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Testbericht

16. Mai 2020
Als elektronische Stabilitätskontrolle für die menschlichen Gedanken erdachte irgendwer vor vielen Monden einmal die Konzentration. Blöd allerdings, dass nur wenige den Ein- und Ausschaltknopf finden. Bei den meisten triggern äußere Einflüsse Aktivität oder Inaktivität, ein Gefühl der Sicherheit, der Geborgenheit gar, so wie jetzt bei über 250 km/h im RS 6 Avant auf der Parabolika des F1-Kurses von Hockenheim. Das mildhybridisierte Vierliter-V8-Aggregat dreht im vierten Gang über 6.200/min, saugt bereits die Spitzkehre vom Horizont an.Du weißt inzwischen um die beeindruckende Verzögerungsleistung der Bremsanlage, die konstant Werte um 11,4 m/s² liefert, mit freundlicher Unterstützung der gewaltigen Bereifung, 285/30 R 22 rundum, Teufel noch eins. Die versammelte Tuning-Gilde der 1980er-Jahre würde angesichts dieser Dimension in kollektive Ohnmacht verfallen. Jedenfalls denkst du hinterm Lenkrad nicht darüber nach, wie du jetzt auf den Zentimeter genau die vertrackte Spitzkehre anbremst.In einem R8 hingegen dächtest du an nichts anderes, während sich der V10-Motor hinter dir schreiend entleiben würde. Das 600 PS starke Triebwerk basst mit angemessenem Zorn kolbenstampfend, während du erwägst, auf dem Heimweg noch beim Möbelhaus am nahen Autobahnkreuz hereinzuschauen. Die Tochter bräuchte einen Schreibtisch, die Einschulung droht. Maximal 1.680 Liter fasst der Laderaum, der kleinste in diesem Vergleich (BMW Alpina: 1.700 l; Mercedes: 1.820 l), doch meist ist er größer als der tägliche Bedarf.

Trost-Laster? Nein!
Dieser tägliche Bedarf bewegt sich ja meist zwischen den Extremen Rennstrecke und Möbelhaus, wenngleich jeder der drei Kombis alles abdecken können soll. Und dafür packt Audi den RS 6 ganz schön voll – nein, nicht den Laderaum, sondern den Rest.Den Motor ergänzt ein Riemenstartergenerator, der jedoch nicht boosten, sondern vor allem mit 8 kW rekuperieren soll, um das Triebwerk im Schiebebetrieb so oft wie möglich auszuknipsen (bis zu 40 Sekunden lang), Effizienz und so. Bei geringer Last dagegen schaltet es vier Zylinder (Nummer 2, 3, 4 und 8) ab. Boosten muss der V8 ganz alleine, dafür entwickelt er 800 Nm bei knapp über 2.000/min, die der Achtgang-Wandlerautomat so kanalisiert, dass die Wucht der Beschleunigung jederzeit höchst angemessen beeindruckt, die Dramatik der Optik allerdings nicht spiegelt. Kommt das Fahrwerk mit alldem klar? Kurz: ja. Lang: Der RS 6 nutzt erneut das DRC genannte Prinzip der diagonal über Ölleitungen miteinander verbundenen adaptiven Dämpfer (drei Kennlinien), Stahlfedern, das Sportdifferenzial (verteilt die Kraft zwischen den Hinterrädern) sowie eine Allradlenkung.

