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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 12. November 2013
Der Seat Ibiza Bi-Motor ist in jeder Hinsicht ein extremes Auto. Die schwer zu beherrschende Fahrmaschine wurde geschaffen, um mit den Rallye-Fahrzeugen der Gruppe B mitzuhalten.

Der Ibiza-Bi-Motor ist nichts für Schönwetter-Fahrer. Das geht schon beim Einsteigen los. Hat man einmal den Innenraum-Käfig geentert, drücken einen stramme Sechspunkt-Gurte unbarmherzig in die unbequeme Sitzschale. Allerdings muss dieses Privileg der Unbequemlichkeit verdient werden. Ohne eine Rennlizenz darf keiner hinter das Lenkrad dieses iberischen Biestes. Doch warme Worte und die Vorlage eines entsprechenden Ausweises überzeugen den freundlichen Hüter der historischen Fahrzeuge Isidre Lopez und machen den Weg frei hinter das Lenkrad. Das Cockpit ist eine Schau. Die wichtigsten Anzeigen sind doppelt vorhanden: Drehzahlmesser, Öldruck und Wassertemperatur. Dazu gibt es ein ganzes Arsenal von Sicherungen.

Damit der Bi-Motor ins Laufen kommt, ist eine komplizierte Start-Prozedur nötig. Erst müssen beide Aggregate aktiviert werden, ehe man die Zündung unter ständigen Pumpen des Gaspedals einschaltet. Dann brüllen die beiden 1,5-Liter-Triebwerke mit jeweils 140 PS, die von Porsche entwickelt wurden, ungestüm los. Sound-Design, das die Frequenzen für das Ohr moduliert? Fehlanzeige. Ein metallisches Sägen und Hämmern aus zwei mal vier Zylindern versetzen das Trommelfell in hektische Schwingungen. Bei dieser infernalischen Symphonie aus Verbrennung und Ansaugen, ist Brüllen angesagt. Sonst versteht der Beifahrer kein Wort.

Schon bei den ersten Metern merkt man, dass die Vorsichtsmaßnahmen durchaus berechtigt sind. Kompromisse finden im Konzept des Brutalo-Spaniers nicht statt. Jede Gaspedal- und Lenkbewegung forciert eine Reaktion des 1.000-Kilogramm schweren Sportlers. Die zwei Motoren, einer vorne und der andere hinten, bringen die Kraft mittels zweier Fünfgang-Schaltgetriebe mit Einscheibenkupplung und eines Allradantriebs mit zwei selbstblockierenden Differentialen. Kurz: Das Fahrverhalten ähnelt einem wildgewordenen Stier, der durch Pamplona getrieben wird. Fast in jeder Kurve hat der Fahrer mit Lastwechselreaktionen zu kämpfen, sobald er das Gaspedal etwas unüberlegt bewegt. Dann sind schnelle Hände gefragt, die den B-Motor schnellstens wieder zurück auf die Ideallinie bringen.

Als wenn diese schweißtreibende Arbeit nicht schon genug wäre, strahlen die beiden Motoren eine Hitze aus, dass schon nach wenigen Minuten die Klima-Komfortzone eines Mitteleuropäers weit überschritten ist. Aber Rennsport ist kein Kindergeburtstag und nichts anderes ist die Bestimmung des Brutalo-Spaniers, der von außen aussieht, wie ein Ibiza aus den 80er Jahren, der viel mit dem Fiat Panda gemein hatte. Nur die rotweiße Rallye-Kriegsbemalung, der grobschlächtige Auspuff und der auffällige Dachspoiler weißen auf den eigentlichen Einsatzzweck des automobilen Wolf im Schafspelz hin. Wo sich sonst Rückbank und Kofferraum befinden, winden sich zwei riesige Ansaugschläuche, wie Tentakeln eines Urzeit-Oktopusses durch den Innenraum und versorgen das hintere Aggregat mit der dringend benötigten Luft. Lediglich eine Metallplatte und eine Scheibe trennen das Ungetüm vom Innenraum.

Wie kam es eigentlich zu diesem eigenwilligen, fast schon skurrilen Automobil. Mitte der 80er Jahre schluckten die Seat Ibiza Cup mit ihren vergleichsweise mickrigen 120-PS-Maschinen in den iberischen Rallye-Wettbewerben der Gruppe B nur den Staub der 400-PS-Gegner. Die regelkonforme Lösung mutet damals, wie heute noch radikal an und könnte aus Sunzis Meisterwerk "Kunst des Krieges" stammen: "Wenn Du einen Gegner alleine nicht besiegen kannst, hole Dir Verstärkung" Die Idee hatte der spanische Rallye-Fahrer José Maria Servià gemeinsam mit seinem Mechaniker Valentín. Der Erfolg gab der drastischen Maßnahme recht. Neben Maria Servià pilotierten spanische Rennsportgrößen wie Alex Brustenga sowie Antonio Rius gefahren den Bi-Motor-Dampfhammer und fuhren mehrere Siege ein, die 1986 und 1987 jeweils zum Vizemeistertitel führten. Dann war die Ära des Bi-Motor-Fahrzeugs, von dem nur zwei Exemplare gebaut wurden, vorbei. Eines hat sich der ehemalige Fahrer und spätere spanische Rallye-Meister Antonio Rius gesichert. Auch eine Form der Liebesbekundung.

Quelle: Autoplenum, 2013-11-12

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