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Testbericht

Stefan Grundhoff, 29. September 2017
Nach dem Ausstieg von Mercedes aus dem Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) steht die einst so beliebte Rennserie vor dem Aus. Die meisten Rettungsversuche klingen wie ein Pfeifen im Wald.

Wenn die DTM in knapp zwei Wochen ihren Saisonabschluss auf dem Hockenheimring zelebriert, wird beim Zieldurchlauf wieder das Stafetten-Feuerwerk gezündet, der Sieger reckt seine Fäuste in die Höhe und der Meisterschaftsgewinner wird zusammen mit seinem Team eine grandiose Saison bejubeln. Hinter den Kulissen sieht es ganz anders, denn die Saison 2017 war keinesfalls eine wie jede andere. Auch wenn die Teamverantwortlichen nach außen hin Einigkeit zelebrieren, DTM-Chef Gerhard Berger sich nach Leibeskräften bemüht, die Zukunft in eines hoffnungsvolles Licht zu tauchen und einige Rennen nennenswerte Zuschauerzahlen hatten: es sieht nicht gut aus für die einstige Vorzeigeserie des Tourenwagensports, die einst sogar einen nennenswerten Serienbezug hatte. Heute haben die DTM-Versionen von BMW M4, Audi RS5 oder Mercedes AMG C63 mit den entsprechenden Serienmodellen nichts bis auf den Namen gemein.

Der Ausstieg von Mercedes schmerzt und deutete sich ohnehin bereits lange an. Problem: hinter den Kulissen ist es kein Geheimnis, dass auch die anderen beiden Marken Audi und BMW gerne ausgestiegen wären. Sie hielten beim jahrelangen DTM-Mikado einfach länger still, während Daimler zumindest spät den Mut hatte, auszusteigen und sich zu Formel 1 und Formel E zu bekennen. Daimler-Motorsportchef Toto Wolff: "Die Jahre in der DTM werden immer ein großer Teil unserer Motorsport-Geschichte bleiben." Stattdessen geht es für Mercedes ab der Saison 2019 / 2020 in die Formel E. "Mit dem Ausstieg aus der DTM geht für uns eine langjährige Motorsport-Ära zu Ende. Wir blicken mit Stolz auf das Engagement unserer Teams, Fahrer, Partner und den zahlreichen Helfern hinter den Kulissen zurück, die die DTM oft genug zu einer faszinierenden Plattform für unsere Kunden und Markenfans gemacht haben", sagt Dr. Jens Thiemer, Vice President Mercedes-Marketing, "nun ist es an der Zeit, neue Wege zu gehen."

Es ist schon viele Jahre her, dass die DTM als Deutsche Tourenwagen Meisterschaft eine Rennserie von internationalem Ruf war. Einst witzelten die hiesigen Piloten über die Silhouette Cars in Amerika - Autos wie in der NASCAR, die mit dem Serienmodell nicht mehr gemein hatten, als eben die Silhouette. Ein Gitterrohrrahmen mit bärenstarkem Motor und einer Linienführung, die zumindest entfernt an Chevrolet Impala oder Toyota Camry erinnerte. Bei der DTM war das einmal ganz anders. Da kämpften Motorsportheroen wie Hans-Joachim Stuck, Walter Röhl, Frank Biela, Johnny Cecotto, Klaus Ludwig, Roland Asch und andere bekannte Lenkradgrößen in seriennahen Autos wie Audi 80 / A4, BMW M3, Alfa 155 oder Mercedes 190 E um Sieg, Platz und Punkte. Neben Audi, Alfa Romeo, Opel, Ford, BMW, Mercedes-Benz nahmen an der Serie auch unzählige Privatteams teil und machten das Feld so bunter denn je. Die Szene war definitiv hemdsärmliger, aber auch durch Rennen auf ungewöhnlichen Kursen wie Diepholz (Flugplatz) oder Avus (Innenstadt Berlin) volksnäher und damit für die Fans greifbarer als heute. Das sah auch Volker Strycek, einer der Protagonisten dieser Zeit bereits vor Jahren: "In der DTM herrscht eine sehr hohe Anonymität. Die DTM muss wieder näher an die Zuschauer rücken. Da müssen die Hersteller über den eigenen Schatten springen."

Doch die Hersteller sprangen nicht über ihren eigenen Schatten, sondern gleich ab. Hauptgrund waren explodierende Kosten, die die Rennserie trotz ihrer allein nationalen Bedeutung immer teurer werden ließen. Auch wenn aktuell vier der insgesamt neun Doppelrennen im Ausland (Russland, Österreich, Ungarn, Niederlande) stattfinden, interessiert die DTM an sich nur in Deutschland - und hier immer weniger. Drei Hersteller machten das Ganze in den vergangenen Jahren langweiliger denn je. Auf der einen Seite wurde versucht, neue Hersteller oder eben Rückkehrer in die Rennserie zu locken. Volkswagen wollte nicht gegen Audi aus dem eigenen Konzern antreten, Opel fehlte ebenso wie PSA das Geld, Jaguar die Initiative und selbst der Toyota-Konzern konnte sich nicht durchringen, seine in Europa so erfolglose Premiummarke Lexus in der DTM starten zu lassen.

