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Testbericht

17. September 2014
Kopenhagen, 18. September 2014
Diese Horden von Radfahrern! Massenhaft und gut gelaunt zischen sie durch Kopenhagen. Umso mehr muss ich aufpassen, denn meine schwere dunkle Mercedes S-Klasse hört man nicht, weil sie elektrisch fährt. Richtig gelesen: Die Lieblings-Limousine von Vorstandsbossen und Staatschefs mutiert jetzt nämlich zu einer Art noblen Toyota Prius. Vorhang auf für den neuen S 500 Plug-in-Hybrid!

Experimentierfeld S-Klasse
Ungewöhnliche Lösungen auf Druck des Gesetzgebers haben bei der S-Klasse durchaus Tradition: Ende der 1970er-Jahre steckte man für die USA den ersten Pkw-Turbodiesel überhaupt unter die Haube, um den Flottenverbrauch zu senken. In eine ähnliche Richtung zielt über drei Jahrzehnte später der S 500 Plug-in-Hybrid. Mercedes weist darauf hin, dass die Zielvorgaben für den Flottenverbrauch immer schärfer werden: 2020 schreibt die EU 95 Gramm im Durchschnitt vor, die US-Behörden 144 Gramm und in China sollen es 120 Gramm sein. Schlecht für einen Hersteller, der nicht wirklich auf Kleinwagen setzt. Also wird Mercedes ausgehend vom S 500 Plug-in-Hybrid noch viele weitere Baureihen unter Strom setzen (Anfang 2015 folgt die C-Klasse mit Stecker). Und damit ist die Sache dann geritzt?

Die Menge machts
So einfach ist es aber doch nicht. Denn im Beispiel des EU-Flottenverbrauchs ist nicht allein der CO2-Ausstoß ausschlaggebend, sondern auch die verkaufte Stückzahl. Weil diese bei unserem S 500 Plug-in-Hybrid eher überschaubar sein wird, ist er nicht der ultimative Weltretter, wie ihn Mercedes nach außen darstellt. Vielmehr nützt die Sauber-S-Klasse etwas in Kalifornien, wo die Luftreinhaltung penibel überwacht wird oder in London, wo Fahrzeuge mit weniger als 75 Gramm CO2 keine City-Maut zahlen müssen. Auch in chinesischen Großstädten laufen ähnliche Bestrebungen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Öko-S-Klasse hat relativ wenig Auswirkungen auf den EU-Flottenverbrauch (zumal sie 200 Kilogramm schwerer als ein normaler S 500 ist), aber schaden kann sie diesbezüglich natürlich auch nicht.

Voll unter Strom
Soweit die Theorie, kommen wir zur Praxis. 8,7 Kilowattstunden beträgt der Energieinhalt des Lithium-Ionen-Akkus, der sich mit 96 Liter Volumen und 114 Kilogramm Masse im Kofferraum breit macht. Das reicht für 33 Kilometer rein elektrische Fahrt. Meine erste Route führt mich über 17 Kilometer, hauptsächlich in der Stadt, aber auch über eine auf 110 km/h limitierte Autobahn. Kein Problem für den S 500 Plug-in-Hybrid: Bis zu 140 km/h schnell kann der Wagen rein elektrisch fahren. Schwach wirkt er dabei keineswegs, der saubere Durchzug mit Strom beeindruckt vor dem Hintergrund des fetten Gewichts (also nicht meines, sondern das des Autos). Dabei fällt auf, wie sehr im E-Modus plötzlich Nebengeräusche ans Ohr dringen, die ich sonst kaum wahrnehme: Abrollgeräusche der Reifen, aber auch die Unterhaltung der Radfahrer neben mir. Trotzdem dürften die Passagiere im Fond diese Ruhe schätzen, denn den S 500 Plug-in-Hybrid gibt es nur als Langversion. Ein dezenter Hinweis auf die geschätzte Kundschaft in China.

Flexibel laden
Nun gut, ich greife lieber selbst ins Steuer und blicke an meinem Ziel auf die Batterieanzeige: 15 Prozent der Kapazität sind noch übrig. Ob das für die versprochenen restlichen 16 Kilometer noch reichen würde? Fürs Aufladen gibt es mehrere Möglichkeiten: Zwei Stunden an der Wallbox, bis zu vier Stunden an einer Haushaltssteckdose und in Zukunft vielleicht auch das induktive Laden ganz ohne Stecker.

