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Testbericht

Stefan Grundhoff, 24. Februar 2016
Der Lada Niva feiert im trendigen SUV-Zeitalter seinen 40. Geburtstag. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich bei dem Russen wohltuend wenig getan.

Mit großem Tam-Tam verabschiedete sich vor wenigen Wochen das Geländewagen-Urgestein Land Rover Defender in den verdienten Ruhestand. Mercedes zelebriert mit seinem 37 Jahre alten G-Modell jedes Jahr neue Verkaufsrekorde und der schmucklose Lada Niva steht von all dem unbeirrt nebenan. Er hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten durch nichts und niemanden aufhalten lassen. Selbst als ihm vor Jahren sein Modellname genommen wurde, kletterte der Russe aus Togliatti ohne jede Regung einfach weiter über Stock, Stein und was auch immer. Der einstige Lada Niva und heutige Lada 4x4 / Lada Taiga steht noch heute da, wie Mitte der 70er Jahre bei seiner Premiere: robuste Karosse, einfachste Technik und keinerlei nennenswerten Komfort. Auch wenn die jüngste Variante des Lada Taiga Urban durchaus erste Komfortgelüste befriedigt. So gibt es seit diesem Winter für einen Lada ungewöhnliche Ausstattungsdetails wie elektrische Fensterheber, eine Sitzheizung oder eine Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung. Einst gab es für den Lada Niva drei Fahrzeugschlüssel - einer für die Türen, einer für das Zündschloss und ein dritter für den Tankdeckel.

Doch auch wenn erste Komfortdetails in den rustikalen Russen einfließen, ist er nicht mit anderen Geländewagen zu vergleichen. Der Lada 4x4 ist kein Crossover, kein weich gespülter SUV, mit dem man lässig durch Blankenese oder Grünwald cruist, während ein sonorer Achtzylinder sanft im Hintergrund brabbelt. Das Kernmodell ist der nackte 4x4, in der aktuellen Sonderaktion mit dem viel sagenden Namen "Winterfinale" inklusiv Sonderausstattungen wie Anhängevorrichtung, M+S-Bereifung und einem Sicherheitsset zu bekommen. Das alles gibt es für sparsame 10.590 Euro - da kommt fast nur noch der billige Renault-Ableger Dacia mit. Der Basispreis des gerade einmal 1,3 Tonnen schweren Taiga 4x4 liegt sogar nur bei 9.990 Euro. Die Sondermodelle tragen nicht den Namen von Modedesignern, sondern heißen Taiga Multitalent, Taiga Jagd oder gar Taiga Schneepflug - bei jedem ist der Name Programm. Und Details wie Zusatzscheinwerfer, Radio, Motorhaubendämpfer oder eine Seilwinde stehen in der Gunst der Lada-Fans deutlich höher als die Schmuckausstattungen anderer Geländemobile.

Wie weit sich zwei Fahrzeuge voneinander entfernen können, sieht man am besten zwischen Lada Niva und der Mercedes G-Klasse. In den späten 70ern waren beide als reine Nutzfahrzeuge unterwegs, doch die rustikale G-Klasse wurde nicht nur durch ihre Einführung auf dem US-Markt Anfang des Jahrtausends zum Luxus-Szenemobil der Schönen und Reichen, während der nur 3,72 Meter lange Niva nahezu unverändert auf Kundenfang ging und Lada auf vielen europäischen Märkten am Leben erhielt. Wer sich für einen Lada 4x4 entscheidet, will ein Zeichen setzen. Er will nicht cool oder trendig sein, sondern eine der wenigen russischen Automobillegenden bewegen und ganz nebenbei im unwegsamen Geläuf keine bösen Überraschungen erleben. Wer die rustikale Klaviatur mit Untersetzung und Sperren beherrscht, ist auch in Wald und Flur kaum zu stoppen. Dafür sorgen auch 22 Zentimeter Bodenfreiheit und eine Wattiefe von 65 Zentimetern. Hier abseits befestigter Pisten fühlte sich der Lada 4x4 schon immer besonders wohl. Wird der Untergrund fester und die Geschwindigkeit höher, verfestigt sich der Eindruck in einer Zeitkapsel zu sitzen, die in vergangene Jahrzehnte abgetaucht ist.

Der 1,7 Liter große Vierzylinder-Benziner hat ebenso wenig Aktualitätsansprüche wie der Taiga selbst. 61 kW / 83 PS sind nicht viel, aber für die Kunden des Russen seit Jahren ausreichend. Wer lieber einen drehmomentstarken Diesel möchte, muss auf dem Gebrauchtwagenmarkt bei alten Defender- oder Land-Cruiser-Modellen suchen. Lada hat außer dem optionalen Autogas-System (2.850 Euro) nichts derartiges im Angebot. Doch seine Kunden sind bekanntlich alles andere als anspruchsvoll und so halten sich die Beschwerden seit Jahrzehnten selbst auf internationalen Märkten wie in Australien, Uruguay oder Island in Grenzen. In den 90er Jahren gab es sogar einmal eine Dieselvariante, die es mit französischer Selbstzündertechnik jedoch nur kaum erwähnenswert ins Ausland schaffte. 137 km/h Höchstgeschwindigkeit sind ebenso schlapp, wie das Beschleunigungspotenzial 0 auf 100 km/h in 19 Sekunden. Daran stört sich ebenso wenig jemand, wie am alles andere als geringen Normverbrauch, der trotz des mäßigen Tatendrangs bei üppigen 9,5 Litern Superkraftstoff liegt. Geschaltet wird mit einer vergleichsweise hakeligen Fünfgang-Handschaltung. Der lange Stock ist alles andere als praktisch und wenn es im Gelände ungemütlicher wird, gibt es bekanntlich die beiden zusätzlichen Schaltknüppel für Sperren und Untersetzung auf dem lieblosen Mitteltunnel.

Im Gelände genießt der Fahrer die seit einigen Jahren verbaute Servolenkung fast genauso wie das Anti-Blockier-System, das einer der größten technischen Fortschritte wurde. Geht es in flotter Fahrt voran, ist es mit dem Taiga-Vergnügen schnell vorbei. Die Starrachse hinten sorgt in Verbindung mit dem kurzen Radstand für eine Hoppelei, die sonst allenfalls als Osterhase zu rechtfertigen wäre. Auf den Exportmärkten gibt es nur die dreitürige Standard-Variante. In Russland selbst ist der Lada Taiga seit den frühen 90er Jahren auch mit einem um 50 Zentimeter verlängerten Radstand als Fünftürer angeboten. Insbesondere für das Militär und Behörden gibt es zahlreiche Sonderaufbauten bis hin zu Krankenwagen und Panzerfahrzeugen. Seit ein paar Jahren soll der einstige Niva an sich eigentlich abgelöst werden. Die Euro-NCAP-Normen schafft man nicht und muss sich mit der Sonderregelung eines etablierten Kleinstherstellers behelfen. Das Ende des Lada 4x4 scheint nach vier Jahrzehnten näher denn je. Schnell zugreifen: günstiger wird es nicht.

Quelle: Autoplenum, 2016-02-24

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