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Testbericht

automobil-magazin.de, 7. Mai 2015
Was unterscheidet einen Amerikaner von einem Deutschen? Er macht's. Der Macher heißt Elon Musk und sein neustes Produkt Model S P85D. Das Besondere daran? 700 PS Leistung, 930 Nm Drehmoment, 250 km/h Spitze – als Elektroauto wohlgemerkt. Und kostenlos „betankt“. Unterwegs mit dem allradgetriebenen Topmodel S entlang der 35 Supercharger von Hamburg nach München – Fahrbericht Tesla Model S P85D.

Vollgas im Model S P85D weckt Erinnerungen an eine uramerikanische Geschichte. Eine aus den wilden Sechzigern. Die von Carroll Shelby, der Shelby Cobra 427 und der Dollarnote. Der Fahrer des Cobra heftete die Banknote an die Windschutzscheibe des Boliden. Aufgabe an den Beifahrer: Bei Vollgas den Geldschein erhaschen (…) Der kam, von den Fliehkräften in den Sitz gepresst, nicht heran. So die Legende.

So ähnlich wie jetzt muss sich das damals im Shelby angefühlt haben. Vielleicht fühlt es sich im P85D heftiger an. Vielleicht? Die 4,97 Meter lange Limousine beschleunigt in 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h (Werksangabe). Das Besondere am Spurt im Model S sind, egal ob im Einstiegs- oder Top-Tesla, immer die ersten paar hundert Meter. Auf denen erleben sogar Piloten eines Ferrari oder Lamborghini, die gegen Tesla antreten, etwas ganz, ganz neues: hinterher zu fahren.

Der P85D zeigt allen zuerst – nicht mehr später, wenn einige aufholen – sein wohl proportioniertes Heck. Das dort am Typenschild prangernde „D“ steht für „Dual“ und eröffnet dem Kenner – von denen es erstaunlich viele auf deutschen Straßen gibt – das Potential der zwei fein aufeinander abgestimmten Elektromotoren. Einer an der Vorder-, der andere an der Hinterachse. Im Gegensatz zum Sportmotor mit Benzin im Tank, der erst hoch drehen muss, greifen die E-Motoren sofort. Ab dem ersten U/min, aus dem Stand und gleich mit voller Dosis: eine Druckwelle von 930 Newtonmeter.

Eine Welle, die immer höher nach Europa herüberschwappt. Im Elektroland Norwegen gehört das Model S in der Kapitale Oslo schon zum Straßenbild. Hierzulande fahren 1.500 Menschen Tesla. Warum? Hingucken, einsteigen, begreifen. Die Linie stimmt. Das Interieur wirkt: puristisch, elegant, hochwertig. Das Bedienkonzept hat Charme. Die kantigen Türgriffe surren dem Einsteigenden futuresk aus der Tür entgegen. Manches stammt von Bosch. Viele Schalter und Steller rund ums Lenkrad kommen unübersehbar vom Daimler. Alles keine Nachteile. Im Gegenteil.

Zwar finden sich im Model S im Cockpit nur wenige mechanische Tasten, dafür hat der zentrale Touchscreen Bedientiefe. Auf dem alles beherrschenden Monitor – im Prinzip könnte man sagen, das Modell S hat man um ein überdimensionales iPad herum gebaut – läuft fast alles zusammen. Die Angaben über den Verbrauch, die Reichweite, die nächsten Supercharger auf dem Wege. In der sportivsten der drei Fahrzeugsetups, dem „Wahnsinn“-Modus, schnalzt der P85D mit maximaler Wucht. Mit einem simpel-genialen Wisch über den Screen ist das riesige Glasdach geöffnet. Nach einem einfachen Blinkersetzen setzt der Tesla mit dem Autopilot automatisch zum Spurwechsel und zum Überholen an. Das Bild der Rückfahrkamera gehört zum Besten, was der Markt beim Rückwärtsfahren hergibt.

Der Kunde hat bei Tesla Macht. Das spürt man im unteren Rücken. Die Kundenklagen über die alten Sitze des Model S sind in der Deer Creek Road in Palo Alto den kurzen Weg gegangen: Klage vernommen, Sitze geändert. Nach einem halben Tausend Kilometer im neuen Tesla P85D weiß man, wovon man spricht, und spürt man, dass sich hier etwas zum Positiv gewendet hat. Kleine Mängel? Fanden sich noch in jedem Testwagen. Egal wie hochwertig, egal wie kostspielig. Das praktische weil große Ablagefach zwischen den Vordersitzen, wo im Benziner sonst die Mittelkonsole verläuft, ist zu halbherzig rutschgesichert (Abhilfe: eine optionale Unterteilung). Die Haltegriffe am Dachhimmel fehlen und das „Autobahn meiden“ in der Navi. Dabei fühlt sich der Tesla auch auf der Landstraße richtig gut an. Mit tiefem Schwerpunkt, straffem Fahrwerk und verbindlicher Lenkung bereitet er viel Freude am Fahren – sorry, auf den Slogan sind schon andere gebucht.