Noch alle Massen im Schrank
Mit einer Gewichtsverteilung von 55,2 zu 44,8 Prozent verharrt die vierte Generation des Kraft-Kombis auf dem mäßigen Niveau des Vorgängers, BMW Alpina und Mercedes-AMG belasten die Vorderachse etwas weniger. Jedenfalls toupiert die gesamte Technik den Fahrcharakter eines A6 Avant zu einer gewaltigen Agilitäts-Tolle auf. Vor allem auf der Landstraße rückt der Audi eng an seinen Fahrer heran, der eine Idee zu hoch auf den packenden Sportsitzen hockt.Ansonsten aber: hui! Selbst das mit dem Lenkgefühl bekommen sie bei Audi in den Griff, wenn sie wollen. Trotz progressiver Übersetzung gefällt der gleichmäßige Lenkkraftaufbau, dazu kommt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen engagiertem Anlenken und ausreichender Gelassenheit bei hohem Tempo. Das Fahrwerk spreizt den Avant unterdessen tapfer in die Kurven, stabilisiert, garantiert hohe Fahrsicherheit, erweckt hin und wieder den Eindruck eines lebendigen Hecks, denn bis zu 85 Prozent der Kraft können an die Hinterachse gelangen.In beste Messwerte lässt sich jedoch nichts davon übersetzen, weder in den Fahrdynamik-Disziplinen noch in der Längsbeschleunigung, wo dem RS 6 die höchste Masse von 2.172 Kilogramm aufs Temperament drückt. Noch nicht einmal beim Verbrauch, trotz Mildhybrid-System. Das zählt wenigstens zur Serienausstattung, alle anderen erwähnten Technik-Bausteine nicht, was den Preis des Audi noch über das, nun, selbstbewusste Niveau des Mercedes lupft. Jetzt aber, kurz nach der Spitzkehre in Hockenheim, ist die Konzentration wieder da, Rechtsknick, draufhalten, durch, ins Motordrom nicht auf der Bremse einlenken (sonst kommt er quer), leichtes Untersteuern hinnehmen, früh beschleunigen.Rein in die Box, der BMW Alpina B5 Biturbo Touring wartet. Schön, dass er dort wartet, müsste er ja nicht, schließlich versteht sich der B5 nicht als Ersatz für einen M5, dessen Touring-Variante BMW sich weiterhin verweigert. Doch noch bevor du die Ausfahrt der Boxengasse erreicht hast, zweifelst du an der Komfort-fokussierten Ausrichtung der Produkte des Kleinserienherstellers.Der rechte Fuß versucht verzweifelt, das 4,4-Liter-Triebwerk von der Sohle zu schütteln, so sehr klebt es daran, mehr als die anderen beiden. Alpina ändert Ansaug- und Abgasluftführung des BMW-V8, erhöht die Kühlleistung, installiert eine sogenannte Übersprechstelle zwischen den Ladeluftkühlern, um Druckpulsationen zu minimieren. Noch mehr?Klar, die ZF-Achtgangautomatik Typ 8HP76 erhält Feinschliff, arbeitet zudem unabhängig vom Fahrmodus mit identischer Strategie. Erst wenn der Fahrer den Wählhebel auf "S" rückt, verschieben sich die Schaltpunkte. So wie jetzt, deshalb auch volle Konzentration, das cerebrale ESP arbeitet, denn du erwartest weder die Unmittelbarkeit des Schubs noch dessen nach wie vor leichte Dosierbarkeit. Was für ein Motor! 608 PS! Der zieht dem störrischen Braunvieh der Alpina-Heimat Allgäu bestimmt die Farbe aus dem Fell, türmt bei 2.000/min einen Drehmoment-Berg von 800 Nm auf, dessen Gipfel-Plateau erst bei 5.000/min abfällt.

Wenn schon, renn schon
Der Klang? Präsenter, warmer Grundton mit leicht rauen Nuancen, charakterstark, nie aufdringlich – prächtig. Dabei muss das mit 1,4 bar aufgeladene Aggregat mit 2.085 Kilogramm einen vergleichsweise leichten Brocken schleppen, setzt das gleich in die beste Längsbeschleunigung um, zumindest bis 200 km/h. Darüber läge der rastlose Mercedes-AMG vorn, meine Güte, doch nur der BMW Alpina rennt ohne Begrenzer, bis 322 km/h. Was ihm ebenfalls prima gelingt: der doppelte Spurwechsel. Da bleibt er stabiler, fährt damit schneller als der aufgerüstete Audi, der sich hier mit dem Heck zu locker macht. Dort allerdings, wo ein bisschen mehr Lockerheit gut käme, wirkt der B5 zu verkrampft.Grundsätzlich müssen Karosseriebewegungen das Handling nicht unbedingt aufweichen. Lastpunktverschiebung, Sie wissen schon. Der B5 hadert hier mehr mit einer etwas zu ausgeprägten Rollneigung, die das kurvenäußere Vorderrad überfordert, womöglich schiebt in engen Kehren dann die Hinterachssperre (optional; Sperrgrad 25 Prozent bei Zug und Schub) eine Idee zu viel. Jedenfalls fehlt dem Touring so die unerhört selbstverständliche Quirligkeit der beiden anderen Koffer – ja, das sind sie nun mal, und das macht gerade den Reiz aus.Denn, mal ganz unter uns, der Alpina fährt ja nicht langsam. Selbst wenn du es auf der Rennstrecke fliegen lässt, müssen sich andere ziemlich strecken. Speziell in den weiteren Bögen kommt das markentypische Talent zur Geltung, ein Eigenlenkverhalten wie bei einem extrem gripstarken Hecktriebler – trotz Allradantrieb.

