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Testbericht

Stefan Grundhoff, 11. März 2010
Organische Formen und Retrospektive sind bei Jaguar Vergangenheit. Mehr als mit jedem anderen Modell zuvor betreten die traditionsbewussten Briten mit dem neuen XJ Neuland – und machen Jagd auf die Luxuskarosse von Audi, Mercedes und BMW.

„Wir haben zu lange in den Rückspiegel geschaut. Retro bringt uns nicht weiter“, erzählt Jaguar-Geschäftsführer Mike O’Driscoll und blickt auf den neuen XJ, „in der Vergangenheit liegt keine Zukunft.“ Ein Satz, der so noch vor drei Jahren undenkbar gewesen wäre. Doch bei Jaguar gehen die Uhren nicht erst seit der Übernahme durch den indischen Tata-Konzern anders. Früher gab es bei Jaguar in erster Linie Retro-Styling, grüne Lackierungen, beiges Leder und trinkfreudige Benziner; heute gibt es Aluminium an Karosse und Innenraum, Hightech-Armaturen und einen Dieselanteil von über 70 Prozent – zumindest in Europa. Der einstige Nobelableger von Ford hat wieder Mut geschöpft und blickt nach vorn. Neue Modelle, neue Motoren und nunmehr einen Tata-Motors-Chef in Person von Carl-Peter Forster, der als ausgemachter Car-Guy gilt. Die Briten sind trotz der weltweit schwierigen Marktlage hoffnungsvoll. Das Aushängeschild Jaguar XJ ist dabei nicht ganz unwichtig.

Der XJ ist ein Aufbruch in eine neue Zukunft – und spaltet dabei die Jaguar-Fans. Die einen schaudert’s beim Anblick des klobigen Hinterteils, weinen dem altem Vieraugen-Gesicht oder klassischen Formen mehr als eine Träne nach. Doch gerade Neukunden zollen Applaus für das mutige Design aus der Feder von Ian Callum. Jaguar im Jahre 2010 ist neu, anders und auf dem Weg neue Kundengruppen wachzurütteln. Die Zeiten könnten besser sein, denn die Luxuskonkurrenz von Mercedes S-Klasse und Lexus LS trommelt ohrenbetäubend; zudem konnten sich die neuen Versionen von 7er BMW und Audi A8 als wahre Hightech-Mobile positionieren. Schwere Zeiten für einen neuen Jaguar XJ, in den man sich nicht auf den ersten Blick verlieben muss. Doch so sehr das Äußere polarisiert, so schnittig zeigen sich die inneren Werte. Highlights sind das visionäre LCD-Cockpit, dass sich der XJ vom Konzernbruder Range Rover abgeschaut hat. Analoguhren für Tacho, Tankanzeige und Drehzahlmesser sind Vergangenheit.

In das 12,3 Zoll große Mutifunktionsdisplay kann sich der Fahrer zahlreiche Informationen hineinprojizieren lassen. Klimatisierte Sitze, Assistenten für Abstand und Überholvorgänge sind in dieser Klasse längst nichts Neues – mit einem Kopfnicken nimmt der Fahrer sie zur Kenntnis. Das Multifunktionsdisplay auf der Mittelkonsole ist mit acht Zoll Diagonale kaum kleiner, zeigt jedoch die ein oder andere Bedienschwäche der Touch-Screens auf. Überall gibt es weiches Leder; noch etwas mehr als bislang. Das gefällt dem Kunden, der zwischen 75.000 und 130.000 Euro in die Hand nimmt, um einen neuen Untersatz zu bewegen, der im Straßenverkehr auffällt. Oberhalb der Mittelkonsole blicken die Insassen auf belederte Lüftungsaustritte wie bei einem Flugzeug, die eine Analoguhr flankieren. Die flache Frontscheibe und die das üppig dimensionierte Armaturenbrett kosten viel Platz im Innern, das für diese Fahrzeugläng durchaus etwas üppiger geschnitten sein könnte. Doch bequem ist es allemal.

„Wir rechnen auf dem deutschen Markt mit einem Anteil des XJ mit langem Radstand von 25 Prozent“, erklärt Jaguar-Deutschland- Geschäftsführer Peter Modelhart. Auf anderen Märkten wird der Prozentsatz mit dem um mehr als zwölf Zentimeter verlängerten Radstand noch größer sein. Gerade in ihm lässt es sich vortrefflich reisen. Die Sitze sind nicht zu weiche Lümmelsessel; üppige Bein-, Kopf- und Schulterfreiheit lässt einen alte XJ-Generationen ebenfalls vergessen. Bleibt die Frage, ob jeder Kunde unbedingt ein zweiteiliges Sonnendach möchte? Das gehört zum XJ wie seine Aluminiumkarosse, kostet jedoch Kopfraum und muss eben nicht serienmäßig sein. Zwei Makel erlaubt sich der große Brite auch im Jahr des Neubeginns. Die hinteren Scheiben lassen sich nicht komplett versenken und eine klassenübliche elektrische Einzelsitzanlage fehlt in der Aufpreisliste selbst bei der Langversion. „Die wird es in rund einem Jahr geben“, schiebt Mike O'Driscoll kurzerhand nach, „wir sind eben ein kleiner Hersteller.“

