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Testbericht

Stefan Grundhoff, 28. April 2011
Endlich. Lamborghini schickt seinen in die Jahre gekommenen Prachtstier Murcielago in den verdienten Ruhestand. Der Nachfolger heißt Aventador und ist trotz 700 trampelnder Pferde deutlich zahmer als sein Vorgänger. Wenn man will.

Ein Donnern geht an diesem Donnerstagmorgen durch die Region Campagnano, rund 30 Kilometer nördlich von Rom. Es gibt beileibe schönere Ecken in Italien, aber zahlreiche Römer entfliehen der turbulenten Metropole gerade in den heißen Sommermonaten auf der Suche nach Wochenend-Ruhe in diesen beruhigenden Landstrich. Ein Plan, der heute nicht aufgeht. Brüllende Boliden donnert über die Start-und-Zielgerade der Rennstrecke von Vallelunga und biegen nach dem leichten Linksbogen in die schnelle Rechtskurve ein. Für die Anwohner in der Umgebung sind brüllende Motoren nicht ungewöhnlich, denn Rennteams und Autohersteller lassen auf dem Kurs immer wieder einmal die Boliden von der Leine. An diesem Morgen brüllt sich der neue Lamborghini Aventador LP 700-4 von Kurve zu Kurve, immer auf der Suche nach dem kürzesten Weg und den höchsten Tempi. Sein Sound ist wild, das Fahrvergnügen grandios. An das Aussehen eines Lamborghinis hat man sich dagegen längst gewöhnt. Den hätten viele schärfer erwartet.

Wüsste man es nicht besser, es könnte sich beim Aventador LP 700-4 auch um eine aufgefrischte Version des Kleinserienmodells Lamborghini Reventon handeln. Doch Projektmanager Stefano Cossalter wird nicht müde, die komplette Neuentwicklung des Supersportwagens immer wieder zu unterstreichen. Tausende von Fans der norditalienischen Stiermarke hatten seit Jahren auf einen potenten Nachfolger des einst übermächtigen Topmodells Murcielago gewartet. Der wurde auf dem Genfer Automobilsalon im März erstmals vorgestellt. Der 33jährige Stefano Cossalter hat die Geburt des Aventador in den letzten Jahren Schritt für Schritt wie ein stolzer Vater miterlebt. Seine Augen strahlen, wenn er von dem neuen PS-Protz der Marke Lamborghini und dem jungen Team in Sant‘ Agata spricht. Obwohl sein Blut mit Benzin versetzt scheint, fährt er privat einen zahmen Audi A3. Keinen Sportwagen, kein Oldtimer, nichts in der hauseigenen Garage.

Doch er erinnert sich allzu gut an die erste Testfahrt mit dem ersten Prototypen des Lamborghini Aventador auf der Teststrecke in Nardo. „Ich war sofort begeistert. Der Unterschied zum Murcielago war einfach unglaublich“, sagt Stefano Cossalter, „der Aventador war so hart, so steif auf der Strecke. Ich konnte es kaum glauben.“ Nach ein paar Runden auf dem kurvigen Kurs von Vallelunga ist Stefano Cossalter nur beizupflichten. Das träge Visco-Allradsystem, das wenig stimmige Getriebe und das starke Untersteuern des Vorgängers scheinen vergessen. Hungrig und ungewohnt ausgewogen wirft sich der über 1,8 Tonnen schwere Supersportler ausgewogen und souverän mit seinem brüllenden V12-Triebwerk in die Kurven. Im normalen Strada-Modus zeigt er sich fast so zahm wie ein leistungsstarker Sportwagen von der Stange. Erst im Sport- und besonders im Corsa-Modus mit luftigem ESP zeigt er sich so bissig, wie es die meisten Kunden von einem Lamborghini erwarten. Die windigen Überraschungen im Murcielago-Grenzbereich sind vergessen.

