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Testbericht

30. März 2007
Eastnor Castle (England), 30. März 2007 – Der gehört doch längst ins Museum. Oder nicht? Oder doch? Seit fast 60 Jahren wühlt sich Land Rovers Defender durch die Landschaft. Er ist der Urvater aller Land-Rover-Modelle, ohne ihn würde es Freelander, Discovery, Range Rover Sport und Range Rover gar nicht geben. In Land Rovers Modellhierarchie genießt der Defender eine absolute Sonderstellung: Obwohl der mindestens 30.900 Euro teure Freelander offiziell als das Einstiegsmodell der Marke gehandelt wird, kostet der billigste Defender gerade mal 24.000 Euro. Seine Sonderstellung gilt im Prinzip Marken übergreifend weltweit. Und jetzt gibt es einen Neuen. Lifestyle oder harte Arbeit Das 2007er-Modell kommt beiden Käuferschichten des Defender entgegen: Zum einen Menschen, die den Wagen als knallhartes Arbeitstier einsetzen, zum anderen den Lifestyle-Junkies, die sich gerne mit urigen 60 Jahren Geschichte sehen lassen. Bei Letzteren wurde der Defender aber auf Grund seiner komfortfreien Art nie zum vererbbaren Familienmitglied – dies möchte Land Rover jetzt ändern. Ganz ganz vorsichtig Beim Defender ticken die Uhren anders, und zwar langsamer. Er lebt in seiner ganz eigenen Zeit, was sich so nach und nach zum Erfolgsrezept entwickelt hat. Um seine Technik vor dem endgültigen Museumsdasein zu bewahren, ist man halt ab und zu zu ein paar Änderungen gezwungen. Wie erkennt man den „Neuen“ jetzt von außen? Der neue, höher bauende Motor verrät sich durch einen Buckel auf der Motorhaube. Auch die charakteristischen Lüftungsklappen unter der Frontscheibe haben wegen der neuen Heizung ihre Funktion eingebüßt und sind verschwunden. Die einzige Design-Änderung, die nicht durch technische Veränderungen herbeigezwungen wurde, ist die Anbringung des „Defender“-Schriftzuges: Er wanderte von vorne nach hinten, an der Front steht jetzt „Land Rover“. Die Defender-Designer sind sichtlich stolz auf diesen kühnen Coup.

Innen schon mehr Am Stil des puristischen Defender-Interieurs wurde natürlich nicht gerüttelt. Trotzdem musste sich auch diese disziplinierte Form-follows-Function-Welt ein paar Änderungen gefallen lassen. Die Armaturen wurden aus dem Discovery übernommen und erstrahlen nun in klarer Sachlichkeit. Der Haltegriff auf der Beifahrerseite wurde vergrößert und in die Waagerechte gerückt. Er lauert immer noch im Armaturenbrett, einen Griff innen am Dach gibt es nach wie vor nicht. Die Armaturentafel wurde so weit wie möglich aus einem Guss gefertigt, was Klappergeräusche bei Geländefahrt verringern soll. Endlich schön heiß Eines der übelsten Defender-Probleme und ständiges Dauerärgernis war die quasi nicht vorhandene Heizung. Einige schaffen es zwar, dies als liebenswerte Macke abzutun, aber an einem echten Wintertag hat auch diese Liebe ein Ende. So fuhren Defender-Profis häufig mit nachträglich eingebauten Standheizungen durch die Gegend. Die neue Heizung macht richtig Druck. Über einen Schiebeschalter lässt sich die Stärke der Lüftung variieren, über einen Drehschalter die Temperatur. Und die kann richtig warm sein, eine mechanisch wirkende Hitze flutet kräftig die Kabine, Land Rover hat hier ein Jahrzehnte schwelendes Problem beseitigt. Insgesamt sind jetzt zwölf Grad mehr drin, bei eingeschalteter Klimaanlage kann die Innenraumtemperatur um sieben weitere Grad als bisher abgesenkt werden, die Kühlzeit verkürzt sich um 50 Prozent. Musik im Blechhaus Als wenn Defender-Fahren nicht schon Entertainment genug wäre, sorgt Land Rover jetzt für bessere Unterhaltung in der spartanischen Stube. So genannte Tweeter-Boxen sollen das Klangerlebnis verbessern, bei unserem Test mit örtlichen Sendern klangen die Nachrichten über die Schafzucht in Gloucestershire nicht schlecht. Für Freunde von mitgebrachter Musik wurde ein MP3-Zugang gelegt.

