen. Autoexperten vermuten hinter der weißen Welle nicht zuletzt den "Apple-Effekt". So verkaufte die Apfelmarke ihre Smartphones und Musikplayer anfangs überwiegend in Weiß - und sorgte so dafür, dass Weiß unisono für cooles Design und technischen Fortschritt steht. Die Autoindustrie tut das Ihrige, diesen Trend zu verstärken. Auf den Automessen stehen die Schaustücke immer häufiger in gleißendem Weiß aufgereiht und durch die doppelseitigen Zeitschriftenanzeigen rollen die neuesten Modelle ganz in Weiß.

Daran, dass neutrale Farben wie Weiß, Schwarz, Grau und Silber rund drei Viertel des globalen Automarktes abdecken, ist aber nicht zuletzt auch der große Anteil der Geschäftsautos schuld. Sie müssen seriös daher kommen, gediegen und edel, wie es diese Farbtöne suggerieren. Die Kunden haben meist schon beim Neuwagenkauf den Wiederverkaufswert im Auge - nicht nur subjektiv eine wichtige Zielgröße. Auch die Statistiken der gängigen Gebrauchtwagenportale zeigen, dass Autos in neutralen Farben die besseren Erlöse bringen. Rot oder Blau drückt vor allem bei größeren Modellen den Preis und Ausgefallenes wie Türkis oder Lila macht selbst einen Porsche nahezu unverkäuflich. Wie steht es bei soviel Grau in Schwarz mit dem Seelenheil eines Designers für Autofarben? "Die Designer-Seele erfreut sich auch an einem tollen Grau", beruhigt Mark Gutjahr, Design-Chef Europe bei BASF Coatings, einem der weltweit größten Zulieferer von Autolacken: "Aber ich bin zuversichtlich, dass eine Veränderung stattfindet - es wird sicherlich bunt auf Deutschlands Straßen." Alleine BASF Coatings präsentierte für dieses Jahr 65 neue Farben, vor allem Grüntöne. Noch sind es vor allem Kompakt- und Kleinwagen, die zweifarbig bestellt werden. Mini Cooper, Opel Adam, Fiat 500, Suzuki Swift, oder Smart haben nicht nur ein farbenfroheres junges Publikum als die gesetzteren Business-Limousinen. Das nutzt auch immer öfter die Möglichkeiten, ihr Auto zusätzlich über die Farbe zu individualisieren. Designer mögen das Spiel mit zwei Farben auch aus einem anderen Grund: Autos, die sonst eher banal aussehen, kaschieren das gekonnt durch ihre Zweifarbigkeit und wirken so deutlich frischer und auffälliger. Ein Trend, der bei den Kleinwagen bis zum Wiederverkauf durchhält: Der Werterhalt von zweifarbigen Modellen wie etwa dem Mini Cooper ist deutlich höher als der des einfarbigen Basismodells.

Dem Marketing kommt der Trend zur Zweifarbigkeit auch aus in einem weiteren Grund gerade recht: So lässt sich - wie bei Opel - ein eher verschnarchtes und konservatives Image aufpolieren. Gutjahr: "Bunte Farben geben Identität, je nach Farbton auch Individualität und damit Charakter - dem Auto und dem Fahrer." Beim Mini etwa haben seit je her rund 70 Prozent der Fahrzeuge ein Dach in Kontrastfarbe. Und auch beim Opel Adam werden mittlerweile zwei Drittel aller Neuwagen zweifarbig ausgeliefert. Am beliebtesten ist bei dem kleinen Rüsselsheimer die Kombination von Rot und Schwarz. Die Farbenmischer von BASF versuchen auch, hinter die tiefere Bedeutung der Farbentrends zu kommen. Das Grüntöne vor allem in Europa, aber auch in den USA und in Asien auf dem Vormarsch seien, habe auch damit zu tun, dass sie "in den kommenden Jahren ihr Öko-Image ablegen", sagt Gutjahr: "Es zeichnet sich ein Wertewandel ab." Grün symbolisiere "Einfachheit und Verantwortung, aber auch Harmonie und Balance". In den USA seien es vor allem gelbliche Töne wie "Lemon", die "den Optimismus in Nordamerika unterstreichen". In Asien werde der Trend zu mehr Farbenfreude vor allem von den jungen Menschen getragen, ergänzt seine Kollegin Chiharu Matsuhara vom Farbdesign-Center Asien-Pazifik: "In absehbarer Zeit erwarten wir deshalb, mehr frische und modische Farben zu sehen."

