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Testbericht

Jürgen Wolff, 28. Januar 2008
Er ist Kult. Und Sportgerät. Und offen erst recht ein himmlisches Vergnügen. Dass ihn sich nur wenige leisten können, macht seinen Mythos nur noch stärker - den Porsche 911 Carrera 4 als Cabrio.

Daran haben auch Boxster, Cayenne und selbst der Cayman nicht wirklich etwas ändern können: Wer "Porsche" hört, denkt meistens an den 911. Der Klassiker aus Zuffenhausen macht den Kern der Legende aus. Und das zu recht: Wenn er auch technisch nur noch Grundprinzipien wie den Boxer im Heck mit seinem Urahn von 1964 gemeinsam hat - der Anspruch und die Seele sind über all die Jahrzehnte gleich geblieben. Ein Porsche, so war immer das Bestreben, sollte für die Rennstrecke ebenso taugen wie für den Wochenendausflug über die Landstraßen. Sport- und Kultgerät in einem, Fahrspaß pur garantiert. Letzteres gilt besonders für das 911er Cabrio. Der Renneinsatz auf der Nordschleife - da läßt er lieber seinen Brüdern aus der Coupé-Fraktion die Vorfahrt. Aber in Sachen Lustgewinn ist diese wunderschöne Fahrmaschine kaum zu übertreffen. Schiere Kraft, bulliger Sound und reine Lust am Fahren mit dem Wind im Haar. Perfekt. Man muss noch gar nicht drinnen sitzen, um der Faszination hoffnungslos zu erliegen. Schon die Heckansicht mit den breit ausgestellten Radkästen sorgt für Hormonausschüttung - die Allradversion schwingt sich gar noch 44 Millimeter weiter nach Links und Rechts. Und keine Bange: "Die paar Millimeter" nimmt man sehr wohl wahr. Unter den sexy Seitenbacken warten überbreite Walzen darauf, endlich losstürmen zu dürfen.

Also Tür auf und einsteigen. War es früher für Porschefahrer ratsam, spätestens bei 1,75 Meter Körpergröße mit dem Wachstum aufzuhören, so finden nun auch Zeitgenossen mit Gardemaß bequem Platz auf den vorderen Plätzen. Im Porsche vorzugsweise links. Lenkrad und Sitze lassen sich perfekt einstellen, die Ledersitze gleiten bei Bedarf auch richtig weit nach hinten. Und wer mit seinem Hintern nur gepresst in die Sitzschale eines GT3 passt, der wird in der zivilen Genußversion Carrera 4 keine solchen Probleme haben. Breitensport mal anders. Dabei sorgen die körpergerechten Sitze ebenso für perfekten Seitenhalt wie für ermüdungsfreies Fahren auch über hunderte von Kilometern.

Im Innenraum dominieren hochwertige und perfekt verarbeitete Materialien. Bis hin zu den Ziernähten an Sitzen und Armaturenbrett ein Genuss für Augen und Tastsinn gleichermaßen. Ein paar Eigenheiten gehören zur Legende. Das Zündschloss links vom Lenkrad beispielsweise. Oder dass der Drehzahlmesser mittig im Blick des Fahrers liegt - und der Tacho "nur" daneben. Was nervt, das sind dagegen die fummeligen Mäusetasten an der Mittelkonsole - zu viele, zu schwer zu treffen, mitunter auch nicht gerade sehr robust. Das Doppel-Bänkchen in der zweiten Reihe taugt nicht wirklich zum Sitzen - nicht mal quer. Aber es erweist sich als willkommener Stauraum. Der eigentliche Kofferraum vorne unter der Haube ist zwar bei weitem nicht so mickrig, wie Porschehasser gern behaupten - selbst eine Getränkekiste samt Einkaufstüten läßt sich (mit etwas Bücken) problemlos verstauen. Aber allzu sperriges sollte man doch besser in den Zweit-Kombi packen. 105 Liter Stauraum sind eben nur Kleinwagenformat. Ach ja: Ein paar Ablagen für Kleinkram hätten wir uns auch noch gewünscht.