Lenksport-Aufgabe
Dabei wirkt das Lenkgefühl ein wenig milchig, da bietet selbst der RS 6 eine stichfestere Rückmeldung, der E 63 S sowieso. Haltekräfte und Lenkkraftaufbau der Integral-Aktivlenkung stimmen, sind fein balanciert, wirken homogen. Übrigens: Der maximale Lenkwinkel der Hinterräder beträgt beim B5 moderate 2,5 Grad, beim Audi das Doppelte (gegensinnig bei niedrigem Tempo). Seine leichten Defizite bei der Agilität will der Alpina über einen hohen Federungskomfort ausgeglichen wissen, was ihm mit seiner ausgewogenen, auf eine Räderdimension applizierten Abstimmung sehr gut gelingt.Die spezifischen adaptiven Dämpfer verfügen in ihren drei Kennlinien über die größte Spreizung, von denen die mittlere (Sport) am besten zum durchaus dynamischen Wesen des Touring passt. Sie reduziert Aufbaubewegungen auf langen Wellen spürbar, während kurze etwas verbindlicher durchkommen, aber in den tief montierten, dick aufgepolsterten BMW-Komfortsitzen verpuffen.Die zählen wegen der umfangreichen Einstellmöglichkeiten eigentlich zum besten derzeit erhältlichen Auto-Mobiliar, in diesem Umfeld mangelt es allerdings an Seitenhalt. Schwups, da schwingt die Fahrertür des Mercedes-AMG auf, du fällst hinab in den optionalen Schalensitz, der so überhaupt gar kein Problem mit Seitenhalt hat. Auch nicht mit der Sitztiefe, eher schon mit Polsterung. Egal. War da nicht eben ein leicht schmatzendes Geräusch, als ob dich der E aufsaugte, in sich laminierte?Aus dieser Perspektive vermutest du alles, beispielsweise dass hier gleich der DTM-Lauf auf dem Stadtkurs Singen oder dem Flugfeld in Diepholz stattfindet und an den hinteren Seitenfenstern der Namenszug "R. Asch" oder "Fritz K." (Kreuzpointner, der Nachname war zu lang für das Fenster seines Renn-Benz-190) pappt. Nicht aber, dass sich hinter dir eine Turnhalle auftut, in der sich mühelos ein Quader mit den Maßen 1.640 x 920 x 670 Millimeter versenken lässt.Und der E 63 S lässt dich diese Lasterhaftigkeit nicht spüren, tobt ungestüm los. Ein bisschen zu ungestüm vielleicht, denn dem B5 gelingt das mit identischer Intensität, aber ohne den kräftigen Schulterhieb. Zudem stolpert das Neungang-Automatikgetriebe mit nasser Anfahrkupplung gerade beim Anfahren immer mal wieder unbeholfen durch die Zahnradpaarungen.Sonst stolpert nichts beim 612 PS starken T, der mit seiner Rennwagenhaftigkeit Konzentration fordert, mit seiner latenten Härte, seiner Borstigkeit, die weit über das mit Rauleder bezogene Lenkrad hinausgeht. Dazu trägt die im Vergleich zur Basis umgekrempelte Hinterachse (neue Achs- und Radträger, spezieller Stabi sowie Differenzial-Anbindung) ebenso bei wie die gesamte Fahrwerksabstimmung inklusive des speziellen Allradantriebs. Als Einziger hier wird der Mercedes-AMG nur über die Vorderräder gelenkt, woraus sich jedoch kein wirklicher Nachteil bei Highspeed-Stabilität und Agilität ableiten lässt.Keine Lenkung löst die Fahrbahn so hoch in die Handflächen auf wie die des E, keine ist so perfekt auf das optimale Handmoment geeicht. Die Folge aus dem Fahrwerks-Remix: So leuchtend dynamisch, wie sich Mister T durch Kurven und sogar über die Rennstrecke scheuchen lässt, schabt keine schwäbische Hausfrau Spätzle vom Brett ins kochende Wasser – und die können das mit irrem Tempo.Klar, die Grundauslegung ermöglicht es praktisch immer, das Heck von der Leine zu lassen, doch die Vorderräder beißen stets. Lernst du, den mit 1,5 bar aufgeladenen Vierliter-V8-Motor mit Zylinderabschaltung zu dosieren, hältst du die Fuhre lässig auf Linie. Egal ob auf der Landstraße oder einer Rennstrecke – die Gaudi-Kapelle spielt überall mit gleichem Tschingderassabum. Da rückt Hockenheim nach Feierabend schon mal an die Hänge des Remstals.

Querwertsteuer
Okay, der Klang des V8 mit Twin- Scroll-Ladern und Partikelfilter erreicht nicht mehr die Schnodderigkeit früherer Tage, bewahrt sich aber leidenschaftlichen Vulkanismus, ohne dass die Nachbarn einem nach dem morgendlichen Kaltstart mit Mistgabeln bewaffnet hinterherrennen. Wirklich folgen könnten sie selbst per Auto nicht, ganz gleich, mit welchem. Es sei denn, du gibst dich vollends dem Spieltrieb hin, hast noch in der Garageneinfahrt in komplexer Zeremonie den Drift-Modus aktiviert.Dann rauscht das maximale Drehmoment von 850 Nm nur noch an die Hinterachse, doch dank heftigem Maximal-Lenkwinkel ergeben sich ebenso heftige Driftwinkel, mit denen sich das Heck in Richtung Panama verabschiedet. Das geht bei allen Reibwerten, seien sie noch so hoch. Braucht kein Mensch, fügt sich aber ins Eigenschafts-Puzzle des E 63 S bestens ein. Er leistet sich den aufreibendsten Charakter, liefert Handling-Bestwerte bei maximalem Fahrspaß.In ähnlicher Konsequenz gelingt das auch dem BMW Alpina, nur mit einem anderen Fokus. Beim Audi hingegen gerät das Verhältnis aus Aufwand, Ergebnis und Kosten aus dem Gleichgewicht, der Ansatz indes stimmt. Vielleicht kommt ja irgendwann eine zugespitzte Plus-Variante? Wäre ja nicht das erste Mal. Wie singen der im wahren Wortsinn große Frank Spilker und seine Sterne noch gleich? Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten – die interessanten.

Quelle: auto-motor-und-sport, 2020-05-16

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