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Testbericht

Stefan Grundhoff, 13. März 2012
Ist der Elektroboom bereits vorbei, ehe er richtig begonnen hat? Der Hype um die Elektromobile gerät mächtig ins Straucheln – gerade in den USA. Eine City-Tour durch eine turbulente Metropole wie Berlin zeigt, wie alltagstauglich der Nissan Leaf wirklich ist.

Nissan hat neben dem Bestseller Quashqai ab sofort einen zweiten Star in der Modellpalette. Auch wenn gerade in Deutschland kaum mehr als homöopathische Stückzahlen zu erwarten sind, verspricht sind Nissan eine Sogwirkung vom ersten Serien-Elektrofahrzeug. Das Design des Nissan Leaf Design ist wohltuend unspektakulär, der Innenraum farblos und für den Antrieb sorgt ein Elektromotor mit 80 KW / 109 PS und 280 Nm Drehmoment. Das reicht für 145 km/h Spitze und 0 auf 100 km/h in rund zwölf Sekunden. Doch der Preis von 36.990 Euro lässt Interessenten kräftig schlucken. Ein vergleichbares Fahrzeug mit Benzin- oder Dieselmotor kostet gerade einmal die Hälfte. Subventionen vom Staat? Fehlanzeige. Wer beim Elektroauto auf den tausender schaut, ist beim Nissan Leaf und seinen Konkurrenten hierzulande an der falschen Stelle. Diesen Kostennachteil fährt niemand wieder je wieder herein. Das scheint in Übersee viele nicht zu stören. Fast 25.000 Nissan Leaf wurden dort mittlerweile verkauft. Jeweils über 10.000 in Japan und den USA, wo es jedoch nennenswerte Steuervergünstigungen von bis zu 7.500 Dollar gibt. Doch hört man auf die Händlerschaft im Öko-Bundesstaat Kalifornien beginnt die Elektrowelle schneller als erwartet abzuebben. Dazu passen die jüngsten Zulassungszahlen. Wurden im vergangenen Sommer bis zu 1.700 Leafs pro Monat verkauft, waren es Ende des Jahres nicht einmal mehr 700 Fahrzeuge.

Beim Praxistest in der Bundeshauptstadt spielt das Wetter heute einfach nicht mit. Es regnet und die Sicht ist schlecht. Trotz zu hundert Prozent aufgeladenem Lithium-Ionen-Akku mit 24 kWh zeigt die Reichweite des Leaf gerade einmal 118 Kilometer an. Die Scheiben beschlagen leicht und nach Einschalten der Klimaanlage reduziert sich der Radius auf 113 Kilometer. Nichts hat es sich mit den bestenfalls in Aussicht gestellten 175 Kilometer aus dem Verkaufsprospekt. Es geht los am Tränenpalast; hoffentlich kein schlechtes Omen für den Praxistest. Der Verkehr in Berlin gehört zu den schlimmsten in Deutschland. Die Straßen sind in einem lausigen Zustand, die Autos alt und kaum jemand nimmt Rücksicht auf den anderen. Gerade kratzt eine unachtsame Radfahrerin mit ihrem klapprigen Drahtesel beinahe das asiatische Hightech-Mobil an, als sie sich vorbeischlängelt.

Der ab April auch in Deutschland erhältliche Nissan Leaf ist im Cityverkehr flott unterwegs; hat bei der nassen Fahrbahn bisweilen sogar Probleme seine Kraft auf den Boden zu bekommen. Die gewöhnungsbedürftige Lenkung stört in der Innenstadt niemand und ein großer Teil der polterigen Federung ist den bekannt schlechten Berliner Straßen geschuldet. An das verspielte Cockpit gewöhnt man sich schneller als erwartet; an den links oben im Cockpit sprießenden Baum bei besonders sparsamer Fahrweise weniger. Schließlich will der Leaf ein ganz normales Auto sein und abgesehen vom fehlenden Motorengeräusch fährt er sich auch so. Vier Erwachsene haben in dem Fünfsitzer Platz und der Laderaum fasst 330 bis 680 Liter. Das ist klassenüblich und allemal ausreichend. "Ab Mitte kommenden Jahres werden wir drei Ausstattungsvarianten mit mehreren Farben und auch Ledersitzen bekommen", so Nissans Elektro-Experte Florian Wunsch, "im Winterpaket gibt es schon jetzt Sitzheizung vorne und hinten sowie ein beheiztes Lenkrad. Das ist sparsamer als die Beheizen des kompletten Innenraums über die Lüftung."

