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Testbericht

Stefan Grundhoff / Jürgen Wolff, 10. Juli 2012
60 Jahre Mercedes SL lassen viel Raum für Legenden, Sternchen, Geschichte und Anekdoten. Doch was kann der Luxusroadster mit dem Stern im Alltag?

Seit sechs Jahrzehnten ist der Mercedes SL auf dem Markt und seit exakt dieser Zeit hat er keinen echten Konkurrenten. Kaum zu glauben, dass es in dieser Zeit kaum jemand ernsthaft versucht hat, dem SL seinen Legenden-Habitus abspenstig zu machen und ihn vom Thron zu stoßen. Das ist beim neuesten Modell nicht anders. Der aktuelle Mercedes SL touchiert das finanzstarken Klientel von Corvette, BMW 6er Cabrio, Aston Martin Virage / DB9 Volante, Porsche 911 Cabrio oder Maserati Gran Cabrio ohne es anzugreifen. Einen wirklichen Konkurrenten sucht man auf den internationalen Märkten vergeblich. Am nächsten kommen ihm noch ein offener Jaguar XK oder vor ein paar Jahren der Lexus SC 430. Bleibt die Frage, wieso es niemand ernsthaft versucht?

Der Mercedes SL ist eine fahrende Legende. Jennifer Hart folgte damit in der TV-Serie "hart aber herzlich" ihrem geliebten Self-made-Jonathan, Patrick Duffy betörte seine trinkfreudige Pam ebenfalls in einem offenen 107er und wenn es in einem Kinostreifen der letzten 30 Jahre einmal ein Bösewicht sein sollte, der besonders edel durch die Landschaft flanierte, fuhr dieser gerne einen Mercedes SL . Nach den betont sportlichen SL-Anfangsjahren hat der Mercedes SL der Baureihe R 107 den größten Anteil an der automobilen Legendenbildung. Dieser wurde von 1971 bis 1989 gebaut und verkaufte sich mit der manuellen Wechselkombination aus Stoffdach und wintertauglichen Hardtop globusweit prächtig. Der Nachfolger R 129 zeigte nicht nur durch sein kantiges 80er-Design eindrucksvoll, dass eine S-Klasse auch nur zwei Türen haben kann und der R 230 war insbesondere eines: der perfekte Roadster im neuen Jahrtausend.

Der noch junge Nachfolger orientiert sich auch optisch überraschend stark an seinem Vorgänger. Kritiker bemängeln das zu ähnliche Design und mäßig eindrucksvolle Innovationen. Die technischen Neuerungen sind mit einem exzellenten Frontbass-System, Wischerblättern aus denen auf Wunsch Wasser eingespritzt wird und einem umfangreichen Sicherheitspaket eindrucksvoll, aber in der Tat mehr als unspektakulär. Je nach Modell haben die Daimler-Ingenieure 110 bis 150 Kilogramm Übergewicht aus dem schicken Luxus-Zweisitzer herausgeholt und dabei leider keine Lösung dafür gefunden, dass sich das elektrische Klappdach nicht nur im Stand bedienen lässt. Wie sehr das nervt, merkt jeder, der einmal mit einem offenen SL unterwegs war schneller als ihm lieb ist.

Der Komfort, mit dem man in einem Mercedes SL der neuesten Generation unterwegs sein kann, ist unerreicht. Sicher, er lenkt besser ein, ist agiler denn je und das Gesamtpaket mit steifer Karosserie ist dynamischer denn je. Dürfte bei dem treuen SL-Klientel aber kaum jemanden ernsthaft interessieren. Denn der SL ist kein Sportler und er will es auch gar nicht sein. Das gilt einmal mehr für den kleinsten SL, der entsprechend seines Hubraums eine 350 in der Nomenklatur trägt. Das V6-Triebwerk läuft leise und zurückhaltend, ist mit 306 PS ordentlich unterwegs und mag trotzdem nicht so recht zu einem SL passen. Die Kraftentfaltung erscheint mäßig, wobei das eher auf Kosten des beeindruckend entspannten Gesamtkonzepts geht, als auf einen unwilligen Antrieb. Man vermisst jedoch die Kraftausbrüche der aktuellen Daimler’schen Achtzylinder, die längst auf Turboaufladungen setzen. Auch bietet er keinen harten Punsch, wie ihn die Reihensechszylinder von BMW bieten, die deutlich hungriger in der Dreiliter-Liga unterwegs sind.

Die Fahrleistungen des SL 350 sind alles andere als enttäuschend und der Verbrauch ist überraschend gering. Denn einen Luxusroadster in dieser Liga mit deutlich unter zehn Litern zu bewegen, ist beim Einsteiger-SL alles andere als ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar liegt der avisierte Normverbrauch von 6,8 Litern Super in weiter Ferne, aber selbst unter neun Litern ist allemal etwas machbar - trotz 3,5 Litern Hubraum, 1,7 Tonnen Leergewicht, 250 km/h Spitze und 225 kW / 306 PS. Das V6-Aggregat leistet klanglich wenig beeindruckend zwischen 3.500 und 5.250 U/min ein maximales Drehmoment von 370 Nm und die Beschleunigung liegt bei durchaus beachtlichen 5,9 Sekunden auf Tempo 100.

Doch nichts gegen die perfekte Fahrwerksabstimmung, die grandiosen Komfortsessel mit Heizung, Kühlung und Nackengebläse, das ebenso übersichtliche wie exklusive Interieur und ein Windschott, das sich auf Knopfdruck hinter den Sitzen ausfährt und Verwirbelungen nahezu vergessen macht. Die Verarbeitung setzt wie bei allen Vorgängergenerationen Maßstäbe und allenfalls bei den Windgeräuschen von Außenspiegeln und Heckscheibe hätte man sich noch mehr Detailverliebtheit der Entwickler wünschen können. Edle Hölzer umschmeicheln Fahrer und den geneigten Passagier. Im Gegensatz zu anderen Daimler-Modellen passen die turbinenartigen Lüftungsdüsen hier vortrefflich und gäbe es nicht die oben aufgesetzte Analoguhr mit ihrem Billigcharme und die silbrig glänzenden Taster an der Mittelkonsole - man würde sich wohl auf immer und ewig in den SL-Innenraum verlieben. Das Be- und Entladen des 241 bis 381 Liter große Laderaums ist bei geöffnetem Dach trotz der Komfortfunktion wenig kommod. Größere Gegenstände müssen ggf. hinter den beiden Sitzen verstaut werden.

Mit dieser Perfektion wird der Mercedes SL auch noch ein paar weitere Jahre den Titel bester Roadster der Welt durch die Lande tragen und neidische Blicke hervorrufen. Doch etwas mehr als ein SL 350 darf es in dieser Liga gerne sein. Gerade auch für einen Basispreis von 93.534 Euro, der in Sachen Komfortausstattung kaum Wünsche zufrieden stellt und in der Aufpreisliste zahllose offene Punkte hinterlässt. Nicht einmal beheizte Ledersitze, Navigation oder abblendbare Spiegel sind bei dem Luxusroadster Serie, wenn er nur sechs Zylinder unter der langen Haube trägt. Doch der Aufstieg zum grandiosen Mercedes SL 500 mit 435 Biturbo-PS ist ein teures Vergnügen. Der startet erst bei 117.096 Euro. Auch das macht ihn irgendwie zur Legende.

Quelle: Autoplenum, 2012-07-10

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