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Testbericht

Stefan Grundhoff, 21. Juni 2014
SUV-verliebt? Dieser Trend begann vor mehr als sechzig Jahren in den USA mit dem Chevrolet Suburban. Dessen kleiner Bruder Tahoe ist kaum weniger gigantisch und in den USA ein Massenmodell wie bei uns VW Tiguan und BMW X1.

Die Amerikaner haben es gerne ein paar Nummern größer. Dicke Burger, gigantische Bundesstaaten, mächtige Supermärkte und nicht enden wollende Highways zaubern vielen Erstbesuchern noch immer Zifferblattgroße Pupillen ins Gesicht. Das sieht bei Autos nicht anders aus. Kleinwagen sind in der breiten Masse nach wie vor verpönt, werden belächelt und negiert. Stattdessen geben Fullsize-Pick-Ups wie der Bestseller Ford F-150 oder Chevrolet Silverado nicht nur im mittleren Westen den Ton an. Bei den SUV sieht es nicht anders aus. BMW X5, VW Touareg oder Mercedes ML sehen auf den Straßen von Los Angeles, Denver oder Boston aus wie mickrige Mittelklassemodelle. Kein Wunder, dass Range Rover und Mercedes GL prächtig laufen, Audi und BMW jetzt große SUV nachlegen.

Das mächtigste SUV-Doppelpack kommt von Chevrolet und heißt je nach Ausstattung und Radstand Tahoe oder Suburban. Einst waren die beiden Modelle praktische Lastesel mit Langstreckenqualitäten. Die Langversion Suburban ist seit Jahrzehnten unter anderem in mannigfaltig-schwarzer Auflage im Fuhrpark des amerikanischen Präsidenten vertreten. Schwer gepanzert schützt eine kleine Armee von Suburbans "The Beast", die Staatslimousine von Barrack Obama und seinen Vorgängern.

Wer es etwas ziviler mag und auf den langen Suburban-Radstand verzichten kann, der bekommt nicht nur nach europäischen Maßstäben beim Chevrolet Tahoe große Augen. Der 5,18 Meter lange Allradler erscheint mindestens genauso üppig dimensioniert wie der ihm seinen Namen gebende See auf der bergigen Grenze zwischen Kalifornien und Nevada, drei Stunden nordwestlich von San Francisco. Mit seiner opulenten Front mit gigantischen Doppelscheinwerfern, LED-Strahlern und Chromzierrat sieht der Tahoe aus, als sei er tagesaktuell den Filmarbeiten zum neuesten Transformers-Streifen entsprungen.

Erscheint der kantige Nordamerikaner auf den ersten Blick aus einer vergangen Zeit, in der "size matters" die einzige Maßgabe war, so hat in Sachen Komfort und Sicherheit mittlerweile die Neuzeit Einzug gehalten. Wie man es aus den USA kennt, bewegt sich alles, was beweglich ist, elektrisch und zeigt so, wohin auch in Europa die Reise gehen wird. Alle drei Sitzreihen lassen sich elektrisch bedienen, auf- und wegklappen; andere Motoren bedienen Kofferraumklappe oder Pedale. Ein Schalterdruck und ein paar Sekunden Zeit genügen und der Siebensitzer mutiert zu einem gigantischen Transporter für zwei mit rund 2.700 Liter Laderaum.

Der Aufenthaltswert im Chevrolet Tahoe ist gigantisch. Ungeliebte Familienmitglieder werden einfach auf die Einzelsitze in Reihe drei verfrachtet. Hier können diese munter vor sich hin schnattern, während dies vorne niemanden nennenswert stört. In Reihe zwei wird aller Voraussicht nach sowieso auf dem Bildschirm ein Film gesehen oder mit iPad oder Tablet im Web gesurft. Der Tahoe verfügt über eine eigene LTE-Funkwabe und mehr USB-Anschlüsse als der heimische Computerhub. Auf langen Reise ist die LTZ-Variante nur schwer zu schlagen. Das Geräuschniveau ist angenehm gering, das Platzangebot mächtiger denn je und die Komfortdetails von zonengenauen Klimaanlagen und klimatisierten Sitzen bis hin zu Bordentertainment und Becherhaltern, die auch Regentonnen beheimaten können, kennen kaum irdische Grenzen.

Dabei hat sich der GM-Konzern weitgehend vergeblich bemüht, dem Chevrolet Tahoe mehr Wertigkeit mitzugeben. Denn Cockpit, Anzeigen, Bedienmodule, Kunststoffoberflächen oder selbst Lederdetails wirken zumindest nach europäischen Maßstäben allzu künstlich. Wertig oder edel? Eher nicht, denn schließlich soll der Chevrolet Tahoe zu Preisen ab 45.000 Dollar beim Händler stehen. Das merkt man auch bei Fahrwerk und Antrieb, dem schnell anzumerken ist, dass der Chevrolet Tahoe für den US-Markt gemacht ist. Der 5,3 Liter große Achtzylinder nimmt sich trotz Zylinderabschaltung bei flotter Gangart gerne einen üppigen Schluck aus dem Tank. Die größte Effizienzmaßnahme ist das Fahrwerk, denn wirklich ambitioniert möchte mit diesem Geländekreuzer trotz 265 kW / 360 PS und 513 Nm maximalem Drehmoment niemand unterwegs sein. 0 auf Tempo 100 schafft er in neun Sekunden und die Geschwindigkeit wird bei 200 km/h abgeregelt. Insofern zeigt sich der über 2,5 Tonnen schwere Geländewagen im amerikanischen Alltagsbetrieb als sparsamer denn erwartet. Die in Aussicht gestellten elf Liter Normalkraftstoff lassen sich so fast realisieren; immer wieder untermalt vom 5,3 Liter V8-großen Triebwerk, das Downsizing-Trends lässig hinwegbrabbelt.

So sehr der mächtige Amerikaner Körper und Geist selbst im dichten Berufsverkehr der San Francisco Bay Area auch entspannt, so sehr nerven auf den ersten Kilometern das lieblos abgestimmte Fahrwerk, die gefühllose Lenkung, die den Piloten zu einem Busfahrer werden lässt. Hinzu kommt ein sechsstufiges Automatikgetriebe, dessen Drehmomentwandler fast so viel Tatendrang schluckt wie das gigantische Kühlfach, das der heimischen Gefrierkombination kaum nennenswert nachsteht. In den USA ist eben alles ein paar Nummern größer. Und wem der komplett ausgestattete Chevrolet Tahoe 5.3 V8 LTZ für umgerechnet rund 45.000 Euro nicht reicht: der große Bruder Suburban hat noch eine ganze Ecke mehr Platz und kann ebenfalls Anhänger bis zu einem Gewicht von vier Tonnen ziehen - falls die rollende Etagenwohnung auf 22-Zoll-Rädern doch einmal nicht reichen sollte.

Quelle: Autoplenum, 2014-06-21

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