Eine halbe Drehung des Zündschlüssels erweckt den Boxer im Heck zu dumpf brabbelndem Leben. Ja, genau so klingt ein Porsche. Sechs Zylinder haben die Porsche-Ingenieure zwischen die Hinterräder gepackt - gut für 325 PS. Das reicht für alle Lebens- und Straßenlagen. Der einzige Nachteil des Porsche-Boxers: Man sieht so wenig von ihm. Während andere Sportwagenhersteller ihre Wunderwerke unter große Hauben packen oder gleich hinter Glas, presst Porsche die 3,6 Liter Hochleistung in eine Abstellkammer, die eher an den Motorraum des Käfers erinnert, Christopherus hab' ihn selig. Denn verstecken muss sich der Porsche-Motor natürlich nicht. Kraftvoll und kultiviert treibt er den Carrera in jedem Drehzahlbereich voran - kann allerdings auch nicht verhehlen, dass ihm die hohen Touren die liebsten sind. Die 370 Nm Drehmoment liegen schon bei 4500 U/min an - und da ist noch lange nicht Schluss. Das Leichtbaukonzept des Cabrios sorgt dafür, dass jedes PS nicht allzu viel Auto bewegen muss. Entsprechend über jeden Zweifel erhaben die Schwindel erregenden Fahrwerte: Von 0 auf 100 km/h in 5,2 Sekunden, Schluss ist erst bei 283 km/h - die Selbstbeschränkung auf 250 gilt für einen Porsche nicht. Auch eine Tradition.

Dem Fahrwerk macht so viel Kraft zu keiner Zeit die geringste Mühe. Die breiten Walzen krallen sich in den Asphalt - der Allradantrieb, der je nach Fahrsituation bis zu 40 Prozent der Kraft an die Vorderräder schickt, sorgt mit für perfekten Grip. Mit dem aktiven Dämpfungssystem kann man auf Knopfdruck zwischen Komfort- und Sportabstimmung wählen. Im Sportmodus klebt der Porsche selbst in schnell gefahrenen Kurven auf der Straße. Die Dämpfer sind bockelhart, der Motor reagiert empfindlicher auf Bewegungen des Gaspedals. Der 4x4-Antrieb sorgt immer für neutrale Kurvenfahrt. Sorry, Jungs, die Zeiten sind vorbei: Einen Porsche flott zu fahren ist heute keine große Kunst mehr. Man muss es schon sehr wild treiben, um einen 911er aus der Spur zu bringen. Und zur Not regelt die Elektronik zu großen Optimismus wieder ein - spät, aber rechtzeitig. Selbst im Sportmodus. Die Lenkung gehört zur Extraklasse. Sie reagiert direkt, zielgenau und präzise und läßt den Fahrer nie darüber im Unklaren, über welchen Grund er gerade fliegt. Und die Schaltung? Der Hebel für die sechs ausgezeichnet abgestimmten Gänge fliegt nur so durch die Kulisse - sehr präzise, sehr knackig und mit kurzen Wegen.

Für längere Fahrten ist die Komforteinstellung die angenehmere Wahl - und allemal sportlich genug. Der Carrera rollt weicher und harmonischer. Und jetzt geht's an die frische Luft: Cabrio fahren ist Gleiten auf hohem Niveau - nicht unbedingt Kurven fressen. Die Komfort-Abstimmung macht den 911er zum idealen Cabriolet. Ein Druck auf den Wippschalter - und vollautomatisch gleitet das hochwertige Stoffverdeck binnen 20 Sekunden zurück in die Versenkung oberhalb des Motors. Dazu muss man nicht unbedingt auf den Seitenstreifen: Das Klappdach läßt sich bis Tempo 50 öffnen. Praktisch - und ein unbezahlbarer Show-Effekt.

Aber eigentlich braucht man kein Publikum - ein offener Porsche ist sich und seinem Fahrer selbst genug. Mit keinem anderen Cabrio ist man dem Himmel so nah. Sanft streicht der Wind durchs Haar, die Welt duftet auf einmal (und stinkt manchmal), jede Tipp aufs Gaspedal wird mit einem prompten Zwischenspurt belohnt, der Fahrer und Beifahrer(in) durchaus sanft in die Sitze drückt. Und natürlich: Offen hört man besser. Den Sound des Motors hinter sich. Alles andere erscheint wie mit einem imaginären Lautstärkeregler zurückgedimmt.

Dass dieses Vergnügen nicht gerade billig ist, macht bei einem Porsche nun mal einen Teil des Reizes aus. Im Fall des Porsche 911 Carrera 4 Cabriolet heißt "nicht billig": 94.279 Euro. Basispreis. Und vielen schönen Dingen in der Aufpreisliste. Aber der Himmel auf Erden hatte immer schon seinen Preis.

Quelle: Autoplenum, 2008-01-28

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