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Testbericht

Stefan Grundhoff, 5. Mai 2009
Manche Autos sind Genussmittel. Zum Beispiel der Audi S8. Wer das Klotzen liebt, das Kleckern verabscheut und eine der perfekteste Arten der automobilen Fortbewegung sucht, kommt bei ihm ins Schwärmen.

CO2, hohe Kraftstoffkosten und alternative Antriebe - das sind die aktuellen Themen. Doch es wäre töricht zu glauben, dass jeder Autofahrer bei der Wahl seines Wagens allein vernünftige Maßstäbe ansetzen würde. Nicht jeder, der gerne schnell fährt, ist gleich ein Raser. Und nicht jeder Sportler will mit ausladenden Schwellerpaketen protzen. Früher und stärker als die Konkurrenz verpasste Audi seinen Modellreihen eine besonders sportliche Note. Die Krone trägt seit Jahren der Achter mit dem "S" im Namen. So harmlos der S8 auch aussieht: Er hat Suchtpotential ab dem ersten Meter.

Wenn etwas beeindruckt, dann ist es seine Lässigkeit. Ein Aufschneider sieht anders aus - und fährt sich anders. Doch mit einem wie dem S8 sollte man sich auf der Straße besser nicht anlegen. Bei der elegant gezeichneten Karosse von 5,06 Metern Länge fallen die 20 Zöller in den Radhäusern kaum ernsthaft ins Auge. Der hellgraue Kühlergrill dürfte allenfalls Audi-Experten auffallen. Und selbst die vierflutige Auspuffanlage sollte unbedarfte Zeitgenossen kaum auf die Idee bringen, dass hier auch ein Hauch Rennwagen steht.

Der Norditaliener würde für einen Volksauflauf sorgen und der Sound die Anwohner an die Fenster treiben. Doch obwohl in ihm ein ähnlich starkes Herz schlägt wie im Lamborghini Gallardo gibt es nichts von all der Aufmerksamkeit für den S. Dabei ist er sportlicher als die sportlichsten AMG-Limousinen aus Affalterbach - und genau das, was BMW als M7 seit Jahre immer wieder in der Schublade verschwinden lässt. Optisch wird man dem S8 auch nach der jüngsten Modellpflege kaum verfallen. Aber schön und elegant ist er allemal. Im Innenraum das gleiche Bild. Die Ingolstädter-Neckarsulmer Kombi-Limousine setzt in Design und Verarbeitung nach wie vor Maßstäbe. Auch die junge Mercedes S-Klasse konnte ihn nicht vom Thron stoßen und der neue 7er BMW wird es gegen Audis Achter schwer haben. Immer wieder ein Genuss, nach dem Einschalten des Soundsystems zu beobachten, wie die Bang & Olufsen-Hochtöner aus der Armaturentafel gleiten. Ein Showeffekt ohne großen Tiefgang, klar, aber ddem folgt ein Hörgenuss, der fast an den Klang eines Konzertsaales heranreicht.

Edelgraues Leder wohin das Auge auch blickt. Innenhimmel und Dachsäulen sind gegen 3.745 Euro Aufpreis mit handschuhweichen Alcantara überzogen. Kostet sicher ein paar Kilogramm extra – egal, sieht aber klasse aus. Ein Druck auf den Starterknopf - und man nimmt das lässige Fauchen des Zehnzylinders mit Wohlwollen zur Kenntnis. Der S8 ist auf dem Sprung, bereit zu jeder Schandtat. Mit ihm macht das schnelle Schnellfahren besonders viel Spaß. Auf langen Touren mit langen Kurven und endlosen Geraden wächst die Lust auf den S8 mit jedem Kilometer. Kein Gedanke an die 15 bis 23 Liter, die durch die Horde an Einspritzdüsen donnern, wenn der viertürige Bolide im Grenzbereich fährt. Die zehn Bremmkammern geben auf Wunsch alles – zumindest bis Tempo 250. Ab da hat Audi dem Kraftprotz seine Zähne gezogen. Überflüssig ist eine derartige Kastration in dieser Klasse allemal - das Gewissen sollte beim Kauf eines S8 ohnehin mindestens ebenso geschärft sein wie das Bankkonto.

Für den Einstieg in die S8-Liga sind mindestens 100.800 Euro fällig. Dafür gibt es nicht nur dezenten Sportluxus, sondern eine Luxusausstattung, die kaum Wünsche offen lässt - und sich trotzdem weit über die 130.000-Euro-Marke pressen lässt. Allein das teuerste Sonderlederpaket kostet fast 17.000 Euro Aufpreis. Peinlich, dass in dieser Liga Selbstverständlichkeiten wie Autotelefon (1.465 Euro), Einparkhilfe (ab 770 Euro), Reifenkontrolle (565 Euro) und TV-Empfang (1.280 Euro) für Audi nicht selbstverständlich sind.

Wer im S8 sitzt, hat ohnehin anderes im Sinn. Von 0 auf 100 km/h in fünf Sekunden - das ist bei mehr als zwei Tonnen Leergewicht nicht nur beeindruckend. Der Allradantrieb hilft dem S8, sodass die Kraft ungemein lässig auf die Straße kommt. Der 5,2 Liter große Zehnzylinder verfügt über 450 PS. Durch die Benzindirekteinspritzung stehen knapp 90 Prozent des maximalen Drehmoments von 540 Nm bereits unter 2.500 Touren zur Verfügung. Wie würde sich der S8 nur treiben lassen, wenn er einen Turbo hätte? Die optimale Keramikbremse (8.125 Euro) zeigt in den Bergen und bei hohen Tempi ihre Klasse: Im Komfortbereich und bei langsamen Geschwindigkeiten sind die Stahlteller jedoch die bessere Wahl. Einzig die Lenkung ist für ein sportliches Auto dieser Kategorie zu leichtgängig. Etwas mehr Rückmeldung von der Vorderachse würde gerade bei schnellen Richtungswechseln mehr Pluspunkte geben. Ab Werk rollt der Audi S8 auf Aluminium-Gussrädern im Parallelspeichen-Design. Ihre Dimension: 9 J x 20. Die Breitreifen haben das Format 265/35 R 20.

Im Fond könnte die Feder-Dämpfer-Abstimmung gerade bei groben Fahrbahnunebenheiten etwas feinfühliger sein. Hier kommt auch die sportliche Luftfeder an ihre Grenzen. Trotzdem kann man mit dem S8 nicht nur rasend schnell, sondern auch ungemein komfortabel reisen. Mehr Komfort bietet nur die Stuttgarter Doppelspitze aus Mercedes S 63 AMG und S 65 AMG. Sportlicher sind allein BMW M5 und der noch kompromisslosere Maserati Quattroporte GT-S. Man ist in dieser Liga eben gerne unter sich und begrüßt sich mit einem dezenten Kopfnicken.

Quelle: Autoplenum, 2009-05-05

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