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Testbericht

Susanne Kilimann, 23. März 2011
Vor 50 Jahren brachte Renault seinen R4 an den Start. In 31 Produktionsjahren rollten über acht Millionen Einheiten des kleinen Raumwunders vom Band. Allein in Deutschland verkaufte sich das Kultauto der 68er-Generation über 900.000 Mal.

Als der R4 in seine dritte Produktionsdekade startete, fuhren coole Jungs einen PS-starken Golf GTI und Lifestyle-Mädchen machten im Mini mobil. Mit dem kleinen Franzosen konnte man durchaus Mitleid erregen. Mit dem juckelten vorzugsweise Lehrer mittleren Alters durch die Lande, die auch in den 1980ern nicht von Cordsamt-Sakkos und langen Haaren lassen wollten – was nicht nur aus Sicht ihrer Schüler reichlich uncool war. In den sechziger und siebziger Jahren dagegen hatte Renaults schlichter Kleinwagen den Nerv der Zeit getroffen, hatte die jungen Protestler begeistert, die mit Latzhosen und Batikhemden, Jesuslatschen und bewusstseinserweiternden Substanzen gegen die Wirtschaftswunderwelt der Eltern mit ihren verstaubten Werten und Moralvorstellungen rebellierten. Der schlichte Wagen mit dem steilen Schrägheck stand ebenso wie Citroëns 2 CV für neue Freiheiten und Abenteuer jenseits der Konventionen. Citroëns „Ente“, der 2CV, war zwar ästhetisch gefälliger. Ging es um praktischen Mehrwert, war Renaults Kleinwagen haushoch überlegen. Er war der Kumpel, mit dem sich jeder WG-Wechsel samt Bücherkisten, Rattansessel und Yuccapalme lässig bewerkstelligen ließ. Und sogar in eine mobile Liebeslaube ließ er sich dank klappbarer Rückbank leichter verwandeln als jeder Konkurrent seiner Epoche.

Die Idee für das Auto, das die Kleinwagenlandschaft ein Stück weit revolutionieren sollte, wurde im Hause Renault schon Mitte der 50er diskutiert. Pierre Dreyfus, damals frisch angetreten als Generaldirektor beim französischen Staatskonzern, schlug seinen Vorstandskollegen ein Projekt vor, das im Kern ebenso avantgardistisch wie pragmatisch war. Ein kleinerer, vielseitiger Wagen mit großer Hecktür und ladefreundlichem Gepäckabteil schwebte dem Renault-Chef vor. Gut gefedert sollte das Auto sein – handlich und billig außerdem.

Nach diversen Vorstudien fällt 1958 die Entscheidung zum Bau des R4. Das Projekt trägt die Nummer „112“ – doch Renaults Entwicklungsingenieure geben ihm schon bald einen Namen, der sie mehr inspiriert: Marie-Chantal. Im Frühsommer ’61 wird die Fachpresse zu Testfahrten mit R4-Vorserienmodellen eingeladen. Anfang August startet die Serienproduktion. Im September des Jahres feiert der 3,66 Meter lange Wagen mit Platz für fünf Passagiere auf der IAA in Frankfurt offizielle Weltpremiere. Mit seinem variablen Innenraum sorgt der kleine Franzose für mächtig Aufsehen. Auch die technischen Details - Frontantrieb, Einzelradaufhängung und die sogenannte Revolverschaltung, bei der die Gangwechsel mittels einer Stange auf den Antriebsstrang übertragen werden - stoßen bei der Fachwelt auf großes Interesse.

In seiner französischen Heimat fährt das Nachfolgemodell des heckgetriebenen Renault 4 CV von Anfang an auf der Erfolgsspur. In Deutschland wird der Käfer-Konkurrent zunächst verhalten aufgenommen. Das ändert sich Ende Sechziger, als ein frischer Wind durch die Bonner Republik weht und auch mit Blick aufs Auto einen gesellschaftlichen Wertewandel mit sich bringt. 1970 wird zum deutschen Rekordjahr für den Renault 4, wie das Modell seit 1965 offiziell heißt. Bundesweit werden rund 86.000 Exemplare neu zugelassen. Damit sichert sich der kleine Franzose einen Marktanteil von vier Prozent. Insgesamt werden die Franzosen den schlichten Volumenbringer hierzulande in 27 Jahren über 900.000 Mal verkaufen.

