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Testbericht

Sebastian Viehmann, 27. September 2011
Lada – keine andere Automarke zeigt einem so deutlich, dass das Leben kein Ponyhof ist. Der Priora Kombi macht keine Ausnahme, manchmal ist der Russe einfach haarsträubend. Doch er hat seine Vorzüge und entwickelt eine ganz eigene Faszination.

Russen lieben dicke Luxusschlitten, doch Lada ist mit einem Marktanteil von 25% immer noch die populärste Automarke zwischen Moskau und Wladiwostok. Die Modelle Kalina und Priora sind Russlands meistverkaufte Autos. Das sieht in Deutschland ganz anders aus. Unter den knapp 1400 Neuzulassungen, die Lada 2011 bis zum August verbuchen konnte, ist der Priora nicht einmal gesondert aufgeführt, weil 1229 Zulassungen allein auf das Gelände-Urviech Niva zurückgehen. Seit Dacia den Markt der Billigautos erobert hat, schaut Lada mit seinen kompakten Limousinen und Kombis in die Röhre.

Der Priora Kombi - offiziell heißt er Avtovaz Lada 2171 16V - ist 4,34 Meter lang, 1,68 Meter breit und kostet 9990 Euro. Das Platzangebot ist in Ordnung, der Kofferraum schluckt 444 Liter. Die Heckklappe wird per Knopfdruck im Cockpit oder am Schlüssel entriegelt. Die Zentralverriegelung des Wagens ist so laut, dass man sie wahrscheinlich noch in Moskau hört - aber immerhin serienmäßig. Mit einer Autogasanlage an Bord bleibt der Kofferraum weitgehend erhalten, der Tank sitzt in der Reserveradmulde.

Die Hartplastikwüsten des Lada-Cockpits hinterlassen erwartungsgemäß einen billigen Eindruck. Eine der hinteren Fensterkurbeln ist schwergängig, der Schalthebel sieht aus wie ein Handmuster und auf dem Armaturenbrett glotzen nackte Schrauben fröhlich den Piloten an. Die Zierblende an der Mittelkonsole besteht aus einem gummiartigen Material und imitiert aus irgendeinem irrwitzigen Grund eine Holzmaserung. Immerhin klappert nichts, und das Interieur ist um Längen besser als das des Niva. Wirklich störend ist nur die Sitzverstellung, die manchmal mit roher Gewalt eingerastet werden muss – sonst macht es während der Fahrt plötzlich „Klack“ und man sitzt eine Raste tiefer.

Für viele seiner Besitzer ist der Lada wahrscheinlich nur ein möglichst günstiges Fortbewegungsmittel, doch eigentlich ist er auch ein Statement. Wer gerne „Euer Reichtum ödet mich an“ ins Land hinaus brüllt, für den ist der Wagen ideal. Die abschätzigen Blicke von Cayenne-fahrenden Fußball-Mamis auf dem Supermarktplatz oder drängelnden Audi-Piloten auf der Autobahn lernt man mit unerschütterlicher Gelassenheit zu begegnen. Der Russe ist ein Gebrauchsgegenstand im besten Sinne.

Ein bisschen Spaß macht der Wagen aber auch, und zwar wegen des Motors. Der 1,6 Liter große Vierzylinder, der die Abgasnorm Euro-5 erfüllt, liefert mit seinen 98 PS (72 kW) und 145 Nm Drehmoment ausreichend Vortrieb. Der Priora wiegt nämlich leer gerade einmal 1178 kg, deutlich weniger als ein Golf. Der Wagen kommt ausgezeichnet vom Fleck, Überholmanöver sind kein Problem. Erst für die Spartakiade auf der Autobahn braucht der Russe mehr Anlauf, schlägt sich aber wacker.

Es macht sogar einen Heidenspaß, bergab mit 190 Sachen an Premiumkarossen vorbeizuziehen, deren verblüffte Piloten den Schriftzug „Lada – sparen mit Autogas“ an der Heckscheibe lesen. Zwar schlingert der Vorderwagen dann wie ein Rotarmist mit 1,5 Promille – also nicht mehr ganz trittsicher, aber immer noch kontrollierbar – und es wummert bei Querfugen aus dem Fahrwerk, als würde Nikita Chruschtschow bei der UNO-Vollversammlung mit seinem Schuh auf den Tisch hauen. Auch klingt der Motor ab 160 Sachen, als wolle er gleich durch die Spritzwand springen und den Fahrer erwürgen. Der Lada ist aber alles andere als eine lahme Kiste. Schnelles Fahren mit einem 2171 will nicht nur wegen des fehlenden ESP trotzdem geübt sein. Der Russe untersteuert, als gäbe es kein Morgen, die Lenkung ist schwammig. Immerhin ist ABS an Bord, und die Bremsen sind gar nicht so schlecht.

Der Durchschnittsverbrauch des Priora liegt offiziell bei 6,5 Litern Super pro 100 Kilometer, sieben Liter sind in der Praxis machbar. Manche Konkurrenten sind zwar sparsamer, doch den Vergleich gegen den Dacia Sandero braucht der Russe nicht zu scheuen. Der Tank fasst 44 Liter. Für große Reichweiten und natürlich zur Kostenersparnis empfiehlt sich für Vielfahrer also eine Autogasanlage, auch wenn sie mit 2350 Euro ab Importeur einen erheblichen Batzen auf den Kaufpreis des Wagens aufschlägt. Ebenfalls Aufpreis kosten Klimaanlage (490 Euro), Nebelscheinwerfer (250 Euro) und Radio (300 Euro).

Die Flüssiggasanlage kommt vom Autogasspezialisten Prins. Den Gasvorrat liest man an einer kleinen Anzeige zwischen den Sitzen ab, auf Knopfdruck wird zwischen Benzin- und Gasbetrieb umgeschaltet. Ein Leistungsunterschied lässt sich dabei nicht feststellen. Der Verbrauch mit Gas liegt etwa 15 bis 20% über dem Benzinverbrauch. Der Aufpreis für die Anlage amortisiert sich zwar nur für Kilometerfresser, der Griff ins Portemonnaie an der Zapfsäule ist aber in jedem Fall bei Benzin erheblich tiefer: Der Liter Super kostet zurzeit rund 1,50 Euro, der Liter Autogas (LPG) etwa die Hälfte.

Quelle: Autoplenum, 2011-09-27

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