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Testbericht

Marcel Sommer, 2. April 2014
Der McLaren 650S Spider zeigt, dass ein Supersportwagen nicht zwangsläufig einen gesunden Rücken voraussetzt. Trotz alltagstauglichem Federungskomfort ist er auf der Rennstrecke zu Hause.

Ingenieure eines Supersportwagens stehen oft vor einem Problem: Ist er zu sportlich, sprich zu hart gefedert, kaufen ihn nur ambitionierte Rennfahrer. Ist er zu sanft gefedert, fallen genau diese Kunden aus dem Raster. Was tun? Die Lösung in Form der automobilen eierlegenden Wollmilchsau in puncto Komfort haben nun die Ingenieure aus dem Hause McLaren mit dem 650S und der Cabrioversion, dem 650S Spider aus dem Köcher gezaubert. Der ab sofort stärkste noch erhältliche McLaren - der auf 375 Einheiten limitierte P1 ist nach sechs Monaten bereits ausverkauft - raubt bereits nach wenigen Augenblicken den Atem. Die Türen gleiten im Lamborghini-Stil nach vorn-oben weg und geben den Blick ins edle und gut verarbeitete Innere preis. Das Einsteigen kann zum akrobatischen Akt werden, wurden für 6.030 Euro die beiden eng anliegenden Rennschalensitze geordert. Der Modell-Name 650S lässt indes vermuten, dass er in irgendeiner Weise etwas mit der Leistung des Briten gemein hat - und dem ist natürlich auch so. 650 PS holt der ab 255.000 Euro teure McLaren 650S Spider aus seinem 3,8 Liter großen V8-Doppelturbo-Mittelmotor heraus.

Beim Blick auf das mit Carbonteilen verzierte Alcantara-Lenkrad lachen einen die beiden Schaltpedale an. Wilde 678 Newtonmeter werden mit ihnen oder automatisch innerhalb des Sieben-Gang-Getriebes ausschließlich an die 30,5 Zentimeter breiten und 20 Zoll großen Hinterräder geleitet. Eine Kombination, die normalerweise nach einem sensiblen Gasfuß schreien müsste. Doch wird mit dem in der Mittelkonsole installierten Drehknopf nicht nur die Federung, sondern zeitgleich der Wirkungsgrad der Traktionskontrolle in drei Stufen geregelt. Und die erfüllt ihren Job mit Bravour. Ganz zu deaktivieren ist sie jedoch nicht, so dass sie auch im Rennstreckentrimm vom Fahrer nahezu unbemerkt das eine oder andere Mal als Schutzengel fungiert. Gegen ein zu spätes Abbremsen hilft dann aber auch selbst die Kombination aus Keramik-Bremsanlage und Schutzengel nicht mehr. Einen letzten, sehr flachen und auf Wunsch aus Carbon erhältlichen Rettungsanker hat der McLaren 650S Spider aber noch zur Hand, den Heckspoiler, beziehungsweise die Airbrake. Sie stellt sich beim starken Abbremsen auf und sorgt somit für eine noch bessere Verzögerung.

Dass die Ingenieursbüros der Automobil- und der Formel1-Abteilung bei McLaren mit knapp zehn Metern nicht nur räumlich, sondern auch technisch sehr nah zusammenarbeiten, zeigt sich an einer weiteren Funktion des Heckspoilers. Beim starken Beschleunigen fährt er, ähnlich dem DRS aus der Formel 1, von selbst wieder ein, um den Luftwiderstand zu vermindern. Ein weiteres Detail aus der Königsklasse des Motorsports, das dort noch vor seiner Einführung wieder verboten wurde, ist das Brake Steer, bei dem das kurveninnere Hinterrad bei hohen Kurvengeschwindigkeiten abgebremst wird, um das Untersteuer des Fahrzeugs zu verhindern. Zusammen mit der sehr präzisen Lenkung, dem perfekt arbeitenden Getriebe und der brachialen Leistung, die deutlich wahrnehmbar aus dem Heck posaunt wird, steht einem Ausflug mit der Garantie zum Dauergrinsen nichts mehr im Wege. Wer sich noch 15 Sekunden Zeit nimmt kann per Knopfdruck und bis Tempo 30 das Hardtopdach einfahren. Damit auch bei schlechtem Wetter und bei geschlossenem Dach der brutale Motorenklang ungefiltert ins Innere eindringen kann, lässt sich ebenfalls durch Knopfdruck das gläserne Windschott herunterfahren.

