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Testbericht

29. März 2017
Phoenix (USA), 30. März 2017 

Supersportwagen ihres festen Daches zu berauben, ist unter eisernen Enthusiasten nicht ganz unumstritten. Klar, der Sound eines vermutlich ziemlich gewaltigen Motors dringt ungehinderter ans eigene Ohr. Und es entsteht wohl eine Art Freiheitsgefühl, wenn die Sonne das Gesicht verbrannt und der Fahrtwind für reinste Anarchie im Haupthaar gesorgt hat. Aber da ist eben auch dieses Mehr an Gewicht, das Weniger an Präzision. Außerdem weiß ich bis heute nicht, ob es total cool oder total lächerlich ist, mit einem Cabrio auf der Rennstrecke aufzuschlagen. Sei es wie es sei, nach gut zwei Jahren im Markt, befreit nun auch AMG seinen Supersportler von allen Coupé-Zwängen. Und seien Sie mir nicht böse (was folgt ist eher bewundernd als despektierlich gemeint), aber vermutlich eignet sich derzeit keiner aus der schnellen, flachen, teuren Truppe um Audi R8, Porsche 911 und Co. besser zur Entdachung, als der ellenlanghaubige, stark brusthaarige Partyhengst AMG GT.  

Roadster pur 
Warum? Schauen Sie sich das gelbe Viech doch einfach mal an. Gefühlt haben wir es hier mit 90 Prozent Haube und zehn Prozent Rest zu tun. Roadsteriger als ein AMG GT kann ein Roadster im Prinzip gar nicht aussehen. Da wird selbst ein BMW Z8 neidisch. Und mal ganz unter uns: Ein Leichtgewicht oder die ganz feine Klinge war dieser unrasierte Haudrauf eh nie. Dafür schreit die akustische Herrlichkeit seines Biturbo-V8 förmlich nach freiem Geleit zum Gehörgang. Was ein Glück also, dass der knäppliche Stoffhelm (erhältlich in schwarz, rot und beige) in gerade mal elf Sekunden verschwunden ist. Und das bei bis zu 50 km/h. Gewichtstechnisch lässt AMG ebenfalls wenig anbrennen. Die nötigen Versteifungen (Seitenschweller, Scheibenrahmen, neue Domstrebe und Querträger hinten) belasten das Konto mit lediglich 50 Extra-Kilo. Schuld daran ist auch eine neuentwickelte, superleichte Heckklappe aus carbonverstärktem SMC (Sheet Moulding Compound). Ein wenig Racing-Glanz bringen der zahnspangige Panamericana-Grill sowie die aktive Aerodynamik (Lamellen hinter der Frontschürze öffnen/schließen je nach Abtriebs-/Kühlluftbedarf) vom giftig-grünen Topmodell AMG GT R. Das gilt jetzt übrigens für alle AMG GTs, also auch für die Coupés.  

AMG GT R light 
Und wo wir gerade dabei sind: Das GT-Portfolio wurde nicht nur leicht geliftet, sondern auch gestärkt, ergänzt und neu sortiert. Die Basis in Form des AMG GT leistet als Coupé und Roadster nun 476 PS und damit 14 mehr als bisher. Der GT S kommt nun auf 522 PS (plus 12 PS), ist aber weiterhin nur geschlossen zu haben. Zwischen dem GT S und dem horrend beflügelten 7:10-Minuten-Nordschleifen-Zerstörer GT R sitzt künftig das einnehmend pralle Hinterteil, das Sie auf obigen Fotos bewundern können. Besagter Hintern gehört zum neuen AMG GT C. Er leistet 557 PS und unternimmt auch sonst einiges, damit Sie schneller vom Fleck kommen. Vom GT R erbt er im Prinzip alle Motor-Modifikationen (unter anderem neue Turbos, Ladeluftkühler und mehr Ladedruck sowie ein sogenanntes Nano-Zylinder-Coating, das Nico Rosberg auch in seinem Weltmeister-Gefährt spazieren fuhr). Dass er 28 PS weniger auf der Kette hat, ist rein elektronischer Natur. Ebenfalls GT-R-approved sind die breitere Hinterachse samt elektr­onischer Sperre sowie die Hinterradlenkung. All das bringt in der Theorie mehr Geschwindigkeit und Seriosität ins Fahrverhalten. Bei einem Reifen rauchenden Vorschlaghammer wie dem AMG GT vermutlich keine so schlechte Idee. Zumindest, wenn Sie zu den etwa 99 Prozent der Bevölkerung gehören, für die das Leben kein permanenter Drift ist.

