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Testbericht

Sebastian Viehmann, 29. Oktober 2010
Der Nissan Leaf ist derzeit das überzeugendste Elektroauto auf dem Markt. Was kann er, was kann er nicht und warum müssen deutsche Stromer-Fans auf den Wagen noch ein Jahr warten?

Wird man sich in 20 Jahren noch daran erinnern, wie ein Verbrennungsmotor klingt? Wenn man ein paar Stunden im Nissan Leaf unterwegs ist und plötzlich an der Ampel neben einem brummelnden Laster steht, kommt einem dieses Geräusch fast wie ein Fremdkörper vor. Der Leaf ist so leise, dass unterhalb von 30 Km/h ein künstlich erzeugter Surrton Fußgänger vor dem heran flitzenden Stromer warnt. Dazu gibt es Lautsprecher unter der Haube. Im Cockpit dagegen erzeugen die wohltuende Stille und die ruckfreie Beschleunigung Fahrspaß vom Feinsten und machen den Weg durch die Stadt fast zur Entspannungstherapie.In wenigen Wochen werden die ersten Nissan Leaf an die Kunden ausgeliefert. Der 4,45 Meter lange Fünfsitzer hat ein gutes Platzangebot, auch wenn die Kniefreiheit im Fond für Erwachsene nicht üppig bemessen ist. Der Kofferraum ist mit 330 Litern kaum kleiner als beim VW Golf. Bei umgeklappten Rücksitzen beträgt das Fassungsvermögen lediglich 680 Liter, eine dicke Strebe vor den Rücksitzen schränkt die Nutzbarkeit ein. Das Cockpit ist mit lieblos wirkenden Hartplastikflächen gepflastert, die Bedienung ist dafür kinderleicht. Mit einem großen runden Knopf wählt man die Stufen Parken, Vorwärts oder Rückwärts, nach einem Druck auf den Startknopf ist der Motor bereit.

Der Leaf hat einen Wechselstrom-Synchronmotor mit einer Maximalleistung von 80 kW (109 PS) sowie einen Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 24 Kilowattstunden und einer Spannung von 345 Volt. Von 0 auf 100 Km/h beschleunigt der Wagen in 11,9 Sekunden, im Sprint aus dem Stand bis City-Tempo lässt er viele Verbrenner hinter sich. Beim Bremsen wird rekuperiert (Bremsenergie zurückgewonnen), erst bei größerem Pedaldruck greifen die Bremsscheiben ins Geschehen ein.In schnellen Kurven schiebt der Leaf mächtig über die Vorderräder und erreicht rasch die Eingriffsschwelle des ESP, eine starke Wankneigung legt das hochbeinige Auto allerdings nicht an den Tag. Der Schwerpunkt des Japaners, der mit knapp 1,6 Tonnen soviel auf die Waage bringt wie ein Mittelklassewagen, liegt durch die Anordnung der Batterien weit unten. Der Fahrkomfort ist gut, wenn man einmal von der bei kurzen Bodenwellen trampelnden Hinterachse absieht.

Ein entscheidender Vorteil des Leaf ist, dass er von vornherein als Elektroauto entwickelt wurde. Viele Stromer (z.B. Peugeot Ion, German E Cars Stromos, Smart Electric Drive, Luis 4U Green) basieren auf gewöhnlichen Benzinkutschen. Beim Leaf gab der Elektroantrieb vor, wie das Auto drum herum aussehen sollte. Und es gibt nicht nur ein paar Zusatzinstrumente, die den Batteriestand anzeigen, sondern eine umfangreiche und leicht verständliche Informationsarchitektur. Diagramme zeigen an, welche Verbraucher gerade wieviel Strom zehren und wie viele Kilometer Reichweite man beispielsweise gewinnt, wenn man sofort die Klimaanlage ausstellen würde.

