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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 5. Mai 2014
Alle reden nur vom Golf, doch auch der VW Polo wird nächstes Jahr 40 Jahre alt. Höchste Zeit für eine Reise in die Vergangenheit.

Wo ein Golf, da auch ein Polo. Diese Prämisse hatte im VW-Universum schon vor fast 40 Jahren Bestand. Daher rühren auch die beiden Modellbezeichnungen, die auf Sportarten Bezug nehmen. "Bezahlbare Mobilität" lautete die Vorgabe an die Entwickler. Gesagt getan. Herausgekommen ist der VW Polo, der 1975 seine Premiere feierte. Der "Typ 86", so der interne Code, teilte sich die Technik mit dem luxuriöser ausgestatteten Audi 50, überlebte aber den Bruder aus Ingolstadt um drei Jahre. Erst 1981 wurde die Produktion des kleinen Wolfsburgers eingestellt.

Zuvor gab es noch 1979 ein Facelift, bei dem vor allem die Stoßstange verändert wurde. Die war jetzt aus Kunststoff. Auch das Interieur präsentierte sich nun etwas wertiger. Schließlich war der Polo in der Basisversion ziemlich spärlich ausgestattet: Türverkleidungen aus Pappe und eine Drahtschlinge als Gaspedal machten damals schon nicht sonderlich viel her. Der Preis für das Einstiegs-Modell betrug 1975 7.500 D-Mark (etwa 3.834 Euro). Da der Polo zunächst nur als Zweitürer zu haben war, legte VW 1977 noch eine Rucksack-Version mit vier Türen auf Kiel. Was dem Golf recht war, war dem Polo billig: Derby hieß der Polo-Passat.

Da steht nun ein Vertreter dieser Historie. Graue Maus? Von wegen. Der Polo L, Baujahr 1977, fällt auf. Das liegt zum einen an der Farbe des Lacks. "maritimblau" und zum anderen an der kantigen Karosserie, die nur noch selten in "freier Wildbahn" zu sehen ist. Ist dieser Initialschock erst einmal überwunden, hat man in diesem Klassiker aus Wolfsburg eine Menge Spaß und erlebt einen automobilen Sprung in die Vergangenheit. Das geht schon beim Einsteigen los. Die Tür wiegt fast nichts und fällt nicht wirklich satt ins Schloss. Das ist kein Wunder, da das ganze Auto ein Leichtgewicht ist. Aber dem Oldtimer mit den verträumten Kulleraugen verzeiht man alles.

Innen bietet der 3,51 Meter lange Wolfsburger erstaunlich viel Platz. Zumindest vorne. Die Rückbank war wohl eher was für die Fahrt in die Disco. Ganz genau! Der Polo 1 kannte noch Schlaghosen, Glitzerkugeln, "Saturday Night Fever" und John Travolta. Der Innenraum verströmt dagegen wenig Glamour, könnte aber eine Fallstudie für zukünftige Bedienkonzepte sein: kein Hebel-Salat, keine Drehrücksteller, sondern lediglich zwei Drehknöpfe für Luftstromverteilung und Wärme. Dazwischen befindet sich ein Kippschalter für den Ventilator. Wer mehr Kälte will, kurbelt einfach das Fenster herunter. Sogar das alte Radio funktioniert noch prächtig. Der Preis für das Fahrzeug betrug damals 8.325 D-Mark. Das sind rund 4.256 Euro.

Die Startprozedur ist eine Rückkehr in eine längst vergessene Zeit. Der 0,9-Liter-Motor muss mit einem Choke bei Laune gehalten werden. Der Umgang mit dem Zieh-Stift, gehörte früher zum täglichen Brot eines jeden Autofahrers. Der Hinweis auf diesen Erfahrungsschatz beruhigt die leicht angespannten VW-Männer sichtlich. Rollt der Polo erst einmal, verwandelt sich der Alltagsstress in große Entspannung. Das 40-PS-Reihenvierzylinder-Triebwerk unterdrückt alle Rennfahrer-Ambitionen mit seinem hellen Timbre. Nicht Kampflinie, sondern Gleiten heißt die Maxime. Das klappt mit dem Motörchen ausgezeichnet. Da der Polo nur 685 Kilogramm wiegt, braucht es auch nicht mehr Kraft. Die Spitzengeschwindigkeit von 132 km/h ist locker autobahntauglich. Auf Landstraßen schwimmt der Oldtimer souverän im Verkehr mit. Klar würden die Sitze heute wohl kaum das Siegel der "Aktion Gesunder Rücken" bekommen, aber wirklich unbequem sind sie nicht und in Kurven kann man sich ja immer noch an dem großen Lenkrad festhalten.

Die Bremskombination -vorne Scheiben, hinten Trommeln - käme bei mehr Power auch ziemlich ins Schwitzen. So haben die 145er Reifen nicht das geringste Problem mit dem kecken Polo. Ergänzt wird das Paket durch ein Vierganggetriebe mit langem Stock. Das Schalten erinnert ein bisschen an das Stochern mit einem Pürierstab, aber auch daran gewöhnt man sich nach einiger Zeit und die Gänge flutschen locker und lässig hinein. Ähnliches gilt für das Lenkrad, das mit dem dünnen schwielenfördernden Kranz zunächst für haptische Albträume sorgt. Auch die fehlende Servo-Unterstützung fällt nach ein paar Fahrminuten kaum mehr auf. Trotzdem: Beim Rangieren braucht man etwas Schmalz in den Armen. Das gilt übrigens auch für die Beinmuskeln. Die werden auch beim Verzögern benötigt, das ganz ohne Bremskraftverstärker gelingen muss. Doch hat man sich einmal mit diesen Gegebenheiten angefreundet - und das geschieht wirklich schnell - ist die Fahrt in dem Polo ein echtes Vergnügen. Das Problem ist nur, dass die erste Verzögerung in einem modernen Auto zur Vollbremsung mutiert und die anderen Verkehrsteilnehmer sich wundern, warum man herzhaft lacht.

Quelle: Autoplenum, 2014-05-05

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