Anfangs bringt Renault die Versionen R4, R4 L und R4 L Super Comfort mit einem wassergekühlten Reihen-Vierzylinder, der 23 PS aus einem 0,75-Liter-Hubraum schöpft. Das Basismodell kostet in Deutschland zunächst 3.830 Mark. Eine minimal ausgestattete Version Renault 3 mit 0,6-Liter Motor wird in Frankreich angeboten, aber nach kurzer Zeit wieder aus dem Programm genommen. Dafür wird am anderen Ende der Palette nachgelegt –ab 1962 gibt es ein Aggregat mit 845 Kubikzentimeter Hub und 26 PS. 1973 folgte ein Triebwerk mit 34 PS, das die Höchstgeschwindigkeit des R4 von 110 auf 120 km/h steigert.

Der kleine Revoluzzer mit der großen Klappe hat nicht nur mit seinem variablen Innenraumkonzept neue Standards gesetzt. Er gehört zu den ersten Volumenmodellen, die auf Plattformstrategie und Baukastenprinzip basieren. In drei Produktionsjahrzehnten hat Renault diverse R4-Varianten vom Stapel gelassen – neben der „Limousine“ empfahlen sich Transporter und Kombi. Mit dem „Sinpar 4x4“ kam sogar ein Ableger mit Allradantrieb. Als „Plein-Air“ warb der R4 als luftiges, türloses Spaß- und Strandmobil mit Faltdeck um junge Kundschaft. Mit „Rodeo“ folgte schließlich eine zweite Open-Air-Variante mit stärkerem Antrieb. An der Karosserieform hat der Autobauer über den gesamten Zeitraum keine wesentlichen Veränderungen vorgenommen – von Kleinigkeiten wie dem neuen Kunststoff-Kühlergrill, der Mitte der Siebziger kam, mal abgesehen. Dafür wurde der Volumenbringer in immer neuen Farben und mit phantasievollen Sonderausstattungen ins Rennen geschickt. R4 „Safari“ zum Beispiel brachte in den 70ern Polsterbezüge in Hängemattenoptik mit.

Als Rallyeauto hat der unkonventionelle Allrounder ebenfalls von sich reden gemacht. Die Allradversionen schlugen sich wacker beim Leistungstest Paris-Dakar und auch im Alltag erwiesen sich die Antriebe als relativ robust. Über 100.000 Kilometer konnten R4-Fahrer in der Regel auf zuverlässige Dienste bauen. Der Feind lauerte an anderer Stelle. In 31 Produktionsjahren bekam Renault das Rostproblem nicht wirklich in den Griff. Das erklärt auch, warum die meisten der über acht Millionen Exemplare längst Opfer der Schrottpresse geworden sind.

Mit dem limitierten Sondermodell „Salü“ verabschiedete sich der R4 von den Kunden in Deutschland. Verschärfte Abgasbestimmungen, die den Einsatz eines Drei-Wege-Katalysators erfordert hätten, brachten hierzulande das Aus. 1992 wurde die Produktion weltweit eingestellt. Der letzten in Deutschland verkaufte R4 GTL ging an Günther Jauch, der damals noch aufstrebendes Nachwuchstalent im deutschen Fernsehen war. An eine Neuauflage des genialen Allrounders hat sich Renault nie gewagt. Der Geist des R4 lebe im praktischen Lastenträger Renault-Kangoo weiter, verkünden die Marketingprofis. Aber so einfach, wie es sich Vertriebsstrategen wünschen, lässt sich automobile Aura eben doch nicht verpflanzen..

Quelle: Autoplenum, 2011-03-23

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