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Testbericht

Sebastian Viehmann, 12. Oktober 2011
Chevrolet lädt zum Burnout: Der Camaro wurde für europäische Straßen abgestimmt. Mehr Power und Ausstattung für so wenig Geld bietet hierzulande keiner. Bleibt die Frage: Coupé oder Cabrio, Automatik oder Schaltung?

Die Baustellenampel auf der beschaulichen Landstraße steht auf Rot, da muss selbst der 432 PS starke Chevrolet Camaro warten. Doch in diesem Auto kann man einfach nicht anders: Der Fahrer greift zur Handbremse, der erste Gang ist eingelegt, per Knopfdruck werden ESP und Traktionskontrolle in den Urlaub geschickt. Sobald die Ampel auf Grün springt, ist Vollgas angesagt. 569 Newtonmeter Drehmoment fallen wie eine Horde Hunnen über die Hinterachse her, die Reifen drehend quietschend durch. Jetzt schnell die Handbremse lösen – der Camaro zuckt kurz mit dem Hinterteil und prescht los, während die dicken 275er Walzen schwarze Striemen auf dem Asphalt hinterlassen. Die Seitenscheibe ist natürlich heruntergefahren, damit man den donnernden V8-Sound und den Geruch verbrannten Gummis genießen kann.

Der Camaro macht keine Kompromisse. Massiv und bullig wie ein Preisboxer steht der 4,83 Meter lange Wagen auf der Straße, der Grill mit den kleinen Scheinwerfern schickt seinen bösen Blick in jeden Rückspiegel. In 5,2 Sekunden rennt der Ami-Bolzen von 0 auf 100 Km/h. Als Antrieb kommt in der Europa-Version nur der 6,2 Liter große V8 und nicht der in den USA ebenfalls erhältliche Sechszylinder unter die Haube. Der V8 geht mit seinen Spritvernichter-Qualitäten so ehrlich hausieren wie ein alkoholkranker Promi in einer Talkshow. Unter 13 Litern pro 100 Kilometer im Schnitt geht gar nichts, bei sportlicher Fahrweise ist die 16 oder 18 vor dem Komma schnell erreicht.

Wer das Musclecar-Feeling voll auskosten will, sollte den handgeschalteten Camaro wählen. Die etwas knorrige Sechsgangbox ist nichts für zarte Hände, der Pilot muss ordentlich zupacken. Doch die knackig-kurzen Wege machen jeden Schaltvorgang bei forscher Gangart zum Vergnügen. Nicht dass man im Alltag viel schalten müsste – mit Hubraum und Drehmoment im Überfluss kann man auch in hohen Gängen entspannt dahingleiten, muss das Gaspedal nur streicheln.

Die Sechsgang-Automatik wechselt die Gänge weich und ziemlich schnell, doch sie nimmt dem Camaro ein Stück Agilität. Mit Automat wird die Leistung des LS3-Motors von 432 PS (318 kW) auf 405 PS (298 kW) reduziert. Zur Effizienzsteigerung hat der gedrosselte L99-Motor eine Zylinderabschaltung, vier Töpfe nehmen bei geringer Leistungsanforderung nicht an der Arbeit teil. Das soll laut Chevrolet den Durst von durchschnittlich 14,1 auf 13,1 Liter drücken. Der bollernde V8-Sound geht dabei aber außer bei Vollgas verloren, man erkauft sich das Komfort-Plus der Automatik mit einem niedrigeren Kribbel-Faktor.

Chevrolet hat sein Retro-Musclecar für europäische Straßenverhältnisse mit diversen Änderungen versehen. „Das Ausgangspaket hat uns nicht gefallen“, berichtet Technik-Manager Patrick Herrmann von den ersten Fahrten mit dem US-Camaro auf dem Nürburgring. So wurde der an der Hinterachse etwas überdämpfte Wagen unter anderem mit neuen Stabilisatoren und Lagern, anderen Dämpfern und Reifen sowie stärkeren Bremsen versehen. Das Ergebnis überzeugt, jedenfalls meistens. Der Camaro lenkt relativ zackig ein und wankt kaum in Kurven, federt gekonnt ab und steckt Bodenwellen gut weg. Trotzdem bleibt der 1,7 Tonnen schwere Amerikaner ein dicker Brocken und wackelt gern mit dem Hintern.

Das Cabrio bringt sogar 1,9 Tonnen auf die Waage und fährt sich eine Spur behäbiger als das Coupé. Mit offenem Verdeck lässt es sich bis etwa 160 Km/h gut aushalten, ohne dass die Frisur zerzaust. Die verwindungssteife Karosserie lässt kein Knirschen oder Knarzen vernehmen. Das Verdeck muss mit einem Handgriff entriegelt werden und braucht dann ziemlich lange, bis es sich elektrisch öffnet. Im Fond kann man auch als Erwachsener sitzen, wegen der geringen Kniefreiheit aber kaum auf langen Strecken.

Das Cockpit versprüht nicht gerade Premium-Flair und erschlägt den Piloten mit einer Flut winziger Schalter. Grobe Schnitzer gibt es aber nicht. Erwähnenswert ist das serienmäßige Head-Up-Display, das neben der Geschwindigkeit einen kleinen Drehzahlmesser in die Windschutzscheibe spiegelt. Der Preis des Camaro (Coupé ab 38.990 Euro, Cabrio ab 43.990 Euro) ist in dieser Leistungsklasse konkurrenzlos. Zur üppigen Serienausstattung zählen unter anderem elektrisch verstellbare Ledersitze, Klimaanlage, CD-Radio, Tempomat, Xenon-Scheinwerfer und Einparkhilfe. Minuspunkt: Es gibt auch gegen Aufpreis weder moderne Assistenzsysteme noch Navigationssystem.

Sowohl der Sechszylinder-Camaro als auch die Hochleistungsversion ZL1 sind für den deutschen Markt erst einmal nicht vorgesehen. Dafür kommt die Fahrzeugabstimmung aus „Old Europe“ bald in die Neue Welt: „Die europäische Fahrwerksabstimmung mit dem Optionscode FE4 kann man auch in den USA ordern“, sagt Technik-Manager Patrick Herrmann.

Quelle: Autoplenum, 2011-10-12

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