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Testbericht

Susanne Kilimann, 17. Dezember 2012
1972 eröffnete Deutschlands erste Selbstbedienungs-Tankstelle. Dass Konzept, das den Tankwart überflüssig machte, stieß zunächst auf Skepsis. Doch die günstigeren Spritpreise an der SB-Tanke verhalfen dem Geschäftsmodell dann doch schnell zum Erfolg.

Würden Deutschlands Autofahrer, würden Schlips- und Anzugträger oder Damen mit Kostüm und sorgsam manikürten Fingernägeln, das neue Konzept akzeptieren? Hätten Tankstellen ohne Tankwart hierzulande überhaupt eine Chance? Anfang der 1970er Jahre war man sich da nicht so sicher. Im Gegenteil: Die Skepsis war groß. Gerd Deisenhofer, damals Geschäftsführer beim Kemptener Energiehändler Präg, hat das Geschäftsmodell nach Deutschland gebracht. Bevor die erste bundesdeutsche Selbstbedienungstankstelle an den Start gehen konnte, mußte er allerdings eine Menge Überredungskunst und Beharrlichkeit aufbieten, um Geschäftspartner und Vertriebschef von der Idee zu überzeugen.

Deisenhofer hatte von dem neuen Tankkonzept erstmals im Oktober 1971, auf einer Energie-Konferenz in London, erfahren. Ein schwedischer Hersteller präsentierte die neue Idee, mit der die Fahrzeuge im weitläufigen Norden seit einiger Zeit mit Kraftstoff versorgt wurden. Die Vorteile waren evident: Es brauchte kein Personal, damit ein schwedischer Landwirt sein Fahrzeug betanken konnte. Das Selbstbedienungskonzept ersparte ihm den Weg in die nächste, oft viele Kilometer entfernte Stadt, wo es Kraftstoffstationen und Tankwarte gab. Für die Landbevölkerung hatte man einzelne Zapfsäulen in dünn besiedelten Regionen aufgestellt. Hier griff der Kunde selbst zum Stutzen, bezahlte via Kundenkarte. Der Mann aus dem Allgäu war begeistert. Er sah in dem Konzept die Möglichkeit, den Benzinpreis durch eingesparte Personalkosten zu senken - und zugleich den Absatz für sein Unternehmen zu erhöhen. Kurzerhand flog er nach Schweden, um sich vor Ort von der einfachen Bedienung der Benzinzapfsäulen zu überzeugen.

Zurück in Deutschland machte der damals 31-jährige Geschäftsführer seinem skeptischen Vertriebschef die Sache schmackhaft, indem er nicht irgendeine Tanke als Teststation ins Auge fasste - sondern die an der B17 in Lagerlechfeld bei Augsburg, ganz in der Nähe eines Luftwaffenstützpunktes der Bundeswehr, die viele der damals rund 5.000 Soldaten regelmäßig ansteuerten. Erich Werner, der dortige Tankstelleneigentümer, winkte zunächst ab. Er fürchtete, dass die Kunden zur Konkurrenz wechseln würden, wenn sie plötzlich selbst den Zapfhahn bedienen sollten. Deisenhofer aber ließ nicht locker. Zum einen glaubte er, dass Soldaten durchaus bereit wären, an der Kraftstoffsäule Hand anzulegen. Zum anderen hoffte er, dass ein um drei Pfennige günstigerer Preis schnell auch Zivilisten animieren würde, sich im Selbsttanken zu versuchen. Dem Tankstelleneigentümer versprach Deisenhofer: \"Wenn es mit SB nicht klappt, stellen wir wieder auf Service um.\"

Werner stimmte zu. Doch bevor man loslegen konnte, musste die Tankstelle für den Selbstbedienungsbetrieb umgerüstet werden. Die neuen Zapfsäulen ließ man aus Schweden anliefern. Rote Acrylblenden für das Dach wurden bei einem italienischen Hersteller gekauft, denn auch beleuchtete Dachwerbung gab es bis dato in Deutschland nicht. Das Konzept ging auf. Im ersten Monat verkaufte Erich Werner an seiner Texaco-Tanke 150.000 Liter Kraftstoff. Im zweiten Monat waren es schon 200.000 Liter. Üblich war bis dato ein Absatz von maximal 300.000 Liter - pro Jahr allerdings.

Zwei Jahre später hatte Energiehändler Präg sechs seiner 180 Anlagen komplett auf das SB-System umgestellt. Sein findiger Geschäftsführer hielt die Zeit reif für eine weitere Neuerung. Deisenhofer ließ in den Tankstellen Shops einrichten, in denen Süßwaren und Getränke verkauft wurden. \"Mich haben damals viele für verrückt erklärt. Niemand konnte sich vorstellen, dass man mit Schokolade und Kaffee an einer Tankstelle Geld verdienen kann. Schnell aber stellte sich heraus: Das Shopsystem war eine Marketing-Revolution. Ob in die neue Zapftechnik oder in die Ausstattung von Dächern und Shops: Wir haben sehr viel investiert. Gleichzeitig aber haben wir unseren Absatz innerhalb von zehn Jahren verzehnfacht\", erinnert sich der heute 71jährige.

Nach und nach stellten auch die Wettbewerber auf SB-Zapfsäulen und Shop-Konzepte um. Mitte der 1980er Jahre gab es in der Bundesrepublik praktisch gar keine Bedienungstankstellen mehr. Die Umsätze wurden vervielfacht - auch weil sich immer mehr Deutsche ein Fahrzeug leisten konnten. Mit dem Siegeszug der SB-Tanken begann aber auch das Tankstellensterben. Das Tankstellennetz wurde in den vergangenen Jahrzehnten radikal ausgedünnt. Waren auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik 1968 rund 46.200 Tankstellen in Betrieb, waren es 1988, ein Jahr vor dem Mauerfall, noch 19.200. Heute gibt es noch etwa 14.300 Tankstellen - in ganz Deutschland. Vor ein paar Jahren erlebte aber auch der gute alte Tankwart eine Renaissance. Als erster Anbieter startete Shell 2006 eine Service-Offensive -e empfiehlt sich der Kundschaft seither wieder mit Tankstellen, an denen Fahrer und Auto umsorgt werden, wie es vor dem Siegeszug der anonymen Abfüllstation selbstverständlich war. Derzeit bieten rund 1000 von etwa 2200 Shell-Tankstellen in Deutschland einen Tankwartservice an - Tendenz steigend.

Quelle: Autoplenum, 2012-12-17

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