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Testbericht

Sebastian Viehmann, 24. Mai 2008
Maserati spitzt den Dreizack an: Der GranTurismo S ist das sportliche Top-Modell, kommt aber optisch zurückhaltend daher. Doch wenn man die richtigen Knöpfe drückt, schält sich ein Wolf aus dem Schafspelz.

Im italienischen Bermuda-Dreieck sind Ferrari und Lamborghini fürs Posen und Protzen zuständig. Maserati spielt eher die Rolle des Schönlings, der seine Muskeln unter feinstem Edelzwirn verbirgt. Da man die betörende Pininfarina-Karosse der Asphalt-Diva GranTurismo wahrscheinlich nur verschlimmbessern könnte, bekommt das neue Sportmodell dezent verstärkte Seitenschürzen, einen winzigen Heckspoiler, ovale Auspuffendrohre und siebenarmige 20-Zoll-Felgen in stilisiertem Dreizack-Design. Auf das nahe liegende S-Logo verzichten die Italiener - nur ein Schriftzug über dem Handschuhfach weist auf das Top-Modell hin.

Im Cockpit lässt man sich in straffen Schalensitzen aus Poltrona-Frau-Leder und Alcantara nieder und wundert sich über den fehlenden Schalthebel. Der wurde durch zwei Tasten für den ersten und den Rückwärtsgang sowie durch Schaltwippen am Volant ersetzt. Der auf 4,7 Liter Hubraum gewachsene V8 des GTS hat 35 Pferdchen mehr im Stall und 30 Newtonmeter mehr Drehmoment als der normale GranTurismo – nicht gerade viel im Vergleich zu den Sport-Modellen der Konkurrenz. Ein BMW M6 etwa bringt es auf 507 PS, der Mercedes SL kann mit bis zu 612 PS dienen. Schließlich bleibt in dieser Fahrzeugklasse Leistung ein wichtiges Verkaufsargument.

"Höhere PS-Zahlen mögen ja einen kommerziellen Mehrwert haben - aber am Ende des Tages zählt das nicht", meint Giorgio Cornacchia, Chef der Technik und Entwicklung bei Maserati. "Wir wollen den GranTurismo-Charakter behalten. Der Wagen soll einfach zu fahren sein, auch bei langsamem Tempo. Wir haben uns vor allem auf Drehmoment konzentriert und nicht auf Leistung", sagt er.

Natürlich ist der GTS auch mit "nur" 440 PS ein enorm schnelles Auto. Er rennt in 4,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 295 km/h. Bei Vollgas presst der Italiener seine Piloten so kraftvoll und souverän in die Sitze, wie es sich für einen sportlichen GranTurismo mit Hinterradantrieb gehört. Doch während man etwa bei einem Lamborghini manchmal das Gefühl hat, jemand tritt einem ins Kreuz, läuft im Maserati alles eine Spur zarter ab. Beim Kickdown lässt sich der Wagen ein wenig Zeit, bevor er voranschnellt. Dafür gibt es keine durchdrehenden Antriebsräder, und der Maserati bringt seine Kraft auch ohne Allradantrieb kontrolliert auf die Straße.

Der GTS hat ein neues, elektrisch betätigtes Sechsganggetriebe an Bord. Das kann man rein automatisch schalten lassen - oder im manuellen Modus mit den Schaltwippen am Lenkrad selbst Hand anlegen. Per Sport-Taste wechselt man zudem in den MC Shift-Modus. Ab 5500 Touren und bei 80% Gaspedalstellung verkürzt sich die Schaltzeit durch das teilweise Überlappen der Schaltphasen auf 100 Millisekunden. Das sorgt beim Überholen für einen ununterbrochenen Kraftschub.

Untermalt wird das ganze von einer grandiosen Soundkulisse. Denn im Sport-Modus werden Klappen in der Nähe der Endrohre pneumatisch verstellt. Damit geht der vorher gereinigte Abgasstrom nicht den zur maximalen Schalldämpfung nötigen verschlungenen Umweg, sondern wird auf direktem Wege nach außen geleitet. Das erzeugt ein tiefes Grollen, das in engen Häuserschluchten ein kraftvolles Echo produziert. Bei Italienern scheint dieser Schlüsselreiz einen angeborenen Maserati-Reflex zu wecken, was die vielen hochgereckten Daumen während der Testfahrt erklären würde. Auf Knopfdruck reduziert sich das Grollen binnen weniger Sekunden wieder auf den gewohnten seidig-schnurrenden Sound.

Das Handling des 1,9 Tonnen schweren Wagens ist trotz des hohen Gewichts ausgezeichnet. Die Transaxle-Bauweise (Motor hinter der Vorderachse, Getriebe vor der Hinterachse) ermöglicht eine optimale Gewichtsverteilung (47% vorn, 53% hinten), die im Vergleich zum GT um 10% härteren Stoßdämpfer sorgen für eine straffe Straßenlage. Die Hochleistungs-Bremsanlage, deren Scheiben aus einem Verbund von Aluminium und Gusseisen hergestellt und mit Monoblock-Bremssätteln mit sechs Bremskolben kombiniert sind, lässt sich gut dosieren.

127.330 Euro muss man für einen GTS auf den Tisch legen - doch Kunden gibt es reichlich. Die Geschäfte laufen gut für die italienische Nobelmarke. In den ersten vier Monaten 2008 stiegen die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr um 45% auf 3000 Stück. Eine wachsende Rolle spielen dabei "Emerging Markets" wie China. „Auf dem chinesischen Markt ist Exklusivität der Schlüssel", sagt Maserati-Vertriebschef Raffaele Fusilli. Die Kunden seien meist jung, anspruchsvoll und "sehr, sehr, sehr reich". Chinesen "möchten ihren Erfolg zeigen. Wenn sie bei einer Party vorfahren, stehen da schon genug Porsche vor dem Haus. Mit einem Maserati kann man sich von anderen abheben", weiß Fusilli um die Psyche seiner Kunden. Und das geht schließlich auch ohne 500 PS.

Quelle: Autoplenum, 2008-05-24

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