Fast schon zu viel Traktion
 
Wer also eine unbeherrschte, verzweifelt um Traktion bettelnde Nebelmaschine erwartet hat, liegt beim neuen AMG GT C definitiv falsch. Dieses Auto hat sich verblüffend gut im Griff. Die breitere Spur und die mitlenkenden 305er-Walzen hinten verleihen ihm deutlich mehr Stabilität und Gutmütigkeit als ich das vom kantigeren, leicht hinterfotzigen GT S Coupé gewohnt war. Sie können jetzt also früher und härter ans Gas gehen, ohne bei jeder zweiten Kurve eine ungewollte Pirelli-Schmelze herbeizuführen. Außerdem reagiert das Auto deutlich großherziger, wenn Speed und Bremspunkt mal wieder so gar nicht zum Kurvenradius passen wollten. Natürlich reicht in engen Ecken ein kleiner Gas-Wischer, um sehr viel gelben Hintern in sehr viel Seitenlage zu befördern, aber für permanentes, zügelloses Asphalt-Rodeo hat dieses Auto einfach zu viel Grip. Feuern Sie den GT C mit allem, was Sie haben, in die Kurve und Sie werden feststellen, dass er eher untersteuert, wenn es arg grenzt im Grenzbereich. Und ja, ich weiß, das klingt komisch bei einem AMG. Aber irgendwie wirkt die Vorderachse hier nicht so festgetackert, wie ich es vom GT S in Erinnerung hatte. Ob es an den 35 Grad in Arizona (kann man mal machen für eine Fahrvorstellung) oder am extra Cabrio-Speck liegt, ist schwer zu sagen.  

Ein V8 aus tiefster Seele 
Die Lenkung ist schön schnell, die Vorderachse willig am Kurveneingang, die Balance fein … aber wie du da so quasi auf dem Boden sitzt, mit nichts als Haube vor und kaum Heck hinter dir, der ganze Wagen sauschnell aber immer spürbar groß, merkst du schon, dass dieser GT C Roadster kein McLaren 570S oder Audi R8 ist. Er serviert einem seine Sensationen (und es sind viele Sensationen) halt lieber mit der Streitaxt als mit dem Skalpell. Zugegeben, er hält sich selbst deutlich besser beisammen als ein Jaguar F-Type SVR, durchfräst die Kurve komponiert und flach, anstatt sich von ihr überrumpeln zu lassen. Und er verfügt über gewaltig ankernde, herrlich zu dosierende Bremsen. Aber wenn der R8 Spyder ein eng anliegender Handschuh ist, dann ist der GT C Roadster definitiv die verstärkte Version mit den Nieten drauf. Liegt es am Motor? Klar liegt es am Motor. Das Riesentrumm-Teil steckt gefühlt irgendwo zwischen deinen Beinen (Front-Mittelmotor mit klarer Tendenz zu Mittel) und ist hier drin ganz klar der Chef. Wackelt der Vierliter-Biturbo mit dem kleinen Zeh, wackelt der ganze GT mit. Das komplette Auto (samt Insassen) ist geflutet von diesem unnachahmlichen V8-Vibe. Ganz im Ernst, ich kenne noch immer niemanden, der einen Turbo so zum Brüllen, Grunzen, Beben bringt. Niemanden ausser Ferrari, der einem Turbo von unten bis ganz oben so viel Leben einhaucht. Ein V8 aus tiefster Seele. Ein Tier. Kraft zum Wegwerfen. Achterbahn ab zweitausend Touren. Und so viel Schub, dass dir ständig der Drehzahlmesser ausgeht. Natürlich nur, wenn du selber an der Siebengang-Doppelkupplung rumzupfst. Ob schalten oder schalten lassen, dieses Getriebe wird ständig feingeschliffen und von Jahr zu Jahr besser. Pfurztrocken, mit irrem Speed und schlauen Entscheidungen.  

