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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 23. August 2016
Ein kleiner Zulieferer verweigert die Herausgabe von Sitzbezügen und schon stehen bei Volkswagen die Bänder still. Auch wenn der Zulieferstreit vom Tisch scheint, zeigt dieser Vorfall, wie fragil das Zusammenspiel zwischen den Automobilherstellern und den Teilelieferanten ist. Fällt ein Glied der Lieferkette aus, sind die Folgen katastrophal und Millionenverluste unvermeidlich.

Der Getriebeteile-Spezialist "ES Automobilguss" und der Sitzbezug-Lieferant "Car Trim" waren bis vor ein paar Tagen nur Eingeweihten der Automobilbranche ein Begriff. Ebenso die "ASA Prevent Group" mit Sitz in Bosnien Herzegowina, zu der die beiden Automobil-Lieferanten gehören. Mittlerweile kennt fast jeder Zeitungsleser diese Namen und bringt damit eine unrühmliche Episode in der jüngeren Volkswagen-Geschichte in Verbindung. Weil beide Firmen die Lieferung von Teilen einstellten, standen bei Europas größten Autobauer die Bänder still. Erst nach 19stündigen Verhandlungen war der Streit vom Tisch. Der setzte per Gerichtsentscheid die Zustellung der dringend benötigten Elemente durch. Dennoch bleiben einige Fragen. Die erste lautet, warum ein Zulieferer einen derartigen Streit vom Zaun bricht und sich vermutlich für Jahre hinaus verbrennt. Die einen schieben VW die Schuld in die Schuhe und behaupten, dass sie ihre Probleme auf die Zulieferer abwälzen. Die anderen behaupten, dass die Zulieferer in den Streik gingen, weil sie bei zukünftigen Projekten nicht berücksichtigt wurden. Das Landgericht in Braunschweig folgte den Argumenten des Autobauers und erließ eine einstweilige Verfügung, die die beiden Firmen zur Herausgabe der Teile verdonnert.

Ganz ungetrübt ist das Verhältnis zwischen den Kunden und den Teilelieferanten schon lange nicht mehr. Letztendlich geht es um die Frage, optimale Qualität zu einem möglichst niedrigen Preis zu bekommen. Es gibt Ausschreibungen, bei denen sich die Zulieferer um den Zuschlag eines solchen millionenschweren Auftrags bewerben. Damit ist es aber noch lange nicht getan. In der Automobil-Industrie ist Usus, dass es regelmäßig, oft alle zwölf Monate, neue Verhandlungsrunden gibt, bei denen der Preis gedrückt wird. Da geht es um Cent-Beträge, die aber bei Aber-Millionen von Teilen eine große Summe ausmachen. Der VW-Markenchef Herbert Diess war als Einkaufs-Vorstand bei BMW bei Continental, Bosch Co als harter Hund bekannt, der das letzte Cent aus den Zulieferern herausquetschte. Das Prinzip ist einfach und problematisch. Der Autobauer drückt die Preise der unmittelbaren Zulieferer und die geben diesen Druck an ihre Lieferanten weiter. In Branchenkreisen spricht man von "Tier 1"-Zulieferern, die ganze Module oder Systeme bereitstellen wie etwa Bosch, Continental oder ZF. Die großen Unternehmen sind ihrerseits wieder abhängig von Produzenten, die kleinere Bauteile zur Verfügung stellen, das sind dann die Tier-2- bis Tier-5-Zulieferer. Das geht runter bis zu kleinen Schrauben und Muttern.

Bei einer derart langen Kette ist "Liefertreue" das entscheidende Geschäftsprinzip. Es werde Verträge geschlossen und die müssen sklavisch eingehalten werden. Erfüllt ein Zulieferer seine Aufgabe nicht, kann das desaströse Auswirkungen haben, wie jetzt im Fall VW gesehen. Dieses Problem der Automobil-Industrie ist allerdings hausgemacht. Um Prozesse zu optimieren und Geld einzusparen, hat man die großen Vorhalte-Lager abgeschafft, in denen Teile bereitstanden, um Liefer-Engpässe abzufedern. "Just-in-Time" (dt: gerade noch rechtzeitig) heißt das Prinzip, nach dem Autos gefertigt werden. Das bedeutet im Grunde nichts anderes, als das die LKWs mit den benötigten Teilen erst dann an den Fabriken andocken, wenn die Elemente in der Produktion gebraucht werden.

Dieses auf Kante genähte Fertigungsprinzip funktioniert nur so lange, wie alle Glieder der Lieferkette ihre Aufgabe pflichtbewusst erfüllen. Gibt es einen Ausfall, bricht das fragile System zusammen. Wie jetzt im Falle von VW geschehen. Normalerweise haben die Autobauer immer mehre Zulieferer, die bereitstehen, einen etwaigen Produktionsengpass auszugleichen. Ein Beispiel sind die Autoreifen. wenn es aber um ganz spezielle Teile, wie Sitzbezüge geht, war das bislang nicht nötig und auch schwer möglich, weil diese ja maßgeschneidert sind. Das wird sich jetzt ändern. Doch eines ist klar: Auch wenn VW juristisch recht bekommt, bleibt auch ein Schatten auf dem Königreich in Wolfsburg. Vor fünf Jahren wäre ein solches Szenario noch undenkbar gewesen. Aber der Riese wankt und die "Untertanen" begehren auf. Außerdem wird das Verhältnis zwischen Zulieferer und Autobauer durch solche Affären nicht besser.

Quelle: Autoplenum, 2016-08-23

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