Auf der Karte des serienmäßigen Navigationssystems wurden bei den Testfahrten in und um Lissabon öffentliche Ladestationen angezeigt. Bei der Probe aufs Exempel kollidierten allerdings Theorie und Praxis: Eine zufällig ausgewählte Ladestation war von zwei Autos zugeparkt, bei denen es sich auch noch um schnöde Benzinkutschen handelte. Da half selbst das sechs Meter lange Kabel nichts. Portugal will innerhalb eines Jahres 1350 öffentliche Ladestationen aufstellen, davon verfügen aber nur 50 über eine Schnellladung. Sie reduziert die Zeit für die Ladung auf 80 Prozent der Batteriekapazität auf unter 30 Minuten – im Gegensatz zu sieben bis acht Stunden an einer normalen Ladestation oder an der heimatlichen Steckdose. Nissans Elektroauto-Produktmanager Malo Le Masson sieht diese Aufbauphase der Infrastruktur nicht als Problem an: „Die ersten Käufer des Leaf werden ohnehin Heim-Lader sein“, so Le Masson. Die beiden Ladebuchsen befinden sich unter einer Klappe vor der Fronthaube.

Die Reichweite bleibt das Damoklesschwert, das über der attraktiven Stromer-Welt schwebt. Heizung und Klimaanlage nagen am Kilometervorrat. Außerdem steigt mit zunehmender Geschwindigkeit der Energieverbrauch überproportional an. Die versprochenen 160 Kilometer Reichweite schafft der Leaf zwar mühelos – aber nur im dichten Stadtverkehr mit einem Schnitt um 25 Km/h. Bei durchschnittlich 45 Km/h und aktivierter Klimaanlage schmilzt die Reichweite laut Nissans Beispielrechnung schon auf 113 Kilometer, bei 80 Km/h sind es nur noch 76 Kilometer.

Auf den Testfahrten bestätigte sich dieser Trend. Auf der Autobahn erreichte der Leaf problemlos und mit zurückhaltendem Geräuschpegel Tempo 130 und kann sogar noch mehr, doch die prognostizierte Reichweite schmolz schon bei 100 Km/h wie Butter in der Sonne. Ebenso schnell jedoch steigt der Kilometervorrat wieder, sobald man sich im Stadtverkehr befindet – beim Verbrennungsmotor ist es genau umgekehrt. Das Wissen um eine Schnellladestation in der Nähe nimmt dem Fahrer die Angst, aber nicht den Frust: Bei einem sparsamen Dieselmotor hat man nach zwei Minuten an der Zapfsäule 800 bis 1000 Kilometer Reichweite gewonnen. Im Stromer bleibt man nach 30 Minuten an der Power-Leitung immer noch bei 160 Kilometern kleben.

Solange leistungsfähigere Batterien nicht serienreif und bezahlbar sind und / oder es kein flächendeckendes Netz von Schnellladestationen gibt, bleibt das Elektroauto in seinem Zweitwagen-Status gefangen. Wenn es um die jährlichen Betriebskosten geht - ungefähr ein Viertel der Kosten eines vergleichbaren Dieselmodells - ist es immerhin ein goldener Käfig. Weitere Vorteile (Befreiung von der Citymaut, für Stromer reservierte Parkplätze) sind in einigen Städten bereits Realität und vielerorts zu erwarten.Bliebe noch der Preis. 30.000 Euro dank öffentlicher Förderung kostet der Nissan Leaf in Portugal, wo das Auto im ersten Quartal 2011 neben England, Irland und den Niederlanden an den Start geht. Nach Deutschland kommt der Leaf erst Ende 2011, weil Nissan Länder mit Elektroauto-Subventionen bevorzugt beliefert. Mangels Förderung wird der Leaf in Deutschland rund 35.000 Euro kosten. Alternativ zum Kauf kann man den Wagen über drei Jahre leasen, ihn danach mit einer Schlussrate übernehmen, zurückgeben oder in Zahlung geben und gegen einen neuen Stromer tauschen.

Die Japaner geben für alle Standardkomponenten des Autos drei Jahre Garantie und fünf Jahre oder 100.000 Kilometer auf den Elektroantrieb inklusive Batterie. Was die Lebensdauer des Kraftspenders angeht, macht Nissan nur vage Angaben: „Wir gehen davon aus, dass der Akku nach fünf Jahren noch mindestens 80 Prozent seiner Kapazität hat“, sagt Produktmanager Malo Le Masson. Ob dieses Versprechen auch Teil der Garantie wird, stehe aber noch nicht fest.

Quelle: Autoplenum, 2010-10-29

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