Die wildere Party 
Wenig überraschend lebt also auch der GT Roadster von seinem übertestosteronigen Antriebsstrang und dieser gewissen "Unter-Männern"-Mentalität. Na gut, er fährt als GT C präziser und seriöser, hat seinen Körper gut im Griff. Aber er ist kein ausgehungerter Rennwagen, dem man zufällig das Dach geklaut hat. Etwas überraschend ist er nicht wirklich der klassische Drifter. Nichtsdestotrotz ist er ein vorlautes, wild stampfendes, Kurven verprügelndes Ereignis. Ein Muscle Car im besten Sinne. Ein bisschen hart (das serienmäßige Adaptivfahrwerk lässt sich wie Motor, Lenkung und Co. in gleich fünf Modi einstellen, recht kernig abgefedert wird aber immer), ziemlich rau, überaus herzlich. Vermutlich passt dieser Charakter letztlich sogar besser zum Cabrio als zum Coupé. Fahrerisch gibt es abseits einer Rennstrecke keine nennenswerten Unterschiede, die Roadster-Silhouette ist (zumindest für meine Augen) absolut hinreißend und je ungefilterter die Omnipotenz dieses gloriosen Achtzylinders ans eigene Ohr dringt, desto wunderbarer. Der Preis für den AMG GT C Roadster liegt bei 160.650 Euro, was auf den ersten Blick etwas waghalsig erscheint, vornehmlich, weil der 476 PS starke AMG GT Roadster mit 129.180 Euro über 30 Riesen günstiger daherkommt. Die mittel- und heckmotorige Konkurrenz um Audi R8, Lambo Huracan, 911 Turbo oder den in Bälde erscheinenden McLaren 570S Roadster liegt allerdings bei gut 200.000 Euro. Da wird einem im AMG-Konfigurator gleich ganz warm ums Herz. Genau dieses Gefühl wird ihnen der GT Roadster auch beim Fahren konservieren. Genannte Konkurrenz mag sich etwas sehniger bewegen, aber der Benz feiert die wildere Party.
Technische Daten
Antrieb:Hinterradantrieb
Anzahl Gänge:7
Getriebe:Doppelkupplung
Motor Bauart:V-Motor, Biturbo
Hubraum:3.982
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:8
Leistung:410 kW (557 PS) bei UPM
Drehmoment:680 Nm bei 1.900 UPM
Fazit
Den AMG GT zu öffnen, ist nicht nur aufgrund der Form und des absurd guten Klangs mehr als vernünftig. Vom Extra-Gewicht oder etwaigen Steifigkeitseinbußen merkt man im Prinzip nichts und das Offene passt einfach zu diesem wilden, vorlauten Biest. Als GT C fährt der AMG-Sportler traktionsstärker, freundlicher, aber auch ein wenig braver. Wer es purer, härter und etwas handarbeitiger will, sollte vielleicht auch mal den Basis-GT-Roadster ausprobieren. Der ist zudem über 30.000 Euro günstiger. + allgewaltiger, faszinierender Antriebsstrang; großartiger, zügelloser Klang; wunderbare Form; faszinierendes, aber sehr stabiles Fahrverhalten - leichte Untersteuertendenz; Auto kann sich groß und mächtig anfühlen; relativ hoher Preisaufschlag
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: auto-news, 2017-03-29

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