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Testbericht

Stefan Grundhoff / Sebastian Viehmann, 18. Januar 2008

Die Detroit Motor Show beginnt in ein paar Tagen - doch die Autowelt blickt gebannt ganz woanders hin: Auf der Automesse in Neu Dehli wurde jetzt der Tata Peoples Car vorgestellt. Ein Kleinwagen für 1.700 Euro.

Tata ist in Sachen Automobilproduktion alles andere als ein blutiger Anfänger. Und der indische Familienkonzern ist nicht erst weltweit im Gespräch, seit er sich - offensichtlich erfolgreich - um die zum Verkauf stehenden Luxusmarken Jaguar und Land Rover bemüht. Der indische Mischkonzern, der im Jahr rund 20 Milliarden Euro umsetzt, bauen seit vielen Jahren in ganz Asien auch sehr erfolgreich Autos - vom Kleinwagen bis hin zu Militärlastwagen. In Europa allerdings konnten sie sich bisher nicht so recht in Szene setzen - obwohl sich der Tata Indica in einigen europäischen Ländern durchaus auf dem Markt etabliert hat. Jetzt versucht es Tata mit einem noch winzigeren Kleinstwagen - zum Spottpreis.

Das People´s Car soll vier bis fünf Personen Platz bieten und wird von einem 33 PS starken Benzinmotörchen mit gerade mal 623 Kubikzentimetern angetrieben. Damit soll der Tata-Zwerg weniger als vier Liter pro 100 Kilometer verbrauchen. Der Zweizylinder sitzt im Heck, die Kraftübertragung übernimmt ein stufenloses Variomatic-Automatikgetriebe. Auf dem indischen Markt ist das durchaus ungewöhnlich, denn automatische Getriebe finden sich dort zumeist nur bei teureren Fahrzeugen. In besser ausgestatteten Versionen sollen das karge Interieur durch Klimaanlage, Servolenkung und elektrische Fensterheber aufgewertet werden. Tata will den rundlich-kugeligen Fünftürer, der durchaus an den Smart erinnert und bei dem Bosch zu den Hauptzulieferern gehört, ab September zunächst in Indien und später auch in anderen Ländern auf den Markt bringen. Selbst ein Marktstart in Europa ist denkbar. Der Kaufpreis soll bei sagenhaften 2.500 US-Dollar liegen - umgerechnet 1.700 Euro.

So bald wird Tatas People´s Car allerdings Europa nicht erobern - und ob die Inder den Mini-Preis hier halten können, darf bezweifelt werden. So, wie er jetzt in Delhi zu steht, dürfte der Billigheimer nämlich gar nicht über europäische Straßen rollen - er erfüllt weder die Sicherheits- und erst recht nicht die Umweltvorschriften. Firmenchef Ratan Tata versicherte zwar, der People´s Car erfülle alle Standards und werde das Auto mit der niedrigsten Emissionsbelastung in Indien sein. Doch schon jetzt reagieren Umweltschützer auch in Indien mit leichtem Entsetzen auf den Kleinen. Rajendra Pachauri, Klimawissenschaftler bei den Vereinten Nationen, sagte bereits, dass ihm der People´s Car "Alpträume" bereite. Die zu erwartenden Folgen für den Klimaschutz und für die ohnehín schon überlasteten Straßen des Subkontinentes seien verheerend. Denn Tata will mit dem billigen Volks-Wagen gerade in den Schwellenländern den Schritt zur Massenmotorisierung vollziehen. Für den Anfang ist eine Jahresproduktion von 250.000 Stück geplant, später sollen es bis zu einer Million People´s Car pro Jahr werden.

Das Fahrzeug läuft in Indien auch als "Nano" oder "1-Lakh Car". Lakh ist eine umgangssprachliche Abkürzung für 100.000 - der Wagen soll dort 100.000 Rupien kosten (umgerechnet etwa 1.800 Euro). Die internationale Bezeichnung des Wagens lautet "People´s Car", übersetzt also nichts anderes als "Volkswagen". In Indien soll er noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Er hat schon im Vorfeld einer international bislang wenig beachteten Automesse zu weltweiter Aufmerksamkeit verholfen. Die Delhi Motor Show findet alle zwei Jahre statt und ist Indiens führende Automesse. Es werden mehr als eine Millionen Besucher erwartet. Tata Motors präsentiert sich zusammen mit Fiat Indien auf einem 5200 Quadratmeter großen Stand. Neben dem People´s Car und neuen PKW werden dort vor allem Nutzfahrzeuge präsentiert, darunter LKW, Minitrucks, Pickup sowie neue Busse, die in Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Unternehmen Marcopolo entstanden sind.

Tata Motors ist Indiens größter Automobilhersteller, landesweit die Nummer Eins bei Nutzfahrzeugen und Nummer Zwei bei Personenwagen. Mehr als vier Millionen Tata-Autos rollen laut Hersteller über Indiens Straßen. Weitere Märkte sind Afrika, der Mittlere Osten, Südostasien, Südamerika und Europa. Das Unternehmen ist ein Joint-Venture mit Fiat eingegangen und vertreibt unter dem Fiat-Label Fahrzeuge in Indien. Zu Tatas PKW-Portfolio gehören neben dem Indica der Indigo und ein SUV namens Safari. Der Indigo, auch als Kombi-Version SW erhältlich, wird von einem 1,3-Liter Benziner mit 85 PS oder einem Turbodiesel mit 70 PS angetrieben. Der Indica V2 ist Indiens meistverkaufter Diesel-PKW und verfügt über zwei Airbags und ABS. Allein im Dezember wurden bei Tata fast 48.000 Autos gebaut, knapp 10 Prozent davon waren für den Export bestimmt. Im November lief das ein Millionste Fahrzeug auf der Indica-Plattform vom Band.

Quelle: Autoplenum, 2008-01-18

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