Das Grundkonstrukt aus hochfester Kohlefaser wurde bei Lamborghini völlig neu entwickelt. Besonderen Wert legten die Ingenieure auf den hochsteifen Rahmen und die zweiteilige Fahrgastzelle mit deutlichen bautechnischen Anleihen bei aktuellen Formel-1-Rennwagen. Vorder- und Hinterteil des Aventador kommen aus Neckarsulm. So dauert die Produktion eines neuen Supersportwagens mit dem Stier auf der Motorhaube sieben lange Wochen. Lackiert wird der Bolide in der Nähe der Produktionsstätte Sant‘ Agata. Auch Teile wie das komplett animierte Armaturenbrett kommen aus der lokalen Umgebung vom Formel-1-Zulieferer MTA. Überhaupt ist der Innenraum neben dem Fahrwerk der größte Unterschied zwischen Aventador und dem Vorgänger Murcielago. Auch mit 1,90 Metern Größe kann man noch bequem sitzen. Gewachsen ist der Aventador im Vergleich zu seinem Vorgänger im Innenraum deutlich. Insbesondere der schmalere Mitteltunnel und die geometrisch angehauchten Auswölbungen im Dach machen sich positiv bemerkbar. Die Bedienelemente muten endlich nicht mehr an, wie in einem Fiat-Billigmodell der frühen 80er Jahre.

Wer sich für einen der 700 pro Jahr produzierten Aventadore entscheidet, hat höchste Ansprüche. In der Garage steht zumeist noch eine ganze Armee von anderen Fahrzeugen wie Range Rover, Porsche 911, Ferrari 599 oder Rolls-Royce Phantom. „Unsere Kunden fahren mit dem Aventador keine langen Strecken. Jahreslaufleistungen von 1.000 oder vielleicht 3.000 Kilometern sind nicht ungewöhnlich“, erklärt Stefano Cossalter, „dabei hat man viel mehr Komfort als bisher. Ich bin 1,92 Meter und hatte nach der 800 Kilometer langen Strecke zwischen Sant‘ Agata und Nardo keinerlei Rückenschmerzen. Das war früher anders.“ Die Seriensitze sind gut; lassen jedoch noch Raum für echte Sportstühle mit mehr Beinauflage und mehr Seitenhalt.

Doch wie es sich für einen Supersportler gehört, will sich der Aventador in erster Linie durch Fahrleistungen und Design in Szene setzen. Das 6,5 Liter-V12-Triebwerk wurde ebenfalls komplett neu entwickelt. 700 PS bedeuten Dank Allradantrieb und Renngetriebe 0 auf 100 km/h in 2,9 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h. Da wird es dünn einen Konkurrenten zu finden. Auch wegen des Preises, der bei 313.000 Euro liegt. Mehr denn je ist der neue Lamborghini Aventador ein Hightech-Produkt. Stolz sind die Entwickler auf das hochfeste Monocoque, das aus zwei Teilen besteht. Für eine spätere Roadster-Version ist der obere Teil in der Produktion variabel. Neben dem V12-Triebwerk wurde nicht nur die Federung mit Pushrod-Dämpfung neu entwickelt, sondern auch das sequentielle Getriebe. Das passt deutlich besser als die Schaltkombination aus dem Murcielago. Dafür würde man sich beim Aventador gerade im Anlenkbereich eine etwas bissigere, direktere Lenkung wünschen. Dem Plus an Fahrleistungen steht ein signifikantes Minus beim Verbrauch gegenüber. So sank der Durst des Kampfstieres um 20 Prozent auf 17,2 Liter. Zugegeben: interessiert in diesem Segment sowieso niemand. Auch zeitlich darf der Neukunde keine Wunder erwarten. „Wir haben über 1.100 Vorbestellungen und sind daher eineinhalb Jahre ausverkauft“, freut sich Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann. Und damit dürfte das Ende kaum erreicht sein.

Quelle: Autoplenum, 2011-04-28

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