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Testbericht

Patrick Broich/SP-X, 6. Januar 2021
SP-X/Köln. Natürlich ist der AMG-GT Viertürer nach klassischem Verständnis eine Limousine und kein Coupé, wie es die Mercedes-Website suggerieren möchte. Und zwar eine, die sich viele W140-Kunden in den Neunzigerjahren sicherlich gewünscht hätten. Mit seinen 5,05 Metern ist der GT eine lupenreine Oberklasse, gibt den Gentlemen auf der Langstrecke und das Biest auf dem Track – zumindest die Topversion 63 S 4Matic. Laut der offiziellen Nürburgring-Website ist der rasante Achtzylinder sogar Rekordhalter als schnellster Viertürer auf der Nordschleife mit 7 Minuten und 27 Sekunden.Zeitsprung ins Jahr 1996. Damals war die einzige Mercedes-Oberklasse die S-Klasse, und deren sportlichste Version war der S 600. AMG war zu dieser Zeit Kooperationspartner und gehörte noch nicht zum Konzern. Während die Preisliste der C-Klasse mit dem C 36 AMG bereits ein offizielles Modell listete, war das bei der S-Klasse noch nicht der Fall. Ein Spezialauftrag machte allerdings möglich, den von AMG modifizierten Zwölfzylinder M120 in der Ausführung mit sieben Litern Hubraum (aus der Kleinserie SL 70 AMG) auch im W140 unterzubringen.Im Gegensatz zum R129 als SL 73 war der höchstmotorisierte W140 keine konfigurierbare Variante und besaß auch keine offizielle Modellbezeichnung geschweige denn einen Schriftzug auf der Kofferraumklappe. In den Auslieferungspapieren, die Tino Zovko, Spezialist für auf exotische Fahrzeuge von „Investments on Wheels“, parat hat, heißt es „S 600 7.0 AMG“. Dabei bietet der Zwölfender sogar exakt 7,1 Liter – genug Volumen, um aus den Vollen schöpfen zu können. Generell muss man wissen, dass der W140 gegenüber seinem Vorgänger W126 einen deutlichen Sprung in puncto Fahrwerk gemacht hat und von Natur aus viel agiler war als sein Vorgänger, wozu nicht nur die jetzt auch im größten Benz eingesetzte Raumlenkerhinterachse ihren Teil beitrug, sondern zusätzlich ein ganz banales Feature: die Parameterlenkung. Nicht nur, dass die behäbig aussehende dritte Generation der S-Klasse behände durch Kehren zirkelt – auch in Parklücken lässt sie sich nötigenfalls mit zwei Fingern dirigieren – die im Stand mit hoher Unterstützung operierende Servolenkung macht es möglich. Zu diesen Fertigkeiten kommt beim raren Siebenliter (Fachleute kolportieren, es gebe drei Stück) auch noch die Befähigung, den 2,2-Tonner urgewaltig anzuschieben. Schon der 600 SEL mit 300 kW/408 PS sollte laut Werksangabe nur sechs Sekunden bis Landstraßen-Tempo benötigen, hier sollen es 470 Pferdchen sein, die Fünf vor dem Komma scheint also gesichert.In der Praxis fühlt sich der zwölfzylindrig säuselnde Hundertvierziger mit dem etwas indiskret herausschauenden Auspuff-Doppelendrohr jedenfalls pfeilschnell an, holt bei Betätigung des Kickdown-Knopfs kurz Luft, um dann hämmernd davonzustürmen, sofern der Grip ausreicht, was angesichts seines Hinterradantriebs nicht immer gewährleistet ist. Einmal in Fahrt, bleibt er sicher in der Spur, erzeugt nicht einmal Angst vor kurvigem Geläuf, ja, lässt die Masse vergessen, die hier in Bewegung gebracht wird. Wenn man sich etwas beruhigt und den Spieltrieb ausgelebt hat, wird es Zeit für den Cruising-Modus. Dann erlebt man die rund ein viertel Jahrhundert alte S-Klasse über den Boden schweben und kann sich gut vorstellen, mit ihr die Strecke von Köln nach München auf einer Pobacke abzuspulen. Üppige Ledersessel (auch hinten optional in Einzelausführung), Wurzelnussholz in verschwenderischer Ausführung und ein funktionales Kombiinstrument sorgen für Mercedes-Flair der höchsten Luxuskategorie. Damals war dieser rare Mercedes die wohl sportlichste und ganz sicher schnellste Möglichkeit, Oberklasse zu genießen. Kein Siebener-BMW (nicht einmal aus dem Hause Alpina), kein Jaguar XJ und kein Audi A8 boten Gefährte dieser Liga, die an der 500 PS-Grenze kratzten, selbst die 400 PS-Schwelle wurde Mitte der Neunziger nicht gerissen.Und heute? Genau wie es im Supermarkt inzwischen eher dreizehn statt drei Joghurt-Sorten gibt, hat sich auch das automobile Angebot drastisch aufgefächert in den letzten drei Jahrzehnten. Wer früher S-Klasse mit AMG-Schliff fuhr, würde heute womöglich