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Testbericht

13. Juli 2005
München, 4. Mai 2005 – Zu groß, unhandlich, getrieben von Trunksucht und übertrieben affektiert: Die Liste der Kritikpunkte über die Corvette ist fast so lang wie ihre prominente Schnauze. Spätestens seit der Stingray von 1968 und den darauf folgenden Generationen war sie vor allem hierzulande eines: Geschmackssache. In den USA stets eine Ikone der rasanten Fortbewegung, neigten deutsche Sportwagenkunden mit gehobenen Ansprüchen doch meist zum Kauf stilvollerer Boliden europäischer Provenienz. Die Corvette galt vielen schlichtweg als eine obszöne Protzkiste.

Die neue Corvette. Aufgerüstet für Europa Optisch und technisch hat die neue, nunmehr sechste Corvette-Generation mit dem Zusatzkürzel C6, durchaus das Zeug in der Euro-Zone wieder mehr zu punkten. Mit kompakteren Außenmaßen, phänomenaler Leistung zum günstigen Preis und der zugleich harmonischen wie aggressiven Optik, könnte der kraftstrotzende Ami hierzulande wieder mehr Interesse wecken. Auch das Fahrerlebnis liefert eine Reihe guter Gründe für die neue Corvette. Wir haben das seit Anfang 2005 erhältliche Coupé getestet.

Samesame, but different Sportwagentypisch tief fällt man in den reinrassigen Zweisitzer und findet auf den elektrisch verstellbaren Ledersitzen problemlos eine bequeme Position. Höchstens Fahrer mit einem schmächtigen Kreuz könnten sich noch mehr seitliche Umklammerung wünschen. Die etwas kurze Beinauflage und das große Lenkrad gehören zu den weiteren Unabänderlichkeiten des schlichten aber gut verarbeiteten Innenraums. Applikationen aus Metall, Karbon oder Holz könnten dem Ambiente im Fahrgastraum zu mehr Attraktivität verhelfen. Doch bei der Materialanmutung bieten Amis traditionell kein Edel-Finish. Immerhin hat das Interieur im Vergleich zur bisherigen Corvette deutlich gewonnen. Der Fahrer blickt wie beim Vorgänger C5 auf ein wuchtiges Cockpit mit sechs Rundinstrumenten. Ebenfalls bietet die Corvette weiterhin viel Platz für zwei Passagiere, die dank breiter Mittelkonsole deutlich voneinander getrennt knapp über dem Asphalt thronen.
Auf Knopfdruck Understatement Ein attraktives Novum der Generation C6 ist die automatische Innenraumentriegelung, sobald man sich samt Zündschlüssel dem Fahrzeug nähert. Der Sechsliter-V8-Motor wird zudem einfach per Knopfdruck zum Leben erweckt. Das hubraumstarke Aggregat überrascht: Statt mit markiger Klangkulisse, verrichtet das Kraftwerk seine Arbeit unerwartet dezent. Die martialisch gestaltete, vierflutige Auspuffanlage macht tonlich auf Understatement. Der objektive Vorteil: Die Corvette nervt ihre Umwelt nicht mit übertriebenem Macho-Sound wie zum Beispiel ein 911er. Der subjektive Nachteil: Nicht jeder Passant dreht sich sofort nach dem Ami-Schlitten um. Doch keine Angst: Die neue Corvette ist alles andere als weichgespült. Beim Anfahren wird sofort klar, dass der Frontmotor enorme 404 PS ziemlich schroff an die Hinterräder wuchtet.

Giftig, durch und durch Dank des üppigen Hubraums ist der Schub des V8-Triebwerks von katapultartiger Natur. Die Corvette hat beim Ampelsprint deshalb kaum Gegner zu fürchten – zumindest unter den vierrädrigen Mobilen. Und so bestätigt sich wieder einmal die altbekannte Weisheit: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum. 4,2 Sekunden von null auf 100 km/h – so die theoretische Ansage von Chevrolet. Subjektiv gefühlt dürfte die Hard-Corvette ziemlich nah an diese Fahrleistungen heranreichen. Mit nur wenigen Drehzahlen hämmert sie fast so brutal nach vorne wie die mit einem Achtliter-V10 bestückte Dodge Viper. Die Performance der Corvette ist zudem von ähnlich grober Natur. Trotz Fahrstabilitäts- und Traktionskontrolle suchen die 285er-Hinterreifen auf 19-Zoll-Alus verzweifelt nach Halt, krallen verzweifelt um jeden Millimeter Haftung und sind in diesem Kampf stets die Unterlegenen. Ein Schlenker mit dem Lenkrad nach links und zugleich ein beherzter Tritt aufs Gaspedal lassen das Heck mit einem deutlichen Satz nach rechts driften. Kurzum: Adrenalin pur.

