Der Käfer begleitet uns nun seit über 20 Jahren. Gekauft 1986 als elfjähriges Auto von einer alten Dame, die nicht mehr autofahren wollte. Als ich von der Möglichkeit hörte, einen der letzten in Deutschland produzierten Käfer zu kaufen, fuhr ich sofort hin und habe - für damals doppeltes Geld den Kauf getätigt. Ich zahlte 3.000 DM für den Wagen - vergleichbare Käfer ähnlichen Alters waren um 1500 DM zu haben.
Warum so viel?
Als ich die Fahrertüre in der beheizten Garage öffnete, roch es ganz eigen - ein Geruch, den ich noch kannte, und vergessen glaubte. Nach Klebstoff, nach Kunststoffen. Er erinnerte mich an den Käfer, den mein Vater 1965 neu gekauft hatte.
Das war unfassbar: der elf Jahre alte Wagen roch wie ein Neuwagen. Ich guckte auf den Tacho - 6.700 Kilometer gefahren.. (k)ein Wunder..
Als ich anderntags den Wagen abholen kam, bedauerte die alte Dame bereits, dass sie mir den Wagen verkauft hatte - ihr Neffe hatte mit ihr geschimpft, und ihr Tankwart war sauer: alle waren sie spitz auf diesen Käfer gewesen - aber er war nun meiner..
Den Wagen bewegte ich über 15 Jahre im Alltag - selbst als ich Chef von über 300 Mitarbeitern einer Fertigung war, fuhr ich mit dem Käfer vor . Er brauchte immer um die sechs Liter Normalbenzin.
OK - der Käfer war immer Zweitwagen - meine Frau fuhr in der Regel das Familienauto, meist einen Passat. Mit den Jahren machte das Käferchen dann ca. 150.000 Kilometer, weitestenteils ohne einen Muckser. Einzige größere Reparaturen waren gleich zu Anfang die Lichtmaschine -ich hatte beim Ausparken aus der Garage keine geladene Batterie dabei; die fast leere Batterie zog soviel Strom, dass gleich anfangs die Lichtmaschine defekt ging. Mein Fehler. Dann brauchte der Wagen einmal rundum neue Bremsbeläge.
Und mit den Jahren fünf Auspuffanlagen..
Bis ich das mit der Auspuff-Wechselei alle zweidrei Jahre leid war - immer das gleiche, ich lernte doch daran nichts mehr. So besorgte ich mir vor dem nächsten Wechsel eine Edelstahl-Anlage: ich fand per großem Zufall eine gebrauchte alte englische Piper-Sportauspuffanlage mit Betriebserlaubnis. Die war mit 600 DM absolut kein Sonderangebot.. Aber die Anlage besteht aus hochwertigem V4A-Stahl. Die wird nun in den nächsten 300 Jahren wohl nicht mehr durchrosten.
Das Ende der dussligen Schrauberei an immer den gleichen Teilen..
Als ich dann längere Strecken zur Arbeit fahren musste, nutzte meine Frau den Käfer. Bis sie es eines Tages leid war, dass die Scheiben des Käfers im Winter so stark beschlugen. Sie wollte ein besseres Winterauto..
OK - ich kaufte ihr einen älteren Golf. Als der Golf vor der Türe stand, guckte sie mich an und sagte: Du - wir haben zwei Führerscheine - aber hier stehen drei Autos herum..
Mach was!, so verstand ich die Anweisung..
;-)
Ich verkaufte den Käfer. Tränenden Auges. An eine junge Geschäftsfrau, die mit dem Wagen Reklame für ihr Büro machen wollte. Sie wollte auch - Geschäftsfrau eben - den Kaufpreis noch senken. Ich stimmte dem zu, mit einer Nebenbedingung: wann immer sie sich von dem Käfer wieder trennen wolle, müsse sie mir eine Chance geben..
Der Käfer entschwand meinen Augen..
Zwei Jahre später kam der Anruf - ob ich noch an dem Käfer interessiert sei??
.. der habe nun allerdings einen Motorschaden..
Ich hatte den Wagen schon verdrängt. Plötzlich hüpfte mir das Herz im Leibe. Außerdem - Motorschaden? Wo gibts denn sowas? (Bei den stärkeren Käfern ist das gelegentlich aufgetreten, dass ein Auslassventil abriss und in den Keller fiel - Kolben zerschlagen, Motorschaden. Sowas Übles kannte ich vereinzelt vom 1300er, 1303 usw. , aber doch nicht vom 1200er Sparkäferchen mit 34 PS.. )
Das interessierte mich. Motorschaden? Beim 1200er??
Das kann irgendwie nicht sein..
Hingefahren. Mich über die blitzsaubere, originale Neulackierung in Phoenixorange gewundert. Die war nicht schnellschnell oder billig hingerotzt, nee, das war eine richtig gute Arbeit geworden - OK, die aufgeklebten Werbe-Schriftzüge habe ich ignoriert. Und hatte eine dicke Öllache unter dem Wagen entdeckt. Ja, sprach die Besitzerin, der Käfer brauche jetzt leider alle Naselang eine Büchse Öl. Der pinkle das Öl dann immer auf die Straße.. Der Motor sei wohl kaputt..
