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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 19. Juni 2014
Nach außen gibt sich die DTM gerne als ehrliche Rennserie mit Glamourfaktor. Doch hinter den Kulissen gärt es gewaltig. Viele der Probleme sind hausgemacht. Mit Mercedes-Benz entwickelt sich ausgerechnet eine der tragenden Säulen zum Sorgenkind.

Das Comeback war groß angekündigt. Nach 26 Jahren kehrte die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft (DTM) wieder an den Hungaroring zurück. Auf den ersten Blick war auf die Welt in Ordnung: Die Grid-Girls lächelten tapfer in alle Handy-Kameras, die sich ihnen entgegenreckten und mit Leslie Mandoki tummelte sich ein Prominenter in der Startaufstellung, der dem Tourenwagen-Spektakel wenigstens ein bisschen Lokalkolorit verlieh. Aber die unübersehbaren Lücken auf den Tribünen konnte auch der gebürtige Budapester mit seiner guten Laune nicht kaschieren. Nur rund 33.000 Fans fanden den Weg an die Rennstrecke. Das ist ein übler Schlag ins Kontor für die DTM, die sich im Kampf um immer schmalere Sponsoren-Budgets versucht, als internationale Rennserie zu etablieren.

Vor allem Mercedes-Benz pocht auf ein Rennen im chinesischen Guangzhou. Schließlich geht es für die Schwaben darum, mit dem Rennsport Verkäufe zu generieren. "Win on Sunday, sell on Monday" (dt: "Gewinne am Sonntag, verkaufe am Montag"), so die Devise. Doch mit dem Gewinnen ist es in der DTM für die Schwaben so eine Sache. Bis auf dem Überraschungssieg von Christian Vietoris in Oschersleben, als Mercedes aus purer Verzweiflung auf eine andere Reifenstrategie als der Rest des Feldes setzte, zuckeln die Sterne dem Feld hinterher. Jetzt gibt es sogar eine "Lex Mercedes". Während BMW und Audi ihre Autos nicht mehr weiterentwickeln dürfen, dürfen die Sternen-Boliden bis zum 28. September diesen Jahres verbessert werden. Darauf hat sich die ITR-Kommission in der auch die Sportchefs der Konkurrenten vertreten sind, unlängst geeinigt. Wolfgang Ulrich (Audi) und Jens Marquardt (BMW)) stimmten zähneknirschend zu. "Hinter den Kulissen der DTM herrscht Neid und Missgunst", sagt ein Insider.

BMW und Audi wissen: Ohne Mercedes-Benz ist die Rennserie nur die Hälfte wert. Außerdem belebt Konkurrenz das Geschäft. Doch die Schwaben tanzen auf zwei Hochzeiten. Die Glamour-Braut Formel 1 ist den Chefs näher als die gute alte DTM. Das schlägt sich auch in den Budgets für die Entwicklungen nieder. Seit dem ersten Rennen fahren die Sternen-Flitzer hinterher. Im Brennpunkt der Kritik stand HWA, die für Mercedes-Benz die DTM-Autos baut und die Einsätze koordiniert. Das erste Opfer dieser Misere war der langjährige HWA-Vorstand Gerhard Unger, der Anfang Mai seinen Hut nehmen musste.

Mit dem verstärkten Engagement in der Formel 1 geriet die DTM bei Mercedes-Benz zunehmend auf das Abstellgleis. In den letzten beiden Jahren ergatterten die Schwaben in der Herstellerwertung die unrühmliche "Rote Laterne". Vor vier Jahren, in der Saison 2010, holte Paul di Resta im Jahr zuletzt die Fahrermeisterschaft. Die Entlassung des DTM-Veteranen Unger bekommt vor diesem Hintergrund den Anstrich eines panischen Bauernopfers. Neben den glanzvollen Siegen in der Formel 1 fristet die DTM bei Mercedes ein Schattendasein und Motorsportchef Toto Wolf lässt sich immer seltener bei den Tourenwagen sehen.

Bei Mercedes-Benz hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Dem Vernehmen nach bemühen sich die Schwaben verstärkt um findige Ingenieure. Ein Ausstieg aus der Rennserie scheint also vorerst vom Tisch zu sein. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mercedes-Benz sich so aus der DTM verabschiedet", sagt der ehemalige Tourenwagen-Meister und AVD-Vizepräsident Motorsport Volker Strycek. Das liegt vor allem an der Person des ITR-Chefs Hans-Werner Aufrecht, dem Gründer von AMG und der HWA GmbH. Die ITR (Verband Internationale Tourenwagen-Rennen) ist der Dachverband und Rechteinhaber unter dessen Schirmherrschaft die DTM und die Europäische Formel 3 stattfinden. "Alle in der DTM involvierten Hersteller sind sich einig, dass ihr Engagement in der DTM nur längerfristig ausgelegt sein kann", leistet Jens Marquardt einen Treueschwur.