Eindrucksvoll, trotz alter Technik Mit modernster Motorentechnik kann der Chevy-V8 hingegen nicht beeindrucken. Nur zwei Ventile pro Zylinder werden von zwei unten liegenden Nockenwellen über Stößelstangen getrieben – Technik, die fast nur noch in Museen, aber kaum noch auf der Straße zu bewundern ist. Dennoch: Der Schub, gänzlich ohne Turbolader oder Kompressor, ist phänomenal. Die 546 Newtonmeter aus dem Smallblock liegen bereits bei 4.400 Umdrehungen an. Zwar stets druckvoll, könnte der Motor dennoch bei der Gasannahme spontaner und drehfreudiger reagieren. Außerdem bleibt ein gewisses Maß an Alltagstauglichkeit auf der Strecke: Die Gänge der manuellen Sechsgang-Schaltung verlangen beim Einlegen Nachdruck. Das richtige Spiel mit straffer Kupplung und mit dem Gaspedal will geübt sein. Oft wird man den Startknopf nochmals drücken und muss das Anfahren wie damals in der ersten Fahrstunde einüben.

Was ihr wollt: Sparsam oder durstig Erstaunlich ist angesichts der Leistung der moderate Verbrauch. Beim Rennen von der einen bis zur nächsten Ampel ist der Durst zwar recht üppig. So bewegt sich im Stadtverkehr der Spritkonsum zwischen 15 und 20 Litern. Doch kann man die Corvette auf der Autobahn im Sparmodus fahren. Dank einer besonders langen Übersetzung fährt man bei 130 bis 140 km/h mit knapp unterhalb von 2.000 Umdrehungen pro Minute. Bei dieser Reisegeschwindigkeit gehen auf 100 Kilometer weniger als zehn Liter Normalbenzin durch die Einspritzdüsen. Und selbst bei schnell gefahrenen Autobahnetappen bleibt der Verbrauch noch unter 15 Liter. Insgesamt haben wir auf unseren über 3.000 Testkilometern einen Durchschnittsverbrauch von 12,2 Litern gemessen.

Die Hard-Corvette Der Kompromiss aus sportlicher Straßenlage und Komfort ist bei der Corvette hingegen nicht ganz überzeugend. Das Fahrwerk fühlt sich – zumindest auf unebenen Straßen – eine Terz zu hart an, während auf der Autobahn der Federungskomfort okay ist. Trotz dieser sportlichen Härte ist die Corvette aber nicht überragend handlich. Ein weitgehend unproblematisches und harmonisches Kurvenverhalten wie ein 911er oder Maserati Coupé bietet sie nicht; obwohl sie dank der Transaxle-Bauweise eine nahezu optimale Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse bietet. Das fast schon träge Einlenkverhalten und eine vergleichsweise mäßige Präzision lassen beim flotten Ritt durch enge Kurven Wünsche offen. Die Corvette ist zwar kein Spielverderber bei ambitionierter Fahrweise. So beeindruckt der US-Sportler mit einem neutralen Kurvenverhalten. Doch beim Gasgeben in der Kurve kann das Heck leicht einmal ausbrechen. Für den Könner bietet sie bei ausgeschalteten ESP somit die Option kontrollierter Drifts, die jedoch nicht im öffentlichen Straßenverkehr geprobt werden sollten.

Keine Angst bei 300 Sachen Die Karosserie ist für ein nach oben offenes Fahrzeug erstaunlich verwindungssteif. Zusammen mit den groß dimensionierten und kräftig zupackenden Bremsen lassen sich auf einer freien Autobahn die angesagten 300 km/h tatsächlich ausfahren ohne das – zumindest fahrwerksseitig – große Unsicherheit aufkommt. Sehr hilfreich für Hochgeschwindigkeitsaspiranten ist das Headup-Display. So hat man die steigende Geschwindigkeit gleichzeitig mit der zunehmend enger werdenden Fahrbahn im Blick. Eine ganz vorzügliche Figur macht die Corvette als flotter Gleiter. Niedrige Drehzahlen, ein erstaunlich geringes Geräuschniveau, die entspannte Sitzposition und die permanent vorhandene Kraft sind ihre großen Vorzüge. Etwas nervig ist jedoch das Knacken und Knistern aus verschiedenen Richtungen. Nun, es handelt sich ja auch um ein Cabriolet.