Schon 211 Tesla Modell S wurden im März in Deutschland verkauft. Porsche schaffte nicht mehr Panamera, BMW nicht mehr 7er. Damit bewegt sich ein winziger, mit sechs Niederlassungen und 30 Mitarbeitern in Deutschland schlank aufgestellter Autoproduzent, ohne Eigenzulassungen und ohne Rabatte auf die Fahrzeuge zu geben, vom Ertrag „schon im sehr gesunden Bereich“, freut sich Tesla Deutschland Geschäftsführer Philipp Schröder auf der Rücksitzbank des P85D, bis ihn der folgende Gasstoß – sorry, Philipp – auf die Rücksitzbank verbannt. Das ist viel besser als noch weiter hinten sitzen. Hier im Kofferraum können noch zwei Menschlein mehr Platz nehmen. Bei umgeklappten Rücksitzen passt ein Volumen von 1.795 Litern hinein. Und vorne unter der Haube befindet sich noch ein kompaktes Ladeabteil, weil dem Tesla das fehlt, woran viele noch heute glauben: ein Benzinmotor.

Das mit dem Strom läuft bei Tesla gut. Seit kurzem existieren 35 Ladestationen bundesweit, allein für Tesla-Fahrer. Das Laden geht simpel und schnell von der Hand. Laderüssel ausklinken, Knopf am Adapter drücken, die Klappe links hinten am Tesla öffnet sich, Stecker einstecken, fertig. In 30 Minuten lädt der Supercharger den Akkupack des P85D zu 50 % voll, wenn der Supercharger zur 2. Generation gehört und nicht an allen der zwei bis acht Ladesäulen einer Station gleichzeitig Fahrzeuge Strom ziehen. Die letzten Prozente dauern länger, weil der Widerstand im Akkumulator steigt. Aber das stört kaum, denn 50 % von „weit“ sind immer noch weit. Angesprochen auf die maximale Reichweite seines Model S, frohlockt der Besitzer: „400 Kilometer“.

Andere Elektroautos erreichen maximal 150 bis 200 Kilometer. Nur mal zur Relation: Ein BMW i3-Fahrer, der einigermaßen flott vorankommen möchte, steht auf einer Tour von 400 Kilometern mindestens drei Mal an der Ladesäule. Und dies auch noch länger. Nach zurückgelegten 389 Kilometern zeigt das Display einen Verbrauch von 115 kWh für die Gesamtstrecke. Die auf dem Display hinter dem Lenkrad stehenden 296 Wh/km offenbaren das Gemeinsame von Elektroauto und Benzinbetriebenem: Der Gasfuß macht die Musik. Gleiten oder Heizen, das bestimmt wie weit man tatsächlich kommt. Bei 213 km/h regelt das Testfahrzeug ab. Das neue Software-Update wurde noch nicht aufgespielt. Aber 250 km/h stecken drin.

Und nun zur Politik oder zum Laden und Verladen werden. Die neue EU-Ladesäulenverordnung, die schon in drei Monaten in Kraft treten könnte, schreibt vor, dass an allen Ladestationen Elektroautos mit dem CCS-Stecker laden sollen. Auch am Supercharger von Tesla, an dem der P85D-Fahrer, nachdem er rund 92.500 Euro investiert hat, wie alle Tesla-Kunden kostenlos lädt. Das bedeutet für Tesla: Für die künftigen Ladestationen – 147 gibt es aktuell von Südfrankreich bis Norwegen – muss ein Abrechnungssystem entwickelt und installiert werden. Das kostet Zeit, Geld und die Investoren Nerven, da hier: "standardisiert wird, bevor es einen Markt gibt" (Schröder).

Der Markt ist für Tesla schon da, für andere offensichtlich noch nicht. Schon in fünf Jahren sollen in Deutschland 1.000.000 Elektrofahrzeuge – Elektroautos und Hybride – fahren. 2015 sind es 130.000. Was unterscheidet einen Deutschen von einem Amerikaner? Wir reden noch drüber. (Lothar Erfert)
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: automobilmagazin, 2015-05-07

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