Flach gedacht
Meine nächste Etappe führt mich mit vollem Akku über 163 Kilometer durch die Stadt, über Land und über die Autobahn. Freilich über ziemlich plattes Land zwischen Kopenhagen und Malmö, denn auch Mercedes weiß, dass der S 500 Plug-in-Hybrid in den Alpen deutlich schneller leergezuzzelt wird. Unterwegs sind wir im Hybrid-Modus mit dem Fahrprogramm E+. Damit sollen die S-Klasse die Möglichkeiten des Hybridantriebs zwecks maximaler Effizienz ausnutzen. So wird im Schubbetrieb nach Möglichkeit gesegelt oder beim Auflaufen auf ein vorausfahrendes Fahrzeug dank Radarunterstützung schon früh rekuperiert. Ist im Navigationssystem eine Route eingegeben, wird außerdem der Streckenverlauf genutzt, um die Batterie aufzuladen, etwa bei Bergabfahrten. Leider hat es in Dänemark und Schweden nicht so furchtbar viele Berge, dafür viele Tempolimits, die uns entgegenkommen. Wer freilich in Deutschland unbegrenzt über die Autobahn ballern will, sollte a) den S-Modus mit elektrischer Boost-Funktion aktivieren oder b) sich besser eine Diesel-S-Klasse besorgen.


Zwiespältiges Ergebnis

Kraftvoll und leise gleite ich dahin und muss häufig auf den Drehzahlmesser schauen, um zu sehen, ob der V6-Benziner mit 333 PS nun an ist oder nicht. Die Übergänge beim Umschalten zwischen den Motoren sind weich, nur wer genau die Ohren spitzt, bemerkt den Kraftschluss. Apropos Kraft: Die hat der S 500 Plug-in-Hybrid mehr als genug. Eine Systemleistung von 442 PS befördert den Wagen bei Bedarf in 5,2 Sekunden auf Tempo 100. Zugunsten eines möglichst niedrigen Verbrauchs verzichte ich auf Vollgas. Trotzdem steht am Ende meiner Tour ein Wert von 7,5 Liter zu Buche. Sicherlich kein schlechter Wert für solch einen schweren und luxuriösen Brocken. Aber eben auch weit entfernt von den offiziellen 2,8 Liter respektive 65 Gramm CO2.

Rollende Steuererklärung
Sogar Mercedes selbst gibt zu, dass der Realverbrauch in der Regel über diesem Wert liegt. Hinzu käme ein Fahrerfaktor von 30 Prozent. Aber man sei ja nicht schuld an der Misere: Das NEFZ-Prüfverfahren bestimmen nicht die Autohersteller, sondern der Gesetzgeber, heißt es wörtlich. Das mag sein, aber Mercedes und Co. sind sicherlich auch nicht unglücklich über die daraus resultierenden Fabelwerte. (Zum Vergleich: Porsche feiert die 3,1 Liter seines Panamera S E-Hybrid.) Es ist wie bei der Steuererklärung: Man ist gezwungen, sie zu machen und keiner blickt so richtig durch. Im Gegenzug wird im Rahmen des Legalen "optimiert", weil der Gesetzgeber diese Lücken lässt. Anders formuliert: Autos mit Plug-in-Antrieb sind der "Große Konz" des Automobilbaus. Denn für die Elektroreichweite des S 500 Plug-in-Hybrid von 33 Kilometer darf Mercedes 56 Prozent von den 149 Gramm pro Kilometer des Verbrennungsmotors abziehen, macht unter dem Strich 65 Gramm.

Günstig trotz teuer?
Ordentlich rechnen heißt es auch bei der Anschaffung: In der deutschen Preisliste hat Mercedes den umweltfreundlichen 500er clever positioniert. Mit 108.945 Euro kostet er exakt soviel wie der "normale" S 500 mit 455 PS in der Langversion. Wer nur auf den Verbrauchswert schielt, kann den S 350 Bluetec mit 258 Diesel-PS in Erwägung ziehen. Er ist nicht nur bei der Leistung weit entfernt von den 500ern, denn er steht verlängert schon für 86.454 Euro bereit. Aber: Einen stärkeren Selbstzünder gibt es nicht.
Technische Daten
Antrieb:Hinterradantrieb
Anzahl Gänge:7
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Benziner mit Bi-Turboaufladung
Hubraum:2.996
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:6
Leistung:245 kW (333 PS) bei UPM
Drehmoment:480 Nm bei 1.600 - 4.000 UPM
Preis
Neupreis: 108.945 € (Stand: September 2014)
Fazit
Ist der Mercedes S 500 Plug-in-Hybrid nur ein grünes Feigenblatt für einen Hersteller größerer Fahrzeuge? Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Aber Mercedes meint es ernst mit dem Steckdosen-Hybrid und will bis 2017 zehn neue Modelle mit diesem Antrieb auf den Markt bringen. Zwar geschieht das nicht unbedingt aus freien Stücken, aber die Marke ist in diesem Bereich konsequenter als ihre Mitbewerber. Hierzulande könnte der S 500 Plug-in-Hybrid jene ansprechen, denen der 350er-Diesel (oder der S 300 Bluetec Hybrid mit Vierzylinder-Diesel) zu schwach ist, bei Dienstwagen aufs CO2 schauen müssen oder relativ wenig fahren. In den klassischen Otto-Märkten USA und China hingegen wird die Strom-S-Klasse ihre Freunde finden. + leise und komfortabel, im Verhältnis akzeptabler Verbrauch - hohe Abweichung zum Normverbrauch
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2014-09-17

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