AMG pur bevorzugen. Ja, es gibt die S-Klasse auch anno 2020 mit AMG-Badge, aber es gibt eben auch eine Oberklasse, deren Entwicklungshoheit komplett bei Mercedes-AMG liegt – heute längst Bestandteil des Daimler-Konzerns. Genau von solch einem Kaliber ist der viertürige GT – in der Topversion ausschließlich als Allradler unterwegs, weil sich 470 kW/639 PS überhaupt nicht anders zähmen lassen. Der GT sitzt wie ein sportives Sakko, bietet natürlich viel Platz und Komfort, lässt aber durchblicken, dass man es hier mit einem Sportler zu tun hat. Mercedes hat diesen Eindruck natürlich mit der Konfiguration des Testwagens verstärkt – statt Wurzelholz (auch das wäre möglich) gibt es Karbon, die Gurte präsentieren sich in leuchtendem Gelb und man fasst in ein griffiges Alcantara-Lenkrad. Um der Karosse auch noch das letzte Fünkchen Eleganz zu nehmen und dafür an Aggressivität draufzusatteln, rollt der 63er auch noch in einem Magno-Schwarzton an den Start – was bedeutet, dass er matt ist.Über Mode und Geschmäcker kann man immer streiten, nicht aber über technische Perfektion. Die intern X290 genannte Renn-Limousine trifft den Grat zwischen geschmeidiger Komfortlounge und Hochleistungsgefährt so perfekt wie wenige andere Fahrzeuge. Der dank zweier angetriebener Achsen auf Gaspedalbefehl unter Achtzylinder-Hämmern katapultartig startende Mercedes-Beau kann auch sanft, obwohl man sein Neungang-Planetengetriebe des Drehmomentwandlers beraubt hat und stattdessen auf Lamellenkupplung setzt, die noch weniger Schlupf verspricht. Landstraßentempo? Steht nach gut drei Sekunden, und wenn man auf einer leeren Autobahn nicht aufpasst und beherzt beschleunigt, bewegt sich der Gran Turismo auch jenseits der 300 km/h-Schwelle vorwärts, um bei Bedarf mit der Hilfe extrem packender Keramikscheiben brutal zu verzögern.Doch moderates Cruisen beherrscht der AMG GT genauso wie sein 25 Jahre alter Bruder im Geiste, der S 600 7.0 AMG – nur etwas anders in der Ausprägung. Straffer ist der moderne V8 selbstverständlich, der im Teillastbetrieb sanftes V8-Brabbeln in den Innenraum schallen lässt, während der betagte V12 typisch turbinenartiges auf die Ohren gibt, und zwar ungefiltert ehrlich ohne Lautsprecher oder sonstige elektronische Hilfsmittel. Dennoch stehen die Chancen gut, dass ein S 600 7.0 AMG-Kunde heute AMG GT Viertürer fahren würde. Ihm wird es ja auch leichter gemacht durch Mercedes-AMG mit dem passenden Angebot. Früher musste man abgesehen von dem Kleingeld ja auch noch den Mut und die Kenntnis mitbringen, ein solch rares Modell überhaupt in Auftrag geben zu können.Mercedes S 600 7.0 AMG – technische Daten:Limousine der Oberklasse, Bauzeit 1993 bis 1996, Länge: 5,21 Meter, Breite: 1,89 Meter, Höhe: 1,49 Meter, Radstand: 3,14 Meter7,1-l-Zwölfzylinder-V-Motor, >346 kW/470 PS, maximales Drehmoment: k.A., 0-100 km/h: >5,9 s, Vmax: >250 km/h, Fünfgang-WandlerautomatikEhemaliger Neupreis: über 319.000 MarkHeutiger Marktpreis nach Classic DataNote 1: 105.000 EuroNote 2: 60.300 EuroNote 3: 33.800 EuroMercedes-AMG GT 63 S 4Matic+ Viertürer – technische Daten:Limousine der Oberklasse, Länge: 5,05 Meter, Breite: 1,94 (2,07 mit Außenspiegeln) Meter, Höhe: 1,45 Meter, Radstand: 2,95 Meter4,0-l-V-Achtzylinder-Ottomotor mit Direkteinspritzung und doppelter Turboaufladung, Leistung: 470 kW/639 PS, maximales Drehmoment: 900 Nm bei 2.500 bis 4.500 U/Min, 0-100 km/h: 3,2 s, Vmax: 315 km/h, Neungang-Automatikgetriebe mit Lamellenkupplung statt Drehmomentwandler, Durchschnittsverbrauch: 12,5 l/100 km, CO2-Ausstoß: 286 g/km, Grundpreis: ab 165.253 EuroWährend die Kunden heute unzählige Möglichkeiten haben, ihr Nischenfahrzeug zu wählen, wozu der viertürige AMG GT 63 S 4Matic definitiv zählt, war der Wunsch nach einer extrem sportlichen Luxuslimousine vor 25 Jahren schwieriger zu erfüllen. AMG machte es dennoch möglich.
Fazit
Während die Kunden heute unzählige Möglichkeiten haben, ihr Nischenfahrzeug zu wählen, wozu der viertürige AMG GT 63 S 4Matic definitiv zählt, war der Wunsch nach einer extrem sportlichen Luxuslimousine vor 25 Jahren schwieriger zu erfüllen. AMG machte es dennoch möglich.

Quelle: Autoplenum, 2021-01-06

Getestete Modelle
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