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Testbericht

18. Juli 2011
Mit einem Klassiker der automobilen Menschwerdung durch Berlin zu fahren, ist wirklich aufregend. Im VW Käfer aus 1958 habe ich das Gefühl, als stamme er aus der Zeit der Erfindung des Automobils. Auf jeden Fall aus grauer Vorzeit. Während ich dahinrolle, frage ich mich: Sind wir wirklich einmal so mit unseren genervten Eltern und quengelnden Geschwistern über die steilsten Pässe und kurvigsten Alpenrouten nach Süden gefahren, um in Zeiten des Wirtschaftswunders italienische Lebensart zu genießen? Haben wir oder unsere Eltern wirklich in solchen Autos die Führerscheine bestanden – und ohne die inzwischen selbstverständlichen Sicherheitsextras überlebt? Wundern Sie sich also bitte nicht darüber, dass der Airbag im Lenkrad damals so klein gewesen ist. Es gab noch keinen Airbag. Was wir im Lenkradkranz erkennen, ist das Gegenteil von Airbag. Es ist die Hupe, die bei Crashs sehr aggressiv auf den nicht angegurteten Fahrer einwirken konnte. Passive Sicherheitssysteme waren damals noch nicht ernsthaft angedacht, geschweige denn vorhanden. Ein Blick in die Unfallstatistik zeigt, welchen Fortschritt die Sicherheitstechnik bis heute gemacht hat. Bei meiner Fahrt durch Berlin stelle ich fest: Ein Sicherheitsgefühl ist im alten Käfer so gut wie nicht vorhanden, jedes Abbiegen scheint ein Risiko, die Sicht nach hinten ist mehr gefühlt als gesehen. Als dieser Käfer gebaut wurde, war das Wort Stau in seiner heutigen Dimension noch so gut wie unbekannt, und wir hielten als Kinder 120 km/h und 30 PS für ultimative Spitzenwerte, die zu übertreffen in unserer Vorstellung bestenfalls ein Ami-Schlitten in der Lage gewesen ist. Auch heute halte ich die 30 PS für durchaus ausreichend, sie sind bei meiner Berlin-Fahrt in die Vergangenheit dem Fahrwerk und dem Fahrer angemessen, denn schon bei Tempo 80 habe ich das Gefühl, zu schnell zu sein. Den CO2-Ausstoß seines Autos kannte 1958 wahrscheinlich nicht mal der Konstrukteur, der den Motor entwickelt hat. Die Form in einem Testbericht „geil“ zu finden, hätte damals noch die Sittenpolizei auf den Plan gerufen. Und voll getreten verbrannte der VW-Motor bis zu 14 Liter auf 100 aufregenden Kilometern. Als mein Testwagen vom Band rollte, kostete Benzin um die 50 Pfennig, also etwa 25 Euro-Cent. Gemessen an den damaligen Löhnen und Gehältern war das Tanken, gemessen am Realeinkommen, teurer als heute. Die Fünfziger: Wir fühlten uns stark, fröhlich und unkaputtbar. Wie unser VW Käfer, der bekanntlich nicht nur in der Werbung lief und lief und lief. Sein sympathisch, aber deutlich nach Luftkühlung klingender Vierzylinder, war noch Lichtjahre von heutiger Motorentechnik entfernt und der Erfindung des Automobils 1886 zeitlich irgendwie näher als der Zukunft von heute. Die hat sich längst zum Horizont aufgemacht, wo das elektrische Zeitalter wie ein Sonnenaufgang dämmert. Hoffentlich bleibt das Wetter so schön wie die Aussicht auf diese Zukunft, die länger sein wird als die Vergangenheit. Im VW Käfer zu fahren, der damals eigentlich nur in den USA Beetle genannt wurde, mutet heute ziemlich verwegen an. Die Lenkung arbeitet jenseits aller Präzision: Man kann nur schätzen, wohin die Kurvenfahrt uns führt und muss nach dem Drehen am dürren Lenkradkranz abwarten, um dann trotz großzügigen Spiels der Lenkung zu korrigieren und die gewünschte Richtung anzusteuern. Die Armaturen: Zentraler Tacho, dessen Tempi-Werte hochstapelnd bis 140 km/h reichten, der aber auf der Autobahn selbst bergab stur bei maximal 120 verharrte, als wäre er sich seiner systemimmanenten Unvollkommenheit bewusst. War der Käfer am Ende doch ein mitdenkender „Herbie“, der seinen