In den ersten Rennen war die Zahl der Fans, die an die Strecke pilgerten, rückläufig. Dabei sind die DTM-Läufe spannend. Bei der Rückkehr an den Hungaroring lieferten sich die Piloten engagierte Rad-an-Rad-Kämpfe und ein begeisterndes Rennen mit reichlich "Feindkontakt". Um den Fans die Rennen schmackhaft zu machen, wurde das Reglement vereinfacht. Jetzt ist nur noch ein Boxenstopp statt bisher zwei vorgeschrieben. Damit es zu mir spannenden Überholmanövern kommt, können, dürfen Fahrer, die nah genug am Vordermann dran sind, jetzt bis zum Schluss des Rennens den Heckflügel flach stellen. Allerdings ist das nur in einer bestimmen Zone der Strecke erlaubt.

An dem grundsätzlichen Problem der DTM können solche kosmetischen Korrekturen indes nur wenig ändern. Die Boliden, die um die Ecken heizen, haben mit Serienautos nur noch die Silhouette gemein. Unter den vermeidlichen Audi RS5, BMW M4 oder Mercedes-Benz AMG C-Coupé steckt Hightech im Wert von über einer Million Euro. Das war zur Hochzeit der DTM Ende in den 80er und Anfang der 90er Jahren noch anders. Da kämpften Heroen wie Hans-Joachim Stuck, Walter Röhl und andere bekannte Rennsportgrößen in seriennahen Autos um Punkte. Neben Audi, Ford, BMW, Mercedes-Benz nahmen auch unzählige Privatteams teil. Die Szene war definitiv hemdsärmliger, aber volksnäher und damit für die Fans greifbarer. Das sieht auch Volker Strycek, einer der Protagonisten dieser Zeit, so: "Im Moment herrscht in der DTM eine sehr hohe Anonymität. Die DTM muss wieder näher an die Zuschauer rücken. Da müssen die Hersteller über den eigenen Schatten springen." Auch die TV-Verantwortlichen des DTM-Senders ARD sind mit der Renn-Show nicht rundherum zufrieden. "Der Saison-Auftakt in Hockenheim war hinsichtlich der Quoten sicherlich nicht zufriedenstellend. Bei den folgenden Rennen blieben sie in etwa gleich zum Vorjahr", sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Seit diesem Jahr ist der ehemalige Mercedes-Rennchef Norbert Haug als Experte dabei und ersetzt den ehemaligen DTM-Piloten Manuel Reuter. Das kam bei den Fans nicht besonders gut an. Zumal jetzt Philipp Sohmer die Rennen alleine ohne die Expertise Reuters kommentiert. Das Erste versucht die Übertragungen mit Frauen-Power aufzumöbeln: Valeska Homburg und Julia Scharf sollen als Interviewerinnen vor Ort mitmischen.

Es gibt erste ErfolgsmeIdungen. Neben ARD, n-tv, Sport 1 haben auch der US-amerikanische Sender "CBS Sports" und der britische Pay-TV-Kanal "BT Sport" die Rennserie ins Programm aufgenommen. Weltweit ist die Rennserie in über 200 Ländern zu sehen. Ein Wert, der sich sehen lassen kann. Doch der Brot-und-Butter-TV-Partner ist und bleibt die ARD. Im Ersten bleiben die Einschaltquoten in der ARD konstant. Doch der Druck der Fernseh-Anstalt ist spürbar. Zu Beginn der Saison gab es neue Regeln. Das Qualifying wurde gestrafft und dauert jetzt nur noch 50 statt bisher 70 Minuten. Statt vier Abschnitte gibt es jetzt nur noch drei. "Wir mussten das Qualifying ein bisschen kürzen, weil uns 2014 nicht mehr ganz so viel Fernsehzeit zur Verfügung steht", erklärt ITR-Chef Hans-Werner Aufrecht. Das würde sich mit einem Einstieg des DTM-Veteranen Opel vermutlich wieder ändern. Doch darauf müssen die Fans eine Weile warten. "Die DTM ist für jeden Hersteller interessant, da sie ein Technologieträger und wichtig für die Serienentwicklung ist. Doch derzeit ist für uns bei Opel ein Einstieg kein Thema", erklärt Opel-Motorsportchef Volker Strycek mit leicht bedauerndem Unterton.

Quelle: Autoplenum, 2014-06-19

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