Bitte Platz nehmen Die Sitze des Defender wurden ebenfalls aufgewertet. Sie bieten vor allen Dingen Langstreckenkomfort. Seitenhalt gibt es kaum, das übernehmen die eng an den Passagieren liegenden Türen. Auch das Lenkrad ist nur wenige Zentimeter von der Seitentür entfernt, so das der Ellenbogen beim Steuern immer schön am Körper bleiben muss. Die quer eingebauten Rücksitzbänke für die längeren Modelle gibt es nicht mehr, da diese in vielen Ländern aus Sicherheitsgründen bald nicht mehr zulassungsfähig sind. Der von uns gefahrene Defender 90 Station Wagon hat hinten zwei zur Seite wegklappbare Einzelsitze. Land Rover legt großen Wert darauf, dass der Defender nach wie vor eine ebene, gut zugängliche Ladefläche bietet. Die Sitze sind tribünenförmig angeordnet, das heißt, dass jede Sitzreihe etwas höher liegt als die vorhergehende. So können alle Passagiere durch die Frontscheibe gucken, wenn sie denn nicht allzu groß sind. Zwangsläufig geht mit jeder Sitzerhöhung ein Stück Kopffreiheit flöten. Ähnlich ist es, wenn man die Pick-up-Variante fährt, hier ist kaum Platz für lange Beine, da sich das Gestühl nicht nach hinten fahren lässt. Keine Luft im Sack Airbags? Fehlanzeige. Futuristische Luftsäcke kommen auch im neuen Defender nicht zur Anwendung. Weiter unten sorgt ein robuster Plastikboden für gute Reinigbarkeit. Nur die seitliche Teppichverkleidung der Mittelkonsole sollte man nicht unbedingt mit lehmverschmierten Stiefel treten. Noch ein Wort zur Verarbeitungsqualität: Sie ist, wie in so vielen Bereichen beim Defender, modellgerecht. Diesen Wagen müssen wir einfach mit eigenen Maßstäben messen. So stört es auch nicht weiter, das wir die jetzt dickeren Türdichtungen immer wieder in ihre Position drücken müssen, wenn sie um fünf Zentimeter durchhängen. Auch die kleinen Scheibenwischer schaben das Glas nicht so ab, dass wir richtig klar sehen können, aber auch daran gewöhnen wir uns schnell.

Onroad okay Zu unserem heftigen Offroad-Einsatzort fahren wir über liebliche englische Landstraßen. Zu der Gegend wie aus einem Rosamunde-Pilcher-Film passt unser Defender ganz trefflich. Natürlich wankt er in der Kurve, natürlich nickt er ein bisschen beim Bremsen und natürlich bringt das Kasten-Design ein wenig Seitenwindempfindlichkeit mit sich. Aber dies ist alles moderat und aushaltbar, zumal der Wagen maximal 132 km/h schnell ist. Wir dürfen uns hier nicht auf die aggressive deutsche Rennkultur sondern nur auf britische Gelassenheit einlassen. Stöße aus dem Untergrund werden für einen Geländewagen recht sanft verarbeitet. So ziehen wir in Sachen Onroad-Fahrverhalten ganz entspannt unserer Wege. Offroad ne Wucht Jetzt wird’s Offroad: Dafür wurde der Defender 1948 geschaffen, dafür hat er bis heute überlebt. Er ist der Quastenflosser der Offroadbranche und er stürzt sich mit fühlbarer Gier in den Schlamm. Wer gerne große alte Schlüssel ins Schloss steckt und dann genüsslich umdreht, der liegt mit dem Defender richtig. Ganz direkt knackt die pure Mechanik unter dem Hintern. Der schwere Leiterrahmen legt sich schräg und schiebt seine Aluminiumverkleidung durch die tiefsten Schlammlöcher. Fiese Kuhlen, ölige Hänge und tiefe Flussläufe, nichts hält den Defender auf, wenn man ihn auch nur halbwegs richtig bedient. Die Federn werden mit allem fertig, was Mutter Natur eigentlich nicht unbedingt zum Befahren gedacht hat. Das sperrbare Mittendifferenzial, die enorme Achsverschränkung und eine Wattiefe von 500 Millimetern sind Fakten, die auch das feindlichste Gelände nicht ignorieren kann. Hier spielt der Defender ganz groß auf. Elektronisches Regelwerk ist für ihn Weicheikram, er gibt dem Fahrer das gute Gefühl, alles selbst im Griff zu haben.