Fahrer gar nicht erst in Gefahr bringen wollte? Unsinn, klar, aber dieses Auto ist nicht nur im Film ein Charakter-Darsteller, dessen Erfolgsgeheimnis sich auch auf seiner Unzulänglichkeit gründete. Viele seiner Schwächen waren heiß geliebte Stärken. Die Heizung: Es gab eigentlich nur heiß oder kalt. Tankanzeige? Fehlanzeige! Man musste schon genau rechnen, wie viel Benzin noch im Tank war. Der Reservetank konnte von Hand mittels kleinem Hebel geöffnet werden. Möglichst bevor der Motor zu stottern anfing. Als mein Testwagen (siehe Fotos) 1958 als 1200 Export vom Band rollte, kostete er rund 4.200 Mark, und es gab weltweit bereits 2,2 Millionen davon. Am Ende seiner Produktionszeit (in Mexiko wurde er bis 2003 gebaut) waren es sagenhafte 21,5 Millionen! Der Käfer war und ist ein charismatischer Sympathieträger, wie es ihn damals nirgendwo sonst gegeben hat. Klassenlos ist er geblieben, und auch den neuesten Beetle umgibt die Aura gesellschaftlicher Zuneigung. Heute sagen wir soziale Akzeptanz. Dass sein moderner Motor nun ganz anders klingt und mit bis zu 200 PS in Sachen Dynamik wesentlich mehr zu bieten hat, mag uns als Selbstverständlichkeit erscheinen. Dass er nur noch die Hälfte jenes 30-PS-Käfers verbraucht, grenzt da an ein technisches Wunder. Die genormten Verbräuche der Neuzeit reichen von 4,3 Liter auf 100 km im Beetle 1.6 TDI BlueMotion bis zu 7,3 Liter im 2.0 TSI. Der CO2-Ausstoß reicht damit von 112 g/km bis zu 169 g/km. Diese Zahlen aus der Neuzeit beweisen die enorme Entwicklung der Motorentechnologie. Kein Ingenieur hätte sich diese Werte 1958 auch nur träumen lassen. 200 PS haben damals in raren Sportwagen mit dieser Leistung locker 21 Liter pro 100 Kilometer verbrannt. Vielleicht sogar mehr. Es ist mir ziemlich egal, was sich der neue Beetle mit dem aktuellen VW Golf an Technik unter der Karosserie teilt. Dass er mit dem Käfer Baujahr 58 vor allem die Emotionen und die Erinnerung an gute Zeiten, die sympathische Form und seine fröhliche Wesensart gemeinsam hat, ist mir viel wichtiger. Das neue Design verbindet die formalen Ur-Käfer-Attribute mit einem großen Quantum Modernität. Dabei von Retro-Look zu sprechen wäre falsch. Auch der neue Beetle ist ein Original, das aber die genetischen Wurzeln zum alten Käfer sehr schön erkennen lässt. Und er ist wesentlich „käfriger“ geworden als der erste VW Beetle der Neuzeit. Allein das gelungene Interieur mit seinem deutlich weniger tiefen Armaturenträger zur Frontscheibe, wirkt durchdacht, sehr reizvoll und ergonomisch angepasst. Und mit der Klappe vor dem oberen Handschuhfach ist wieder ein Stück Käfer-Vergangenheit implantiert worden. Und – ehrlich: In puncto aktiver und passiver Sicherheit ist mir der moderne Käfer lieber. Das sichere Fahrgefühl im neuen Beetle beweist, wie viel Wissen und Ingenieurserfahrung in all den Jahren in die Sicherheitstechnik geflossen sind. Und es ist ja nicht nur eine gefühlte Sicherheit. Die vielen elektronischen Helfer agieren wie einst Herbie im Film: Sie denken mit, korrigieren gemachte Fahrfehler und machen sehr viel möglich, auch aus kritischen Situationen heil herauszukommen. Mit 200 PS/147 kW ist der stärkste Beetle der aktuellen Modellreihe als 2.0 TSI bis zu 223 km/h schnell, in 7,5 Sekunden lässt er sich auf Tempo 100 katapultieren, was noch in den Achtzigerjahren ein Porsche-911-Wert war. Fazit: War der alte Käfer ein treuer Freund unserer Eltern, ist der neue Beetle der coole Gefährte, mit dem wir gerne zurück in die Zukunft fahren. Oder anders gesagt: Die Vergangenheit hat im neuen Beetle die Zukunft betreten. (Auto-Reporter.NET/Peter Groschupf)      

Quelle: auto-reporter.net, 2011-07-18

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