Verdeck ab und ab ins Heck Der Wechsel in den Offen-Modus gestaltet sich bei der Corvette übrigens etwas umständlich. Zunächst muss man drei Riegel im Innenraum umlegen, um dann das neun Kilogramm schwere und sperrige Verdeck aus seiner Verankerung zu heben und in den Kofferraum zu bugsieren. Eine Person braucht hierfür zumindest etwas Übung und Muskelkraft. Am besten und bequemsten funktioniert das mit zwei Leuten. Offen wird es dann aber mit der Kommunikation etwas schwierig. Die Verwirbelungen im Innenraum und der Geräuschpegel werden jenseits der 100 km/h sehr hoch. Ein Mercedes SLK ist selbst bei doppelter Geschwindigkeit erträglicher. Das Dach findet übrigens neben diversen Gepäckstücken im großzügigen Kofferraum Platz. Insgesamt passen in das Gepäckabteil 634 Liter. Der große Stauraum ist jedoch sehr lang und flach und damit für sperrige Güter nicht wirklich geeignet. Außerdem kann das Gepäck bei einer Vollbremsung leicht in den Fahrgastraum fliegen.

Preiswert aber nicht billig In den USA ist die Corvette mit 44.150 US-Dollar richtig günstig. Umgerechnet sind das nur knapp über 34.000 Euro. Doch vom niedrigen Dollarkurs profitieren deutsche Kunden nicht. Die offiziell in Deutschland von Kroymans vertriebene Corvette kostet mindestens 61.450 Euro. Viel Geld für ein Auto, dass auch im Unterhalt nicht gerade billig ist. Die Versicherungseinstufung ist in jedem Fall happig. Doch andererseits bietet kein anderer Hersteller so viel Leistung bei so wenig Kosten. In der Liga der Sportwagen, die weniger als fünf Sekunden für den 100-km/h-Spurt brauchen, ist nur der Opel Speedster Turbo günstiger. Dieser braucht jedoch 4,9 Sekunden.

Alternativen: Viper und M5Für eine Fahrleistung knapp über vier Sekunden werden in der Regel deutlich über 100.000 Euro fällig. So gesehen ist die Corvette ein echtes Schnäppchen. Etwas schneller und angesichts der Leistung ebenfalls günstig ist die bereits erwähnte Dodge Viper mit 105.000 Euro. Doch ist der US-Konkurrent noch unhandlicher, grobschlächtiger und unpraktischer. Auf der anderen Seite bietet sich als Alternative der neue BMW M5 für 86.000 Euro an. Die Bayern-Rakete ist zwar nicht ganz so antrittsstark, dafür aber um einiges besser zu fahren und zudem eine besonders alltagstaugliche Limousine mit zugegeben etwas rauen Trinksitten.
Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Anzahl Gänge:manuelles 6
Getriebe:Schaltgetriebe
Motor Bauart:V-Motor vorn längs eingebaut
Hubraum:5.967
Anzahl Ventile:2
Anzahl Zylinder:8
Leistung:297 kW (404 PS) bei UPM
Drehmoment:546 Nm bei 4.400 UPM
Preis
Neupreis: 61.450 € (Stand: Mai 2005)
Fazit
Die neue Corvette dürfte vor allem Freunde besonders leistungsstarker Sportwagen ansprechen. Und diese Leistung ist gar nicht mal teuer: 404 PS für 61.450 Euro – wahrlich ein attraktives Angebot. Zumal der US-Bolide gegenüber dem Vorgänger deutlich gewonnen hat: Die Baureihe C6 ist schöner geworden, besser zu fahren, komfortabler und bietet zudem weiterhin viel Charakter. Ihr immer noch brutales Wesen kann beeindrucken, wird aber andererseits wohl nicht jeden Geschmack treffen. Dafür sind die Fahrleistungen enorm, der Verbrauch noch moderat, die Unterhaltskosten hingegen hoch.

Für die Corvette spricht außerdem ihr variables Dach. Wer auf das offene Fahrvergnügen nicht verzichten will, geschlossen eine bemerkenswert leise Dachkonstruktion und zudem einen großen Kofferraum wünscht, findet in der Corvette ein fast ideales Fahrzeug. Nachteilig ist jedoch das hohe Geräuschniveau im Offen-Modus und das in der Handhabe etwas umständliche Targa-Dach. (mh)

Quelle: auto-news, 2005-07-13

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