Nissan lässt seinem Kunden aktuell kaum eine Wahl. Die Farbe des Leaf kann man aus einem engen Spektrum wählen, doch das Interieur ist alternativlos in hellem Beige gehalten, das in Europa kaum gefallen dürfte. Wie es hier nach zwei Jahren aussieht, kann man nur vermuten. Ebenso wie das Armaturenbrett und die Verkleidungen sind auch die Sitze aus recyceltem Material. Der Seitenhalt ist dünn, die Beinauflage kurz und die Verstellmöglichkeiten karg. Hier sollte sich auch ein Elektroauto keine Stockfehler erlauben. Nach ein paar Kilometern wird über den gewöhnungsbedürftigen Knubbel auf dem Mitteltunnel in den Eco-Modus gewechselt. Der Leaf erlahmt und dem Fahrer entgleisen die Gesichtszüge. Das gerade noch flotte Gefährt hat sich auf Knopfdruck in eine nervige Lethargie verabschiedet. "Auch im Eco-Modus steht die gesamte Motorleistung zur Verfügung", erklärt Florian Wunsch, "doch die geänderte Gaspedalkennlinie soll einen zu sparsamer Fahrweise ermahnen."

Das hat kein Kunde gern und der Eco-Modus ist derart träge, dass man die Ökobäume, die im Instrumententräger zunehmend sprießen, gleich während der Fahrt auch noch umtopfen könnte. Immerhin zeigt der Bordcomputer kurzzeitig bis zu 124 Kilometern Reichweite an. Von Berlin Mitte aus geht es nach tiefer in den Osten der Stadt; über die Thorstraße weiter Richtung Alexanderplatz. Nach dem Wechsel in den normalen Modus fährt sich das Elektromobil wieder wie es sich gehört. Ein kleiner Zwischenspurt und beim Bremsen hinter dem gelben Bus wird eifrig rekuperiert. Ganz nebenbei wurden zwei komplette Bäume gepflanzt. Wie genau, weiß niemand.

Ohne Klimaanlage ist heute kaum etwas zu machen. Kurz muss sogar die heizbare Heckscheibe zugeschaltet werden. Die Reichweite liegt schnell nur noch bei 78 Kilometern und das Zentraldisplay zeigt an, dass der noch 75 Prozent volle Akku im Heck des Leaf bis zur 100-Prozent-Ladung drei Stunden Zeit benötigt. Wer ein Elektroauto fährt, lernt stetig zu rechnen. Das ist nervig, doch anders geht es nicht. Auf Knopfdruck werden die Elektrotankstellen in der Umgebung angezeigt und ein hinterlegter Kreis zeigt, wie weit man mit der Akkufüllung noch unterwegs sein kann. Das Ausschalten der Klimaautomatik würde 21 Kilometer mehr Reichweite bringt prangt auf dem Display, doch klare Sicht rundum ist wichtiger.

Zurück an der Friedrichstraße ist der metropole Elektroausflug nach rund zwei Stunden zu Ende. Drei Bäume gepflanzt, noch 62 Kilometer Reichweite und gerade einmal 42 Kilometer gefahren. Das dürfte den meisten Kunden für den sicheren Alltagsbetrieb kaum reichen. Schon gar nicht nur 37.000 Euro. An der Ladestation muss der Leaf wieder Kraft tanken. Bis zum vollen Akku dauert es bis zu acht Stunden; für eine kleine Tour reichen 30 Minuten Nachladung. Unter der Markennase gibt es vorne zwei Ladestockdosen für 220 Volt und Drehstrom. Doch einfach Einsteigen und gedankenversunken losfahren ist kaum machbar. Immerhin hat man per Smartphone auch außerhalb des Autos jederzeit den Ladezustand im Blick.

Quelle: Autoplenum, 2012-03-13

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