Alter Mann mit neuem Herz Fast schon eine Sensation ist, dass der Defender mit einem neuen Motor durchs Unterholz bricht. Jetzt ist es an dem 2,4-Liter-Motor aus dem Ford Transit, den Defender mit Vortrieb zu versorgen. Allerdings musste Land Rover das Aggregat etwas modifizieren, damit es auch in extremen Lagen noch reibungslos funktioniert. Ansonsten hat der Vierzylinder halt einen Topf weniger als sein Vorgänger Td5, leistet aber ebenfalls 122 PS. Das Drehmoment von 360 Newtonmetern liegt schon bei 2.000 Umdrehungen an. So bespannt, gelingt der hier vollkommen nebensächliche Spurt von null auf 100 in 15,8 Sekunden. Wie schon erwähnt, ist dann auch bald Schluss: 132 km/h Spitze sind drin. Dabei reißt das Triebwerk auf 100 Kilometer ein Zehnliter-Loch in den Tank. Etwas ruhiger Der neue Motor kommt etwas laufruhiger rüber als noch sein Vorgänger, da er nicht mehr mit dem Pumpe-Düse-System vorfährt sondern mit Common-Rail-Technik arbeitet. Da aber auf Schallisolierung nach wie vor verzichtet wird, ist es immer noch sehr laut in der Kabine, Unterhaltungen in normaler Lautstärke sind nicht möglich. Im Gelände gibt der Motor Sicherheit, seine permanent zu allen vier Rädern geleitete Kraft wirkt nie zu knapp. Dabei erfüllt er ohne Rußpartikelfilter die Euro-4-Abgasnorm. Neue sechs Gänge Die Dieselkraft wird jetzt mit einer manuellen Sechsgangschaltung in den Schlamm gebracht. Dabei ist der erste Gang sehr kurz übersetzt, was zusammen mit dem hohen Drehmoment für ein richtiges Losspringen des Wagens sorgt, selbst am Berg. Der sechste Gang wurde sehr lang ausgelegt, was ruhiges Cruisen über lange Strecken ermöglicht. In diesem Gang bleibt der Innenraum vergleichsweise leise. Allerdings wollen die sechs Gänge erstmal eingelegt sein. Und dies geschieht unter dem Widerstand von Haken und Ösen. Die Gänge liegen dicht beieinander und wollen ab und zu nicht so recht. Ähnlich verhält es sich mit dem Hebel für die Untersetzung sowie die Sperrung des Mittendifferenzials. Auch hier muss ohne Erfolgsgarantie kräftig geruckt werden. Mechanikpuristen entdecken dabei wunderbare Dinge, für alle anderen heißt es hier: üben, üben, üben.
Technische Daten
Antrieb:Allradantrieb
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Schaltgetriebe
Motor Bauart:Common-Rail-Diesel-Motor
Hubraum:2.401
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:90 kW (122 PS) bei UPM
Drehmoment:360 Nm bei 2.000 UPM
Preis
Neupreis: 26.200 € (Stand: April 2007)
Fazit
Schön, dass es diesen Saurier noch gibt, und schön, dass er sich in kleinen Schritten weiter entwickelt. Das Gute an der Langsamkeit: Der Defender stellt einen festen Wert da, der auch die eigene Lebenszeit gemächlicher vergehen lässt. Die extrem modulare Bauweise des Defender macht ihn eigentlich zu einem kleinen Unimog, zu einem vielfältig ausbaubaren Nutzfahrzeug. Seine beinharte Geländefähigkeit ist nach wie vor ein echter Maßstab und in dieser Preisklasse (Einstiegspreis 24.800 Euro für die Softtop-Variante) einzigartig.

Aber für dieses Geld bekommt man halt einen Offroadkauz: Glänzende Übersicht, top Geländegängigkeit und die unbezahlbare Aura von sechzig Jahren Geschichte stehen im Gegensatz zu fehlenden Airbags, altertümlichen Platzverhältnissen und einer „modellgerecht“ hakeligen Schaltung. Diesen Wagen muss man einfach lieb gewinnen, wenn man ein Herz hat und gerne auch mal zupackt. Ab 12. Mai 2007 wartet der neue Defender beim Händler auf seine Freunde.
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2007-03-30

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