Mit dem Ausstieg von Mercedes nach der kommenden Rennsaison 2018 wird alles nur noch schlimmer. Mit den beiden Herstellern BMW und Audi wird das Ganze Ereignis noch langweiliger, als es für viele Fans ohnehin schon ist. Da bringt auch wenig, dass beim Saisonabschlussrennen in Hockenheim dieses Jahr ein paar schnelle Runden mit asiatischen Boliden vom Typ Nissan GT-R und Lexus LC 500 aus der japanischen Super-GT-Rennserie gezeigt werden sollen. Im Gegenzug sollen Autos aus der DTM zum japanischen Saisonfinale Mitte November nach Motegi reisen. Bleibt abzuwarten, ob aus diesem Intermezzo auf dem Hockenheimring abzulesen ist, dass neue Hersteller das verbliebene Premiumpärchen aus Audi und BMW ergänzen oder das Deutsche Tourenwagen Masters weiter verkümmert. Problem: ein neuer Hersteller allein dürfte kaum das Interesse der Zuschauer wecken. Zwei oder drei neue Marken müssten es schon sein - mit entsprechend interessanten Produkten und einer Identifikation beim DTM-Fan.

Die Kosteneffizienz scheint bei den Planungen über allem zu stehen, denn die emotionalen V8-Triebwerke, mit denen die DTM seit Anfang der 2000er-Jahre unterwegs ist, werden begraben. Sie jedoch von aufgeladenen Vierzylindern zu ersetzen erscheint etwas zu wenig des guten. Selbst untergeordnete Rennserien die WTCC oder TCR litten und leiden darunter, dass Zylinderzahl und Hubraum begrenzt und vorgeschrieben wurden. So wird zum Beispiel ein Audi RS3 nicht von seinem charakterstarken Fünfzylinderturbo angetrieben und muss aus wettbewerbsgründen auch auf seinen Allradantrieb verzichten. Wenn 2019 eine neue DTM aufgesetzt wird, dann soll auch hier ein kostengünstiger Vierzylinder-Turbo kommen. Trotz zwei Litern Hubraum soll er es Dank Aufladung auf bis zu 600 PS bringen. Mittelfristig sollen die Triebwerke auch eine Teilelektrifizierung wie einen Hybridantrieb bekommen.

Es scheint zweifelhaft, ob das die DTM retten kann, denn ohne eine ausreichende Zahl an Herstellern scheint der Tod besiegelt - egal, mit welchem Motor die Rennwagen antreten. Als die DTM in den späten 80ern und frühen 90er Jahren noch spannend war, ging es weniger um die Gleichmachung von Motoren, sondern eben die Unterschiede der Marken und Modelle untereinander. Die einen hatten Vorderradantrieb, während andere über die Hinterachse angetrieben wurden oder gar Allradantrieb hatten, der nicht nur auf nasser Strecken mächtige Vorteile mit sich brachte. Den Fans gefiel, dass sich Konkurrenten wie Keke Rosberg, Ellen Lohr, Steve Soper oder Klaus Ludwig im Grenzbereich die Kante gaben und bei weit über 200 km/h weit mehr als den Lackaustausch pflegten. Mittlerweile ist die Aerodynamik der DTM-Boliden so filigran, dass bei einem abgebrochenen Spoilerflap keine Chance mehr besteht, vorne mitzufahren. Wer erfolgreich war, bekommt Zusatzgewichte ins Auto und ist damit völlig chancenlos. Ebenso sinnfrei erscheinen vielen Fans die Zwangsboxenstopps zur Mitte des Rennens, die dafür sorgen sollen, dass zumindest etwas Spannung entsteht, während oftmals nur noch überholt werden kann, wenn der Klappflügel betätigt wird.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die DTM ins Jahr 2019 und den Rennbetrieb darüber hinaus sichern kann. Die kommende Rennsaison, in der letztmalig Audi RS5, BMW M4 und Mercedes AMG C63 gegeneinander fahren, wird ein Übergangsjahr ohne besondere Bedeutung, in der es im Hintergrund allein darum geht, neue Marken in die ehemalige Vorzeigeserie zu holen. Vielleicht wäre es doch besser, aus der DTM eine komplett neue Tourenwagenserie zu kreieren und diese technisch mit dem ebenfalls alles andere als erfolgreichen ADAC GT-Masters oder gar der GTLM zu fusionieren.

Quelle: Autoplenum, 2017-09-29

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