Ab einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde, die innerhalb von 3,0 Sekunden auf dem digitalen Tacho erscheint, bricht im offenen Innenraum ein Orkan los. Das schlichte Hochfahren der Seitenscheiben hilft - jedoch wird es ab Tempo 200, das nach weiteren 5,6 Sekunden anliegt auch dann etwas windiger ums Haupthaar. Nach insgesamt 26,5 Sekunden, wenn im Display die magische 300 aufleuchtet, ist auch die perfekteste Frisur hinüber. Die Höchstgeschwindigkeit von 329 Kilometern pro Stunde ist daher nur Freunden von Kurzhaarfrisuren zu empfehlen - oder Fahrern, die auf fluchende Frauen auf dem Beifahrersitz stehen. Ein Gutes hat der Interieur-Orkan: Zu hören ist nur der Wind.

Ganz anders sieht es da bei der gemütlichen Landstraßen-Ausfahrt aus, die auch über Wege führen darf, die die besseren Tage lange hinter sich haben. Unebenheiten bügelt der McLaren 650S Spider auf Wunsch überraschend gut weg, so dass beim straßenverkehrskonformen Cruisen der schlafende PS-Teufel im Heck schnell in Vergessenheit gerät. Wie schnell dieser sich in die Wahrnehmung zurückholen lässt, wird beim manuellen Gangwechsel vor einem Überholmanöver klar. Allein das Herunterschalten vom siebten in den zweiten Gang warnt den Vorausfahrenden ausreichend vor. Dann heißt es Blinker setzen und Vollgas. Einen Wimpernschlag später zeigt der Tacho 150 Sachen an und der Trecker ist im Rückspiegel verschwunden. Soviel zum Thema straßenverkehrskonformes Cruisen… Da das Blinken weder im Cockpit angezeigt, noch ab Tempo 60 zu hören ist, lohnt es sich stets einen Kontrollblick auf den linken Lenkstockhebel zu werfen. Denn niemand, der einen mit allen Extras rund 330.000 Euro teuren Supersportwagen fährt, möchte wie ein dauerblinkender Vespafahrer belächelt werden.

Alles andere als belächelt und in Deutschland oft mit neidvollen Blicken bestraft wird der Besitzer eines 4,51 Meter langen, 2,09 Meter breiten und 1,20 Meter flachen McLaren 650S Spider, wenn er sich in der Öffentlichkeit blicken lässt. Und sei es nur an der Tankstelle, an der nach defensiv gefahrenen 100 Kilometern 11,7 Liter Super nachgefüllt werden müssen. Gleichzeitig kann der vorn liegende Kofferraum mit einem Kasten Wasser bestückt werden.

Mit Absprache der örtlichen Machthaber, sprich dem Tankstellenbesitzer oder im besten Falle eines ebenfalls gegenwärtigen Polizisten, kann dem kurzen visuellen Sahnestückchen noch die Kirsche verpasst werden. Das Zauberwort lautet Launch-Control. Was für den Fahrer ein einfacher Knopfdruck und die Koordinierung seiner beiden Füße ist, kommt für die Umherstehenden einem unvergesslichen Glücksmoment gleich. Die Bremsleuchten glühen auf, es brodelt aus dem kantigen McLaren-Heck und alles im 1.370 Kilogramm schweren Briten scheint sich anzuspannen. Mit dem Erlöschen der Bremslichter macht er einen Satz vorwärts, der so mancher Raubkatze die Schamesröte ins Gesicht zimmern würde. Dieses sprunghafte Nachvornpreschen ist natürlich auch für die beiden Insassen spürbar. Doch bei diesem einen kurzen Aha-Moment bleibt es im Verlauf einer langen Beschleunigungsfahrt nicht. Er hat sogar eigenen Namen: Inertia Push. Bei jedem Schaltvorgang wird aufgebaute kinetische Energie für einen Drehmomentimpuls genutzt, der wiederum zu diesem imaginären Satz führt. Wer sich im neuen McLaren 650S Spider einmal unter Volllast durch die ganze Klaviatur des Getriebes gewagt hat, weiß, dass Ferrari und Co. nichts mehr zu lachen haben.

Quelle: Autoplenum, 2014-04-02

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