Wie kommt man als Farbdesigner zu solchen Erkenntnissen? "Wir sind permanent unterwegs," sagt Gutjahr: "Auf Möbel- und Textilmessen, beobachten die Kunstszene, aber auch was sich in der Architektur tut. Zudem analysieren wir die gesellschaftlichen Veränderungen und versuchen, ein Gespür für den Zeitgeist zu entwickeln. Wir machen also keine Trends, sondern übersetzen die Beobachtungen in konkrete Farbvorschläge - die dann Jahre später auf den Autos hoffentlich den richtigen Ton treffen." Einen definierten Weg in die Farblabors gibt es nicht. Gutjahr: "Designstudium, das Interesse für Autos und Farben sind natürlich eine gute Grundlage. Außerdem eine gute Intuition, schnelle Auffassungsgabe, ein sehr gutes Gespür für Farbe, deren Kombinationen und Proportionen - und ein langer Atem ist auch hilfreich", um einen der wenigen Jobs in der Branche zu ergattern. Entwicklungen in den Farbtonlabors geht es dann allerdings längst nicht mehr nur um die Farbe selbst. Zunehmende Bedeutung bekommt das Veredeln der Lacke etwa durch Effektpigmente, die für ein prägnantes Funkeln sorgen. Statt wie üblich 100 bis 300 Nanometer groß sind die Pigmente etwa im Alu-Beam-Lack von Mercedes-Benz auf 30 bis 50 Nanometer geschrumpft, um eine noch glattere und ebenmäßigere Oberfläche zu erreichen. Außerdem werden die Lacke immer "intelligenter". So mischen die Chemiker etwa an Lacken, die je nach Lichteinfall ihre Farbe von dunkel zu hell wechseln können. Selbstheilende Reflow-Lacke reparieren kleine Kratzer selbst. Lack, der in seiner Struktur der Haifischhaut nachempfunden ist, soll Autos windschlüpfriger machen.

Auch, wenn es beim Autokauf vielen vorgeblich vor allem um den Werterhalt ihres Autos geht: Farben sind mehr als simple Schutzlasuren. Das menschliche Auge kann fast zehn Millionen Farbnuancen unterscheiden. Und Farben wirken tief - nicht nur auf die Psyche. Der Anblick von Rot etwa steigert beim Menschen nachweislich den Blutdruck. Und im Tierreich steht Rot in der Regel für Dominanz. Die Wahl der Autofarbe sagt nach Meinung der Farbpsychologen also einiges aus über den Besitzer. Wer ein weißes Auto fährt, gilt als unauffällig und sensibel, als zurückhaltend, pflichtbewusst und immer im Einklang mit der Straßenverkehrsordnung. Schwarze Autos wirken schwer und solide, ihre Fahrer selbstbewusst und erfolgreich. Wer ein blaues Auto fährt, gilt als zuverlässig, vorausschauend, aber phantasielos. Dunkelgrün suggeriert Traditionsbewusstsein und Statusdenken, Gelb Optimismus, Individualismus und den Wunsch, aufzufallen. Rot-Fahrer lieben es demnach sportlich und impulsiv, sind kontaktfreudig und möchten ebenfalls auffallen. Ein rotes Auto wird schon alleine wegen der Farbe gewöhnlich als schneller eingestuft, als das gleiche Fahrzeug etwa in Blau.

Aber nicht nur über die Augen wirken Autofarben auf die Wahrnehmung: Das Ohr sieht mit. Wissenschaftler des CAR-Center Automotive an der Universität Duisburg-Essen haben in einem Experiment sieben bis hin zu Motor, Reifen und Ausstattungsvariante identische Ford Fiesta mit gleichem Tempo an Testpersonen vorbei fahren lassen. Einziger Unterschied der Autos: die Farbe. Der Wagen in Rot wurde als am lautesten bewertet - aber mit dem sportlichsten Klang. Als akustisch relativ unangenehm wurden die blauen und silbernen Fiesta empfunden. Träge und schwach kam den Testpersonen vor allem der Sound es silbernen Fahrzeuges vor. Über den Trend zu weißen Autos freuen sich immerhin die Unfallforscher. Gerade erst hat eine australische Studie bestätigt: Weiße oder gelbe Autos sind vor allem bei Tageslicht anteilmäßig um bis zu zwölf Prozent seltener in Unfälle verwickelt als Autos in Schwarz, Blau, Grau, Rot oder Silber. In der Abend- und Morgendämmerung kletterte die Zahl sogar auf 47 Prozent. Ausgewertet wurden rund 850.000 polizeiliche Unfallprotokolle aus 20 Jahren. "Der Grund dafür liegt nicht daran, wer am Lenkrad sitzt, sondern wie gut sichtbar das Auto ist," resümieren die Forscher. Eine frühere Studie hatte zudem ergeben, dass die Unfälle, in die dunkel lackierte Autos verwickelt waren, deutlich schwerer wogen.

Es sind allerdings wohl nicht nur Menschen, die auf ganz bestimmte Autofarben ansprechen. Glaubt man einer Studie der britischen Handelskette Halfords, dann haben auch Vögel so ihre Lieblingsfarben - und vermerken diese Vorlieben und vor allem Abneigungen zielgenau durch eine ätzende Signatur auf dem Lack. Der Studie zufolge trifft es vor allem rote Autos - sie wurden in 18 Prozent der Fälle von Spatz Co. markiert. Dunkelblaue Autos traf es in 14 Prozent, schwarze in elf Prozent. Am besten kamen weiße (sieben Prozent), graue oder silberne (drei Prozent) Wagen davon. Und die grünen Autos wurden nur in einem Prozent als Vogeltoilette missbraucht.

Quelle: Autoplenum, 2014-04-17

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