Deshalb startet Jaguar auch mit dem bekannten Motorenportfolio. Eine Hybridversion bleibt ebenso außen vor wie ein kleinerer Sechszylinder- Benziner mit Aufladung, der jedoch nachgeschoben wird. Das Hauptgeschäft in Deutschland wird der XJ 3.0 Diesel machen. Das erstmals im kleineren XF vorgestellte Triebwerk macht dem 1,9 Tonnen schweren Hecktriebler mächtig Beine. 202 KW / 275 PS und mächtige 600 Nm Drehmoment lassen die Katze dieseln, als es ob nie anders gewesen wäre. 0 auf 100 km/h in 6,4 Sekunden und eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h sind klassenüblich, aber allemal eindrucksvoll. Wer mehr Leistung und Laufruhe bei bulliger Geräuschkulisse fordert, genießt den brachialen Vortrieb des V8- Topmodells mit Kompressoraufladung. Der Fünf-Liter-Koloss leistet 375 KW / 510 PS und ein maximales Drehmoment von 625 Nm Drehmoment. Jaguar verspricht für den bei ebenfalls 250 km/h abgeriegelten V8 S/C einen ambitionierten Verbrauch von 12,1 Litern Super. Wer weniger will: es gibt den V8 mit 375 PS auch als Sauger.

Überraschend hingegen, dass der brandneue Jaguar XJ bei allen Motorvarianten nach wie vor mit der bekannten Sechsstufen-Automatik aus dem Hause ZF unterwegs ist. Schließlich wird die Konkurrenz von BMW oder Audi auch von ZF beliefert – jedoch teilweise mit Automatikgetrieben mit acht Schaltstufen und verbrauchsreduzierender Start-Stopp-Funktion. Doch auch ohne Start-Stopp verspricht Jaguar zumindest bei XJ 3.0 d einen mehr als akzeptablen Verbrauch. Denn die sportlichen Fahrleistungen gepaart mit üppigen Dimensionen sollen einem Durchschnittsverbrauch von 7,0 Litern Diesel auf 100 Kilometern nicht im Wege stehen. Weshalb Jaguar einen Dieselanteil von mehr als 70 Prozent erwartet, lässt sich nach wenigen Kilometern leicht erklären. Der doppelt aufgeladene Dreiliter hat mächtig Wumms und lässt einen nicht zuletzt wegen der exzellenten Kapselung durstige Benziner nahezu vergessen. Der Tatendrang ist groß und der Sechszylinder scheint wie für den 5,12 Meter langen XJ gemacht.

Dabei werden die Jaguar-Verantwortlichen nicht müde zu betonen, dass der XJ mehr ist als eine Luxuslimousine. „Er ist eine wahre Fahrmaschine; selbst mit dem langen Radstand“, unterstreicht Mike O'Driscoll. Und tatsächlich ist der Unterschied zwischen dem 5,12 Meter langen XJ und dem 5,24 Meter langen XJ L am Steuer nicht zu spüren. Der Hauptgrund ist das geringe Mehrgewicht. Die Langversion bringt Dank Aluminiumkarosse gerade einmal 1.813 Kilogramm auf die Waage, knapp 20 Kilogramm mehr als die Kurzversion. Doch auch im Sportmodus gibt es spürbare Wankbewegungen und die Servounterstützung könnte gerne noch etwas straffer sein. Schließlich gibt es den XJ auch als Powerversion mit 510-Kompressor-PS. Dem täte etwas mehr Härte im Sportprogramm gut. Scheinbar wollen die Briten noch Luft für die R-Version lassen.

Der Laderaum schluckt beachtliche 520 Liter und lässt sich endlich standesgemäß elektrisch öffnen und schließen. Der Basispreis für den Jaguar XJ 3.0 Diesel Luxury liegt bei 76.900 Euro. Das 510 PS starke Topmodell XJ 5.0 S/C Supersport kostet mit Komplettausstattung 133.900 Euro; der Aufpreis für den verlängerten Radstand liegt je nach Ausstattung zwischen 4.000 und 6.000 Euro. Marktstart ist am 29. Mai. In Deutschland will Jaguar pro Jahr mindestens 800 XJ verkaufen.

Quelle: Autoplenum, 2010-03-11

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