Was war? Bei Ventileinstellarbeiten hatte der Schrauber ihres Vertrauens die Deckeldichtung auf einer Seite nicht richtig montiert. Mit jeder Rechtskurve pinkelte ein knapphalbes Pinnchen Öl aus der undichten Stelle. Das schärfste: es lag noch von mir unter dem Fahrersitz in einem Schuhkarton eine neue Korkdeckeldichtung. Die Behebung des Motorschadens dauerte eine halbe Minute - das war zuhause blitzschnell geschehen.
Dann kann die Preisfrage: was mir denn das Auto nun wert sei? Ich guckte sie an: Ich habe 300 Euro bei mir.. Da protestierte sie - sie habe den Wagen neu lackieren lassen, dann über den Tüv gebracht (eine kleine Schweißarbeit an der Beifahrertürseite). Also 300 Euro seien ihr dann doch zu wenig, 500 müssten es schon sein..
Ich stimmte zu.
Der Käfer war wieder in meinem Besitz. Mit dem damals 13jährigen Sohnemann auf dem Beifahrersitz fuhr ich das Käferchen heim. Wir beide über alle acht Backen grinsend. Überglücklich. Dieser Geruch.. Dieser herrliche Sound.. Die Madame kam mit dem 110-PS-Passat gar nicht hinterher, so fröhlich und beherzt gab ich Gas.. Ein kräftiges Kerlchen, der Käfer..
Seither hatte der Käfer noch zweimal den TüV gesehen. Dann aber, beim dritten Mal, mit zwei der üblichen Schäden alter Käfer versagt: die Einstiege müssen geschweißt werden, und die Vorderachse muss ersetzt werden.
Das lasse ich dann machen, wenn eines der Alltagsautos uns im Stich lassen will. Dann muss der Käfer wieder ran. Dann kommt er mit seiner sonoren Piper-Soundanlage wieder auf die Straße. Ein Sound, der sich statt 34 nach mindestens 234 PS anhört..
;-)
Ein topfittes Autochen, das allen Betrachtern immer nur die ganz breiten Mundwinkel des Grinsens beschert. 33 Jahre ist er jetzt alt. Er wird dann ein H-Kennzeichen bekommen. Ganz ohne diese blöden Plaketten wird er auch in diese dussligen Umweltzonen hineindürfen - ein echter Oldtimer eben.
Ein Auto, das unsere Familie in den nächsten 33 Jahren bestimmt nicht mehr verlassen soll. Denn der Sohn ist auch schon spitz aufs Käferfahren..
Gut - ein Käfer ist kein sehr sicheres Auto. Aber Sicherheit ist relativ - abgesehen von den vielen Idioten und Rowdies im Straßenverkehr - Sicherheit ist doch als erstes im Kopf des Fahrers zu suchen. Oder?
Gut - der Käfer hat keinen Katalysator. Er kann aber durchaus mal einen bekommen: die Motoren der Mexico-Käfer mit 47 oder 50 PS passen. Dann würden (und müssten) auch Scheibenbremsen vorn Einzug halten - noch fährt er original mit Trommelbremsen rundum. Gut - der Innenraum ist eng. Aber gemütlich - bis auf die allzu billigen Stoffpolster, die damals, als die Käferfertigung von Wolfsburg nach Emden umziehen musste, das günstigste Auto von VW, den Sparkäfer, verunzierten: Volkswagen wollte seine Kunden wohl dahin erziehen, sich nun den Golf zu kaufen. Da hat VW erstmals übel an der Qualität gespart. Die Käfer vor Baujahr 1974 waren besser. Käferfahren war mega-out.
Die Polsterstoffe sind verschlissen - es werden Sportsitze hineinkommen, und die originalen Sitze werden beiseite verstaut.
Dieser Käfer hatte rundum eine Hohlraum-Versiegelung bekommen - es war zwar nicht für die Ewigkeit, aber es brauchte fast 30 Jahre, bevor er irgendwo durchrostete. Jeden Käfer kann man immer wieder flottmachen - er ist mit seinem Plattformrahmen sehr leicht zu reparieren, auch mit besseren Heimwerkermitteln. Es gibt weiterhin alle Ersatzteile, und teils in besserer Qualität als zuvor. Wenn einem ein Käfer zu lahm ist, kann man ihn flottmachen - bis zu 200 PS sind gut machbar. Ich aber würde - bis auf eine bessere Innenausstattung und den deutlich kräftigeren Kat-Motor - das Original bevorzugen. Das Problem mit den beschlagenen Scheiben im Winter ist auch einfach zu lösen: Standheizung, Eberspächer. Es liegt schon eine bereit..
Nun ist Käferfahren mega-in.
Nun muss nur noch einer der TDI kaputtgehen - soll ich sagen, ich würde mich vielleicht sogar freuen? Um wieder mit dem Käferchen unterwegs zu sein. Quer zum allzu schnellen Zeitgeist - für die Freude am Unterwegssein, auch am Langsamsein - gut schauen zu müssen, wann die Lücke wirklich groß genug ist, einen LKW zu überholen, ohne die Schnelleren zu nerven - ..
..diese Freude am Erleben - dieser Sound, wenn ich durch die Altstadt fahre - der Schall von den Häusern zurückgeworfen .. im Tunnel am Bahnhof - suuper..
Herrlich.
Käfer. Der läuft und läuft und läuft. Auch nach über dreißig Jahren. Ein Erlebnis für die Sinne. Fürs Herz. Automobile Lebensfreude pur. Und für ganz kleine Talers: er verliert keinen Wert mehr, er gewinnt. Jeden Tag.
Ein Käfer eben.